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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2019

Schamanisches Wissen heute

Cover

Was die Welt im Kern zusammenhält

Der Schamanismus erlebt v.a. in Deutschland und Skandinavien seit Jahren eine Renaissance – doch was hat es damit auf sich?

Schamanismus ist eine der ältesten Traditionen der Menschheit, weder eine Religion noch ein Glaubensbekenntnis, sondern das Wissen um all das, was die Welt im Kern zusammenhält. Das Wort „Schamane“ entstammt dem zentralasiatischen Begriff „Saman“, was „der Wissende“ bedeutet. Was damit umschrieben wird, ist nicht an ein bestimmtes Volk gebunden; vielmehr taucht es in vielen indigenen Kulturen auf, auch wenn diese nie miteinander in Kontakt standen. In Sibirien, auf Hawaii und im Amazonasgebiet wurden schamanische Bräuche gepflegt, die dort bis heute lebendig sind. Auch wir Europäer besaßen in früherer Zeit schamanisches Wissen und eine entsprechende Heilkultur.

Schamanisches Arbeiten

Wenn ich heute in Deutschland schamanisch arbeite, brauche ich keine Tierfelle, Trommeln oder exotischen Kulthandlungen – das ist spektakulär, dient dem Schamanen jedoch nur dazu, die Klienten auf das Ritual einzustimmen. Wie ein weißer Arztkittel.

Wichtiger ist die Einstellung. Einen Schamanen konsultiert man nicht mit dem Gedanken: „Verschreibe mir ein Medikament, dann wird alles gut.“ Wie wir wissen, ändert sich so wenig. Man ist also niemals Patient, sondern muss bereit sein, selbst mitzuwirken, um die Ergebnisse zu festigen. Es werden Selbstverantwortung und Selbstermächtigung gefordert.

Schamanisches Wirken ist ein weites Feld

Ein Schamane kann viele psychische Probleme behandeln. Er sieht den Grund für diese Missstände in Seelenverlusten. Die moderne Psychologie spricht von Traumata bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen. Den Betroffenen sind die eigentlichen Auslöser nicht bewusst, viele Symptome treten oft erst nach Jahren auf.

Einen Seelenverlust erleidet jeder einmal. Sei es durch Operation, Unfall, Gewalterfahrung oder durch den Verlust eines geliebten Menschen aufgrund von Tod oder schmerzhafter Trennung. Ist diese schreckliche Erfahrung nicht zu integrieren, löst sich der Seelenanteil ab, der diesen Schmerz auf sich genommen hat, damit man weiterleben kann. Das Erlebnis ist somit aus dem Bewusstsein gelöscht, doch in Situationen, die den Schrecken wieder triggern, reagiert man genauso wie früher: mit Angst, Wut, Ohnmacht etc.

Mit dem Abspalten eines Seelenanteils fehlt weit mehr als nur die Erinnerung. Man fühlt sich nicht mehr vollständig und fragt sich, woher innere Leere, Freudlosigkeit oder Suchtverhalten kommen.

Schamanische Reisen

Um die verlorenen Seelenanteile wiederzufinden, gehe ich mit dem Klienten auf eine schamanische Reise – hin zu dem Menschen, der er zur Zeit des auslösenden Ereignisses war, um in der Vergangenheit die Zukunft zu heilen. Hierbei arbeiten wir auf drei Weltebenen (Untere, Mittlere und Obere Welt).

In der Unteren Welt finden wir Tier-, Pflanzen-, Stein- und menschenähnliche Geister inmitten von Wiesen, Wäldern, Seen und Bergen. Hier entdeckt man seine Kraft- oder Geisttiere.

Die Mittlere Welt repräsentiert den magischen Aspekt der Welt, wie wir sie kennen, mit Zugang zu Vergangenheit und Zukunft. Hier finden wir Wesen, die wir aus Märchen und Mythen kennen: Trolle, Feen und Naturgeister.

Die Obere Welt ist ätherisch. Hier sind Götter, Ahnen und Erleuchtete mit dem gesamten Wissen der Menschheit. Sie bieten Hilfe bei Leid, Schmerz und ungelösten Fragen.

Wichtiger Teil der schamanischen Arbeit ist es, in diesen Welten die verlorenen Seelenanteile zu finden und sog. Seelenverträge aufzulösen, um sie durch neue, bessere zu ersetzen. Seelenverträge haben wir alle geschlossen, ob in diesem Leben, vor unserer Geburt oder in früheren Zeiten. Es sind getroffene Vereinbarungen, um eine scheinbar aussichtslose Krise zu bewältigen. Solche Versprechen gaben wir uns selbst, unseren Eltern, oder wir leisteten einen Gottesschwur, um aus einer bedrohlichen Situation gerettet zu werden.

