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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2019

Epigenetik & Stress

Cover

Neurotrope Vitamine und Pflanzenextrakte als „Nervennahrung“

Stress und Leistungsdruck bestimmen zweifelsohne das Leben in der heutigen Zeit. Die WHO erklärt Stress zu den größten Gefahren für unsere Gesundheit und prognostiziert, dass in nur wenigen Jahren jede zweite Krankmeldung auf den negativen (Dis-)Stress zurückzuführen sein wird. Stress und psychische Belastungen wirken auf die Genregulation ein und aktivieren Gene, die u.a. auch zum Übergewicht beitragen. Hier können spezielle Pflanzenextrakte und Mikronährstoffe hilfreich sein, die eine positive Wirkung auf den Neurotransmitterhaushalt ausüben bzw. der stressbedingten Zunahme an Körpergewicht entgegenwirken.

Es gibt nicht das „Burnout-Gen“

Die Epigenetik befasst sich mit der Regulation der Gene. Inzwischen weiß man, dass Stress, psychische Belastungen und Traumata diese „Schalter“ (z.B. durch das Anhängen von Methylgruppen) am Erbgut mitbetätigen. Auch Ernährung, Bewegung und Körpergewicht nehmen Einfluss auf die Regulation der Gene. Damit wird deutlich, dass wir unsere Erbanlagen, die wir über unsere Eltern erhalten haben, durch unseren Lebensstil beeinflussen können.

Sowohl bei Depressionen als auch beim Burnout-Syndrom sind erbliche Komponenten nachgewiesen worden. Dabei wird der Anteil der erblichen Belastung bei Depressionen auf 70%, beim Burnout auf 30% geschätzt. Allerdings gibt es weder das „Depressions-“ noch das „Burnout-Gen“. Vielmehr sind es verschiedene Gene, die in unterschiedlichen Ausprägungen vorliegen können, wobei eines dieser Gene ganz besonders „verdächtig“ ist, für das Ausgebranntsein mitverantwortlich zu sein. An diesem „Kandidaten-Gen“, dessen Reaktionsprodukt die Aktivität eines wichtigen Botenstoffs im Gehirn beeinflusst, mischt die Epigenetik (und damit Lebensstilfaktoren) zu einem wesentlichen Teil mit. In den Blutproben von mehr als 1600 betroffenen Menschen zeigte sich, dass die Manipulation dieses speziellen Gens durch das Anhängen von Methylgruppen entscheidend am Ausbruch der Erkrankung mitbeteiligt ist: Während bei gesunden Kontrollpersonen dieses „Kandidaten-Gen“ kaum methyliert und problemlos abgelesen werden kann, führt das Ankleben der Anhängsel zu einem erhöhten Risiko für den Ausbruch der Erkrankung. Die stärkste Anhäufung der Methylgruppen hat man in dieser Untersuchung bei Personen, die beide Krankheitsbilder aufwiesen. Stressoren, denen wir täglich ausgesetzt sind wie z.B. Zeitdruck, Mobbing, fehlende Anerkennung der Arbeit etc. stehen im Verdacht, für diese epigenetischen Markierungen verantwortlich zu sein.

Die gute Nachricht ist, dass diese Fehlprogrammierung umkehrbar ist. Daher ist es wichtig, auf vorbeugende Maßnahmen wie Work-Life-Balance sowie stressabbauende Maßnahmen (Sport, Entspannungsmethoden etc.) zu achten.

Neurotrope Vitamine und Pflanzenextrakte als „Nervennahrung“

B-Vitamine spielen im Zuge der Genregulation eine wesentliche Rolle. Sie werden u.a. als Co-Faktoren bei der Herstellung von Neurtransmittern benötigt. Sie sind auch an der Reizweiterleitung und Bereitstellung von Energie mitbeteiligt. Biotin ist z.B. an der Expression von schätzungsweise 2000 Genen mitbeteiligt! Ein Mangel an B-Vitaminen kann sich z.B. in Form von Stimmungsschwankungen, Müdigkeit und Antriebslosigkeit zeigen. Eine Vielzahl von Medikamenten (z.B. Antihypertensiva, Blutverdünner, Antidepressiva) tragen zur Resorptionsminderung und damit defizitären Versorgungslagen bei.

