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Naturheilkunde
Lesezeit: 8 Minuten

Vegane Ernährung

Vegane Ernährung ist für unsere moderne Lebensweise eine sinnvolle Alternative. Wir bewegen uns kaum, und Arbeit hat sich im letzten Jahrhundert von einer körperlich beanspruchenden zu einer eher leichten Tätigkeit gewandelt. Wir benötigen daher eine andere Kostzusammensetzung. Spannende Zugänge sind in der veganen Ernährung zu finden. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass ein Umstieg auf eine vegane Ernährungsweise die Rückbildung von Stoffwechselkrankheiten fördern, den Menschen ein besseres Lebensgefühl, mehr Gesundheit und Anti-Aging-Effekte ermöglichen kann. Auch das Gesundheitssystem könnte entlastet werden, da jährlich etwa 17 Milliarden Euro Kosten durch ernährungsbedingte Erkrankungen verursacht werden.

In jeder Lebensphase

Vegane Ernährung wird grundsätzlich als positiv für die Gesundheit eingestuft. Studien zeigen, dass vegane Ernährung bei guter Planung in jeder Lebensphase bedarfsdeckend ist und darüber hinaus mit einigen gesundheitlichen Vorteilen im Vergleich zur Mischkost einhergeht.

Die Pflanzenkost ist sehr wasserhaltig, energiearm und mikronährstoffreich. Für unsere überwiegend „sesshafte“ Wohlstandsgesellschaft bedeutet dies, dass der Nährstoffbedarf gedeckt werden kann. Die natürlich vorkommenden Ballaststoffe führen zu einer Sättigungswirkung, sodass Völlerei vermieden werden kann. Sekundäre Pflanzenstoffe leisten einen bedeutenden Beitrag zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit. Sie waren und sind die Grundlage unserer Medizin. Das richtige Verhältnis von gekochter, roher und fermentierter Nahrung sollte beachtet werden.

Stoffwechselförderliche Wirkungen

Vegane Ernährung ist häufig basenüberschüssig, frei von Industriezucker und Cholesterin. Menschen, die mit der richtigen Lebensmittelauswahl vegan essen, erleben eine Verbesserung ihrer Gesundheit, Vitalität und Leistungsfähigkeit. Dies ist die Motivation vieler Veganer.

Eine ausgewogene Kost mit Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchten führt zur Vorbeugung und Reversibilität vieler Erkrankungen, v.a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie dem Metabolischen Syndrom, bestehend aus den Faktoren Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2, Herz- und Gefäßerkrankungen. Ebenso kann eine vegane Ernährung den Krankheitsverlauf von Multipler Sklerose, Rheuma, Krebs, Arthrose und Arthritis positiv unterstützen.

Vielseitige Ersatzprodukte

Die vegane Küche ist sehr abwechslungsreich, selbst wenn es um das Ersetzen von Milchprodukten und Eiern geht. So kommen statt Milch z.B. Reis-, Hafer-, Mandel- oder Kokosnuss-Milch zum Einsatz. Neuerdings gibt es Alternativen aus Erbsenprodukten. Die Verwendung von Eiern kann beim Backen durch z.B. Sojaprodukte, Banane, Apfelmus, Öl oder Flohsamenschalen umgangen werden.

Einordnung veganer Fleischersatz- und Fertigprodukte

Viele verzichten aus Gründen des Tierschutzes oder ökologischen Gesichtspunkten auf Fleisch und tierische Produkte. Sie möchten zeitweise dennoch den Geschmack haben oder verbinden damit bestimmte emotionale Erlebnisse gemeinsamer familiärer Tischkultur. Der Bedarf an veganen Fleischersatzprodukten steigt. Es gibt veganen Käse aus Tofu oder Nüssen und Wurstwaren aus Soja, Lupinen oder Erbsenisolat. Vegane Ersatzprodukte sind jedoch teuer und nicht unbedingt besser als die herkömmlichen Produkte. Sie sind, wie alle Fertigprodukte, zu süß, zu salzig, zu fett. Selber herstellen und frisch kochen ist immer die bessere Alternative.

Gesundheitswert für Gemüse

Bei keiner anderen Lebensmittelgruppe gibt es eine so große Einigkeit über deren gesundheitlichen Nutzen wie bei Gemüse. Im deutschsprachigen Raum gibt es die Empfehlung „5 am Tag“, bei der eine Portion Gemüse mit 130 g festgelegt wird. Hieraus ergibt sich eine Empfehlung von mindestens 650 g Gemüse und Obst pro Tag, die in Form von 400 g Gemüse und 250 g Obst zugeführt werden sollen. Gemüse enthält eine Vielzahl an sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, neben Kohlenhydraten, Proteinen/ Aminosäuren und geringen Mengen an Fett. Die sekundären Pflanzenstoffe beinhalten u.a. antioxidative und antientzündliche Wirkungen.