Wir erfüllen diese Seelenverträge unbewusst, wiederholen damit aber die alten, zugrunde liegenden Verletzungen. Damit verhindern wir ein Leben, wie wir es uns wünschen, da die Verträge einschränkende Überzeugungen nach sich ziehen, die uns negativ beeinflussen.

Beispiel: Eine meiner Klientinnen konnte keine Kinder bekommen. Sie hatte alles versucht und schon beinahe aufgegeben. Im Rahmen der schamanischen Reise erfuhren wir, dass sie sich als Kind geschworen hatte, keine Kinder zu bekommen, um nie so zu werden wie ihre lieblose Mutter. Nachdem wir diesen Seelenvertrag gelöst und durch einen besseren ersetzt hatten, wurde sie tatsächlich schwanger. Heute ist sie liebevolle Mutter eines vierjährigen Mädchens.

Erlernbar wie ein Handwerk

Die schamanische Arbeit bietet Werkzeuge, für die man seinen jeweiligen Glauben nicht aufgeben muss. Ich arbeite auf Basis der sieben schamanischen Grundlagen.

1. Die Welt ist, wofür du sie hältst.
In dir ist begründet, was in deinem Leben geschieht, welche Menschen dir begegnen, ob sie dich achten und gut behandeln, oder respektlos mit dir umgehen. „Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, sondern so, wie wir sind.“ (Anais Nin)

2. Es gibt keine Grenzen – alles ist miteinander verbunden.
Du bist nicht machtlos. Andere sind es ebenfalls nicht. Alles, was du tust und intensiv fühlst, hat eine Auswirkung auf dich und auf die Welt.

3. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit.
Woran denkst du den ganzen Tag? Machst du dir andauernd Sorgen und Stress, malst dir aus, was Schlimmes passieren könnte? Oder hast du klare Ziele und Visionen, wie dein Leben sein soll, und lässt dich nicht davon abbringen, auch wenn die momentane Situation nicht danach aussieht? Es geht um die Disziplin des Geistes.

4. JETZT ist der Augenblick der Macht.
Wann immer du eine Entscheidung für dich und dein Leben triffst, es ist der richtige Moment. Die Macht ist immer da, und es liegt an dir, sie zu nutzen und einzusetzen. Viele haben ein Problem mit dem Wort „Macht“. In diesen Fällen gilt es herauszufinden, weshalb. Ziel ist die Selbstermächtigung.

5. Lieben heißt, glücklich zu sein.
Zu lieben bedeutet nicht zu beurteilen oder zu verurteilen. Man kann überall Schönheit, Vertrauen und Freude wahrnehmen. Lerne, wieder zu sehen wie ein Kind, dann wird das Leben spannend, aufregend und interessant.

6. Alle Macht kommt von Innen – alles besitzt Macht.
Wieder sind wir bei der Macht. Lerne sie anzunehmen. Wir müssen die Erfahrung machen, machtvoll zu sein. Und wir müssen die Macht der Gedanken und der Worte verstehen.

7. Wirksamkeit ist das Maß der Wirklichkeit.
Trial and Error: Alle großen Erfindungen sind so entstanden! Wenn etwas nicht funktioniert, muss man es anders versuchen. Oder es ist generell nicht das Richtige für einen. Hier sind Flexibilität, Einfallsreichtum und Kreativität gefragt, manchmal auch die Einsicht, dass eine Idee oder ein Mensch, den wir uns in den Kopf gesetzt haben, nicht richtig für uns sind.

Mein Motto lautet: „Back to our roots“! Das heißt, sich zu erinnern, wer wir waren, bevor wir etwas Bestimmtes sein mussten, welche Wünsche wir hatten, bevor wir durch leidvolle Erfahrungen innerlich dicht machten, und dies so gut wie möglich in unser heutiges Leben zu integrieren. Mit Grundlagen zu arbeiten, zu spielen und zu experimentieren bedeutet, einen tiefen Weg hin zu der eigenen Seele einzuschlagen.

Schamanismus ist wichtiger denn je!

In der Tiefe nach Blockaden zu fahnden ist wichtig, doch genauso wichtig ist es, Freude und Lebendigkeit, das eigene innere Leuchten wiederzufinden und zu leben! Wenn dies das Ziel ist, macht der Weg dorthin auch mehr Spaß, als wenn man immer verbissen versucht, „loszulassen“ und zu „transformieren“.

Wir leben heute wie noch niemals zuvor abgetrennt von der Natur, den Jahreszeiten und von uns selbst. Mediale Überflutung, Digitalisierung, Konsum, Perfektionsstreben, Stress, Hektik und pures Funktionieren – all das macht Menschen krank, physisch und psychisch. Rückenleiden und Depressionen als Beispiele gelten in Deutschland mittlerweile nicht ohne Grund als Volkskrankheit.