Andererseits sollte man mit einer zu hohen Zufuhr an B-Vitaminen (v.a. Folsäure und Vitamin B12) vorsichtig sein, denn hier scheint es zu Hypermethylierungen an bestimmten Genen zu kommen, die Krebserkrankungen begünstigen können. Empfehlenswert sind Aufnahmemengen, die sich an den offiziellen Zufuhrempfehlungen orientieren. Auch Pflanzenextrakte wie z.B. Leinsamen- und Yamswurzelextrakt enthalten speziell für Frauen epigenetisch aktive Substanzen, die eine positive Wirkung auf den weiblichen Hormonhaushalt und die Psyche ausüben (z.B. in „phytofem“, in Kombination mit Borretschsamenöl und B-Vitaminen enthalten, Apotheke).

Borretschsamenöl ist besonders empfehlenswert. Es hat den höchsten Gehalt an Gamma-Linolensäure (22% Anteil, im Vergleich: Nachtkerzenöl nur 10%) im Pflanzenreich. Gamma-Linolensäuren sind Ausgangsstoffe für die körpereigene Produktion wichtiger Strukturlipide (Neuronen) und Gewebshormone und wirken antiinflammatorisch. Letzteres ist von großer Bedeutung, da Stress und psychische Belastungen Gene aktivieren, die Entzündungen im Körper begünstigen. Subklinische Entzündungen stellen ihrerseits einen pathogenetischen Faktor dar, der bei einer Reihe von chronisch-degenerativen Erkrankungen (wie Demenzen, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) von Bedeutung ist.

Suizidrate bei Männern höher

Stimmungsschwankungen und Depressionen können das Resultat aus langfristig bestehendem Stress sein. Bei Männern kommt Suizid infolge depressiver Verstimmungen etwa dreimal so häufig vor wie bei Frauen. Neben Stress kommen Erbfaktoren, außergewöhnliche psychische Belastungen, traumatische Kindheitserfahrungen, Stoffwechselstörungen und hormonelle Einflüsse als Ursachen für Depressionen in Frage.

Dass Testosteron eine positive Wirkung auf die Psyche hat, ist bekannt. Inzwischen gilt es als erwiesen, dass ein Mangel an Testosteron das Risiko für eine Depression erhöht. In einer vor wenigen Jahren durchgeführten amerikanischen Untersuchung wurde gezeigt, dass bereits ein grenzwertig verminderter Testosteronspiegel die Gefahr für diese Erkrankung erhöhen kann. In diese Studie wurden 200 Männer (Alter 20 bis 77 Jahre) mit einem Testosteronspiegel am unteren Grenzwert integriert. Mehr als die Hälfte der Männer zeigte Anzeichen einer depressiven Verstimmung. Dieser Wert lag etwa zwei- bis viermal so hoch als in der normalen Bevölkerung. Die Anwendung des männlichen Hormons bei einem bestehenden Mangel ist dennoch mit Vorsicht zu genießen, denn es können sich Nebenwirkungen wie Prostatabeschwerden, Brustschwellungen, Bluthochdruck, Leberschäden, Schwindel, Kopfschmerzen etc. einstellen.

Das Geheimnis des Andenginsengs

Vielfach haben Depressionen auch ihre Ursache in einer Sexualstörung (Potenzstörung),
die ihrerseits durch Testosteronmangel begünstigt werden kann. In der Naturheilpraxis hat sich die Gabe verschiedener Naturstoffe bewährt, die das Blutgefäßsystem unterstützen, den Hormonhaushalt ausbalancieren und für die nötige „Power“ sorgen. Die Aminosäure L-Arginin ist die Vorstufe des gefäßrelaxierenden NO, damit kann auch die Durchblutung des Genitaltraktes gefördert werden. Diverse Studien belegen eine deutliche Verbesserung der erektilen Dysfunktion unter Anwendung von L-Arginin.