Kritische Nährstoffe

Es gibt auch Nährstoffe, auf die besonders geachtet werden muss. Nachfolgend aufgelistet vom kritischsten bis zum weniger kritischen Nährstoff:

Vitamin B12
Wir produzieren eine geringe Menge in unserem Darm, wenn unser Mikrobiom in Ordnung ist. Diese reicht aber nicht für die eigene Versorgung aus. In Pflanzen kommt das Vitamin nicht bzw. nicht in ausreichender Menge vor, weshalb eine Supplementierung ganz wesentlich ist. Ein Mangel führt zu irreversiblen nervalen Schädigungen. Eine regelmäßige Statusüberprüfung der Blutwerte (Holo-Transcobalamin, Methylmalonat, Homocystein) ist empfehlenswert.

Um ein gängiges „Kontra“-Argument zu entkräften: Die Resorptionsfähigkeit spielt eine viel größere Rolle, als die Frage, ob und wie viele tierische Produkte verzehrt werden. In Studien (u.a. Framingham ofiical Spring Studie) wurde aufgezeigt, dass sowohl Menschen mit geringem, aber auch jene mit ausgeprägtem Fleischverzehr eine an Mangel grenzende Versorgung von Vitamin B12 aufweisen. Hier spielt eine entscheidende Rolle, wie gesund der Magen ist. Dort wird in Abhängigkeit von B12 der Intrinsic Faktor (IF) gebildet, damit im späteren Verlauf der Verdauung Eisen für die Blutbildung (Hämoglobin) resorbiert werden kann. In meinen Ernährungsberatungen stelle ich immer wieder fest, dass besonders Mischköstler häufig unter Magenproblemen (wie Sodbrennen) leiden. Die dagegen eingesetzten, freiverkäuflichen Magentabletten (Säurebinder/-blocker) können jedoch zu Störungen im Bereich der Eisenresorption wie auch bei der Aufnahme von B12 führen.

Vitamin D
ist in vielen Ernährungskonzepten ein kritischer Nährstoff, da theoretisch ein Teil des Bedarfs über die endogene Synthese gedeckt werden sollte. Aufgrund der zu geringen Sonnenexposition der meisten Menschen geschieht dies nicht ausreichend. Um den Bedarf mit gängigen Lebensmitteln zu decken, sind weder genügend tierische noch pflanzliche Quellen verfügbar. Erhalten Pilze eine Sonnentrocknung oder eine UV-Bestrahlung, können sie eine große Menge Vitamin D produzieren. Als Nahrungsergänzung ist ein Präparat mit D3 und K2 sinnvoll.

Jod
Auch das Spurenelement Jod stellt ein globales Gesundheitsproblem dar. Deutschland konnte neben einer Reihe weiterer Industriestaaten durch die Einführung des jodierten Speisesalzes in den 1980er-Jahren diesen Nährstoffmangel in unserer Bevölkerung herabsetzen. Als Bestandteil unserer Schilddrüsenhormone übernimmt Jod systemische Funktionen, v.a. was den Stoffwechsel betrifft. Integriert man z.B. Nori, Kombu, Wakame, Spirulina, Chlorella oder Queller in seinen Speiseplan, verzehrt Pilze und verwendet jodiertes Speisesalz, hat man adäquate Möglichkeiten, seinen Bedarf an Jod auf pflanzlichem Weg zu decken.

Omega-3-Fettsäuren
Bei den für uns essenziellen Fetten bzw. Fettsäuren, Omega-6 und Omega-3, ist das Verhältnis der Aufnahme entscheidend. Da unsere Lebensmittel deutlich mehr Omega-6-Fettsäuren enthalten, ist auf eine ausreichende Zufuhr von Omega-3-haltigen Quellen zu achten. Dazu zählen Leinöl, Walnussöl, Hanföl/-samen, Chiasamen und bestimmte Mikroalgen, die die für uns wichtigen Omega-3-Formen DHA und EPA enthalten.

Zink
spielt als multifunktionaler Co-Faktor von Enzymen eine breitgefächerte Rolle in Stoffwechselprozessen und unterstützt unser Immunsystem. Bei der Aufnahme im Darm können Hemmfaktoren seine Bioverfügbarkeit herabsetzen. Durch geeignete Zubereitungsmethoden zinkhaltiger Lebensmittel (Vollkorngetreide, Pseudogetreide, Kürbiskerne, Nüsse) können wir entgegenwirken. Dabei sind das Keimen und Einweichen sowie die Kombination mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln oder Sauerteiggärung empfehlenswert.

Selen
finden wir aufgrund der mangelhaften Konzentration im regionalen Erdboden kaum in pflanzlichen Lebensmitteln. Es ist mit dem Jodstoffwechsel bzw. unseren Schilddrüsenhormonen engmaschig verbunden, weshalb ein Mangel systemische Auswirkungen auf unseren Körper hat. Eine adäquate Versorgung kann mit überregionalen selenhaltigen Produkten ermöglicht werden. Dazu zählt v.a. die Paranuss. Weiter sind Linsen, Reis und Champignons aus Regionen mit höheren Selenkonzentrationen im Boden geeignete Quellen.