Vielleicht ist das wiedererwachte Interesse am Schamanismus und an sanften Heilweisen eine Art Gegenbewegung: Der Wunsch nach Heilung, nach uns selbst, nach Sinn. Wir spüren, dass wir mehr sind als nur eine Ansammlung von Zellen, die man so gut wie möglich in Schuss halten muss. Und dass Krisen, wie immer sie aussehen mögen, nicht einfach nur Schicksalsschläge sind, sondern etwas mit UNS und unserem Schicksal zu tun haben.

Anstatt im Außen nach Lösungen zu suchen, gehen wir im schamanischen Ritual nach innen und schauen uns in den eigenen Bilderwelten um: Hier gibt es so vieles zu entdecken und zu klären!

Jede Reise ist anders, jede ist eine in die Tiefen der eigenen Seele – keine bloße Fantasiereise. Sie ist ein Abenteuer, und wie Abenteuer so sind: Sie können mitunter anstrengend sein. Es geschieht Unvorhergesehenes, manchmal ist es nötig, etliche Male an einen bestimmten Ort zu gehen, um das Neue dort zu festigen und sicherzustellen, dass alles einen guten Verlauf nimmt. Und das passiert, wenn man dranbleibt. Ja, es erfordert ein hohes Maß an Bereitschaft, die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.

Schamanische Heilarbeit

Das Gesagte gilt ebenso für körperliche Erkrankungen. Eine schamanische Begleitung kann immer auch parallel zu schulmedizinischen Behandlungen stattfinden. Bei der schamanischen Heilarbeit reist man in die Vergangenheit, zum Ursprung der Erkrankung, als etwas in Unordnung geraten ist. Seitdem lebt man entgegen seiner Bestimmung. Das, was man erlebt, längst vergessen oder verdrängt hat, hat noch Bestand, ruft immer wieder dieselben unangenehmen Störungen hervor. Schamanisch arbeitend finden wir die Wurzel, die Ur-Geschichte, und schreiben dann ein neues Drehbuch, um die alte Story mit einer neuen, besseren zu überschreiben.

Die Neuroforschung hat längst belegt, dass Gefühle für unser Gehirn immer wahrhaftig sind und neuronale Muster hinterlassen. Gefühle wirken. Auf unseren Geist, unser Gemüt, unseren Körper. Genauso, wie wir im Kino Tränen weinen, wenn uns ein Film berührt, können wir mit einem neuen Drehbuch erlebte Dramen überschreiben und mit positiven Emotionen belegen. Dann kann Heilung geschehen.

Je nach Auslöser und Stärke der Symptome gilt es mal mehr, mal weniger zu verändern. Manchmal muss zur Gesundung eine Beziehung oder eine Arbeitssituation beendet werden. Das alles kann beängstigend erscheinen. Aber: Wenn es um das Überleben geht, darum, gesund zu werden, dann ist es notwendig, der eigenen Seele und der Berufung zu folgen.

Wegweisung zum Selbst

Die schamanische Heilarbeit ist eine Art „Innenschau“. Mit geschlossenen Augen nimmt man wahr, was in einem vorgeht. Man kann sehen, fühlen oder hören, wo Lebensströme fließen, wo sie schwach oder ins Stocken geraten sind. Wie Pfeilspitzen kann man die Folge von Kränkungen, bösen Worten und Gedanken erkennen. Die schamanische Bearbeitung ist unterschiedlich und höchst individuell. Sie verbindet wieder mit dem Selbst, sodass dieses im Leben zum Tragen kommt – und nicht das, was man liest oder hört. Nicht jeder kommt im Winter zur Ruhe, nicht jeder ist bei Vollmond voller Energie.

Life connection

Schamanismus, wie ich ihn praktiziere, ist ein Weg, wieder zu sich selbst zu finden, um wieder ganz zu werden. Was auch bedeutet, dass man sich seinen eigenen Schatten und Dämonen stellt. Und dass man bereit ist, sich von den Überzeugungen zu trennen, die man für unumstößlich hielt.

Das kann spannend und auch furchterregend sein, denn es führt zur Frage „Wer und was bin ich?“ sowie zur Erkenntnis, dass man im Leben nur einer Person Rechenschaft schuldig ist: sich selbst.

Die Art und Weise, wie man dieses neu gewonnene Wissen lebt, ist sehr individuell, doch es ist in allen Berufen und Gesellschaftsschichten möglich. Es gibt Manager, die mit ihren Krafttieren für mehr Erfolg zusammenarbeiten, oder alleinlebende Frauen, die sich mit ihrem Krafttier, das ihnen zur Seite steht, wesentlich sicherer fühlen. Kurz: Schamanisch zu fühlen wird zu einem großen „JA zum Leben“.

Susanne Agnes Fauser
Heilpraktikerin für Psychotherapie,
Dozentin an den Paracelsus Schulen, Autorin
susanne.agnes.fauser@gmail.com

CD-Tipp
Susanne Agnes Fauser:
Schamanische Kraft- und Heilreisen.
Tauche ein in die mystische Welt in dir.
Shaker Media Verlag

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