Ein weiterer Naturstoff – die Macawurzel (Lepidium meyenii) – macht ebenfalls von sich Reden, denn der „Andenginseng“, wie die Pflanze aus Südamerika genannt wird, gilt als natürliches Potenzmittel und wird in der peruanischen Volksheilkunde auch bei Leistungsabfall und Stimmungsschwankungen angewendet. Die Maca wurde von den Inkas bereits vor 2000 Jahren als kräftigendes Nahrungsmittel und als Energiespender genutzt. Verschiedene wissenschaftliche Studien belegen eine deutliche Steigerung der sexuellen Lust und allgemeinen Leistungsfähigkeit. Auch bestehende psychische Beschwerden können, Untersuchungen zufolge, durch Andenginseng positiv beeinflusst werden. Die Teilnehmer einer südamerikanische Studie berichteten von einem Anstieg des körperlichen Energiepotenzials und deutlich verbesserter Libido. Auch andere Studien, bei denen die Wirksamkeit der Macawurzel auf die Erektionsfähigkeit hin untersucht wurde, weisen auf Verbesserung bei Potenzstörungen und Zunahme der Libido hin. Es ist empfehlenswert, auf die kombinierte Gabe von L-Arginin mit Macawurzelextrakt (z.B. kombiniert in „prostasense“ mit B-Vitaminkomplex und Coenzym Q10 enthalten, PZN 10318714, Apotheke) zu achten.

Stress – besonders Abnehmstress – macht dick

Stressige Situationen verursachen bei vielen Frauen und Männer eine vermehrte Nahrungsaufnahme („Stressesser“). Viele suchen in solchen Situationen v.a. in zuckerhaltigen Lebensmitteln Trost, denn auf diese spricht das Belohnungszentrum des Gehirns besonders gut an. Zucker (Glukose, Fruktose) ist ein wichtiger Signalgeber für unseren Stoffwechsel. Über einen komplizierten Nachrichtendienst, der über Darm, Leber und Bauchspeicheldrüse verläuft, werden über die Aktivierung bestimmter Gene Nerven- und Hormonsignale bereitgestellt. So werden weitere DNA-Sequenzen, die für den Fettstoffwechsel von Bedeutung sind, freigeschaltet, was zur Folge hat, dass Zucker auch zu Speicherfett umgewandelt wird. Es ist also naheliegend, dass Zucker dick macht und damit auch die mit Übergewicht assoziierten Krankheiten (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Krebsarten, Demenz, Depressionen, Gallensteine, Fruchtbarkeitsstörungen u.a.) fördert.

Abnehmwillige greifen meist zu einer Reduktionsdiät mit (drastisch) verminderter Kalorienzufuhr. Aber der Körper reagiert auf niedrigkalorische Kostformen mit einer Reihe von Anpassungen, die den Diäterfolg erschweren. In der Folge nehmen Menschen, die häufig Diäten durchführen, immer mehr zu. Unter „Diätstress“ wird vermehrt das Stresshormon Kortisol ausgeschüttet. Dieses kurbelt die Neubildung von Zucker an, womit die Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin produzieren muss. In der Folge entsteht das nächste „Hungerloch“ oder Lust auf Süßes. Damit ist der nächste Stress für den Körper vorprogrammiert. Zudem erhöht das Insulin die Fettverwertung und blockiert den Abbau von Fetten. Ein Teufelskreis, der es dem Abnehmwilligen schwer macht, durchzuhalten. Daher werden viele Diäten erfolglos abgebrochen oder gehen mit dem gefürchteten „Jo-Jo-Effekt“ einher, der nicht nur frustriert, sondern auch das Immunsystem und das Herz-Kreislaufsystem belastet.