Eisen
als wesentlicher Bestandteil unseres roten Blutfarbstoffes Hämoglobin stellt den häufigsten Mangelnährstoff dar. Betroffen sind v.a. junge sowie prämenopausale Frauen, was auf den monatlichen Blutverlust der Menstruation zurückzuführen ist. Eisenmangel kann nicht per se einer fleischlosen Kost zugeschrieben werden. Geschickte Kombinationen von Lebensmitteln führen zu einer höheren Aufnahmekapazität von Eisen im Darm, z.B. das Zufügen von Vitamin-C-haltigen Produkten (Zitrusfrüchte, Paprika, frische Kräuter) zur eisenreichen Mahlzeit. Den Mineralstoff finden wir in Hülsenfrüchten, Nüssen, Ölsaaten, Vollkorn- und Pseudogetreide, in grünem Blattgemüse und Trockenfrüchten.

Vitamin B2
Die Bioverfügbarkeit von Vitamin B2 kann einerseits durch schonende Zubereitungsmethoden, andererseits durch lichtgeschützte Lagerung hoch gehalten werden. Das Vitamin ist zwar säurestabil, allerdings lichtempfindlich. Optimal versorgen können uns Kürbis- und Sonnenblumenkerne, Sesam, Vollkorn- und Pseudogetreidesorten. Auch Hefeflocken stellen eine wertvolle Quelle für eine ganze Palette an B-Vitaminen dar.

Kalzium
Der Mineralstoff und der damit assoziierte Knochenstoffwechsel fungieren zusammen mit Vitamin D, weshalb der Status dieses Vitamins für die Kalziumversorgung ganz wesentlich ist. Für den Knochenstoffwechsel sind 23 verschiedene Stoffe verantwortlich, die u.a. in Mohn, Sesam, Mandeln, Haselnüssen, Amaranth, Haferflocken und Grünkohl zu finden sind. Alle grünen Blattgemüse-Sorten zählen zu den kalziumreichsten Quellen im Pflanzenreich. Mit Kalzium angereicherte pflanzliche Milchalternativen können unseren Speiseplan ergänzen, da ihre Bioverfügbarkeit jener von Kalzium aus Milch nicht nachsteht. Wird z.B. die Rotalge Lithothamnium calcareum beigefügt, erhalten die Pflanzendrinks denselben Kalziumgehalt wie Kuhmilch und noch zusätzliches Jod. Brennnesseln verfügen im Vergleich zur Kuhmilch (120 mg/100 g) über 713 mg Calcium/100 g, wobei die Bioverfügbarkeit aus Gemüse immer im Zusammenhang mit dessen Oxalsäuregehalt betrachtet werden muss.

Protein, Energie und Aminosäure Lysin
Naturbelassene Lebensmittel enthalten eine für uns Menschen adäquate Zusammensetzung der drei Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fette, Proteine), wodurch wir mit Hilfe pflanzlicher Lebensmittel auch den Eiweißbedarf optimal abdecken können. Alle essenziellen Aminosäuren finden wir in unterschiedlicher Zusammensetzung und Konzentration in pflanzlichen Nahrungsquellen. Voraussetzung für eine adäquate Versorgung ist eine ausreichende Energiezufuhr. Betrachten wir die pflanzlichen Proteine separat, so haben sie eine geringere biologische Wertigkeit. Allerdings haben auch die Messmethoden zur Proteinbewertung nur eine bedingte Aussagekraft. Die Kombination pflanzlicher Proteine hebt sie „auf Augenhöhe“ mit den tierischen.

Zu den idealen pflanzlichen Proteinquellen zählen Nüsse, Samen, Sojabohnen/-erzeugnisse, Linsen, Amaranth, Quinoa, Haferflocken, Blattgemüse, Sprossen und Keimlinge. Werden die pflanzlichen Proteine gemischt, wird z.B. die limitierende Aminosäure Lysin in ausreichender Menge aufgenommen. Wir finden in allen Nationen Gerichte, die eine Kombination von Getreide und Hülsenfrüchten beinhaltet, z.B. Reis oder Mais mit Bohnen, Linsen mit Weizen, Kichererbsen (Hummus) mit Fladenbrot. Zudem gibt es zuverlässige Berechnungsformeln für die pflanzliche Proteinmenge, sodass ein Mangel vermieden werden kann. Veganern wird empfohlen, ihren Proteinbedarf um etwa 10% zu erhöhen.

Fazit
Vegane Ernährung ist die Ernährung der Zukunft, weil sie unseren heutigen Anforderungen besser entspricht. Bei guter Planung ist sie vollwertig und enthält alle wichtigen Nähr- und Vitalstoffe für ein vitales, gesundes Leben. Werfen Sie doch mal einen Blick auf den ANDI-Score (Aggregate Nutrient Density Index), der die antioxidative Kraft von Lebensmitteln und weitere 34 Nährstoffparameter, z.B. den Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen, betrachtet.

Cornelia Promny
Dipl.-Oecotrophologin und Psychologische Beraterin, Expertin für Ernährungstherapie

c-promny@t-online.de

Foto: © Andrey Kiselev / adobe.stock.com

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