Abnehmen – aber natürlich!

Übergewichtige haben einen erhöhten Bedarf an Antioxidantien und natürlichen entzündungshemmenden Stoffen, denn der erhöhte oxidative Stress und zu hohe Entzündungswerte sind Charakteristika übergewichtiger bzw. adipöser Menschen. Bestimmte Pflanzenextrakte liefern Antioxidantien und natürliche entzündungshemmende Bioaktivstoffe. Sie üben zudem einen positiven epigenetischen Einfluss auf den Stoffwechsel aus und erleichtern die Gewichtsreduktion – ohne Jo-Jo-Effekt!

Ein Zitrusfruchtextrakt zeigt nachgewiesenermaßen eine ausgeprägte lipolytische Wirkung. Der Extrakt aus Orangen-, Blutorangen- und Grapefruitextrakt mit Guarana ist in drei verschiedenen Humanstudien an Frauen und Männern geprüft worden. Im Ergebnis aus diesen placebokontrollierten Doppelblindstudien war das Gewicht im Durchschnitt (nach dreimonatiger Anwendungsdauer) um etwa 5,2 kg reduziert und das viszerale (Bauch-)Fett nahm um ca. 10% ab. Ebenfalls wurde eine deutliche Verbesserung der Körpersilhouette festgestellt. So hatten sich sowohl Taillen- als auch Hüftumfang der Studienteilnehmer um jeweils mehr als 5 cm gemindert, bei Männern ging der Taillenumfang sogar um durchschnittlich 7,4 cm zurück. Als Wirkprinzip wurde eine Hemmung eines Subtyps des Enzyms Phosphodiesterase nachgewiesen. Durch die Aktivitätshemmung dieses Enzyms wird das Fett frei für die Verbrennung.

Zusätzlich kann man die Fettverbrennung durch Anwendung von Grünteeextrakt unterstützen, denn dieser greift in den enzymatisch katalysierten Fettstoffwechsel ein und zeigt einen ausgeprägten Wirksynergismus mit dem Zitrusfruchtextrakt. Eine Wechselwirkung mit medikamentösen Wirkstoffen, wie sie z.B. vom Grapefruitsaft bekannt ist, ist nicht zu befürchten, da der Anteil an Furanocumarinen (die für die Interaktion verantwortlich sind) zu vernachlässigen ist. Auch metabolische Werte, wie z.B. das entzündungsanzeigende hs-CRP, nahmen signifikant ab.

Mithilfe des Bittermelonenextraktes kann man den Kohlenhydratstoffwechsel optimieren. Die Bitterstoffe verbessern die Insulinwirkung und hemmen die Ausbildung einer Insulinresistenz. Damit ist zur Unterstützung gewichtsreduzierender Maßnahmen die kombinierte Anwendung des patentierten Zitrusfruchtextraktes mit Guarana, Grüntee- und Bittermelonenextrakt (z.B. kombiniert in figuracell, PZN 8843873, Apotheke) empfehlenswert. Sinnvoll ist, gemäß der durchgeführten klinischen Studien eine kurmäßige Anwendung von drei Monaten oder länger.

Fazit

Langfristig stellen Stress und psychische Belastungen eine große Herausforderung für den Organismus dar, der eine Vielzahl von Adaptationen erforderlich macht und auch von epigenetischem Einfluss ist. Es ist sinnvoll, den Körper während solcher Phasen mit geeigneten Naturstoffen zu unterstützen, wobei v.a. ein Anstieg für subklinische Entzündungen und erhöhter Stress vermieden werden sollte, da dieser weitere chronisch-degenerative Erkrankungen begünstigt.

Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll
Dipl.-Biologin mit mehrjähriger Forschungserfahrung,
Expertin für Lebensmittelchemie und Ernährungsmedizin, Autorin
mail@prof.drmdoell.de

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