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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2022

Marketing in der Heilpraktikerpraxis – Teil 1

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Was Sie bei Texten in Patienteninformationen und auf Websites beachten sollten

Laut Definition der American Marketing Association ist Marketing „the activity, set of institutions and processes for creating, communicating, delivering and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners and society at large”.

Vereinfacht übersetzt und auf die Heilpraktikerpraxis übertragen: Beim Marketing geht es um Patientenorientierung, also um alle Aktivitäten und Prozesse, die die Wünsche und Erwartungen von (potenziellen) Patienten einbeziehen. Marketing ist ein komplexer Prozess, der auch die Aspekte „Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle“ berücksichtigt.

Werbung ist dabei als ein Teilbereich der Kommunikationspolitik zu verstehen. Hierunter wird die Gesamtheit der Maßnahmen zur Übermittlung von Information innerhalb und außerhalb eines Unternehmens verstanden.

Welche Bedürfnisse haben unsere Patienten?

Wer schon einmal auf einem Bewertungsportal unterwegs war, kann diese Frage sicher schnell beantworten. Dies sind die Bedürfnisse/Anforderungen unserer Patienten:

  • Behandlung nach den zu diesem Zeitpunkt allgemein anerkannten fachlichen Standards in der Heilpraktikerpraxis
  • Zufriedenheit mit der Behandlung
  • gründliche und verständliche Aufklärung
  • Qualität der Kommunikation
  • Vertrauensverhältnis
  • Sauberkeit
  • ausreichend Zeit
  • Freundlichkeit
  • Wartezeiten
  • Praxisausstattung
  • Parkmöglichkeiten
  • Kinderfreundlichkeit
  • „Entertainment“ im Wartezimmer
  • Betreuung in der Praxis
  • Barrierefreiheit
  • telefonische Erreichbarkeit
  • öffentliche Erreichbarkeit

Neben einer zufriedenstellenden Behandlung nach dem aktuellen fachlichen Stand haben eine gründliche und verständliche Aufklärung sowie die Beschaffenheit der Kommunikation einen extrem hohen Stellenwert in der Bedürfnishierarchie.

Regeln für die Kommunikationspolitik

Je nachdem, ob Sie Ihre Patienten aufklären, informieren oder Ihre Praxisleistungen bewerben möchten, müssen Sie sich an bestimmte Regeln halten, v.a. an das Patientenrechtegesetz (§§ 630a BGB ff), das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Letztlich greifen alle Bestimmungen ineinander und müssen miteinander verknüpft werden.

Informationspflichten der Behandelnden

Gemäß §630e BGB sind Behandelnde verpflichtet, „Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.“

Aufklärung bei (noch) nicht anerkannten Behandlungsmethoden

„Bei der Anwendung einer (noch) nicht allgemein anerkannten medizinischen Behandlungsmethode sind zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erhöhte Anforderungen an dessen Aufklärung zu stellen. Dem Patienten müssen nicht nur das Für und Wider dieser Methode erläutert werden, sondern er ist auch darüber aufzuklären, dass der geplante Eingriff nicht oder noch nicht medizinischer Standard ist. Eine Neulandmethode* darf nur dann am Patienten angewandt werden, wenn diesem zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, dass die neue Methode die Möglichkeit unbekannter Risiken birgt.“ (Quelle: Bundesgerichtshof [BGH] vom 18. Mai 2021, Az. VI ZR 401/)

*Dieses Urteil kann auch auf „Außenseitermethoden“ übertragen werden.

Eine Neulandmethode bezeichnet eine neue, klinisch noch nicht hinreichend erprobte Methode. (aus: Gehrlein, Grundwissen Arzthaftung, S. 44)

Als Außenseitermethode (alternative Behandlungsansätze) werden in der Rechtsprechung Verfahren bezeichnet, bei denen es sich nicht um allgemein anerkannte Therapiemethoden handelt, sondern um Methoden jenseits des bestehenden medizinischen Fachstandards. (Urteil vom 10. März 2010, Az. 6t A 712/08.T, BGH, Urteil vom 22. Mai 2007, Az. VI ZR 35/06)

Checklisten zur Patientenaufklärung finden Sie im internen Mitgliederbereich unserer Website www.heilpraktikerverband.de unter „Qualitätsmanagement, Checklisten“. Hilfreich ist auch unser Artikel „Dokumentation in der Heilpraktikerpraxis“ (Paracelsus 05/19).

Patienteninformation

Patienteninformationen in der Heilpraktikerpraxis können ganz unterschiedliche Zielsetzungen haben: Sie können der Aufklärung dienen, allgemein zu Gesundheitsfragen oder der Organisation der Praxis informieren, eine Entscheidungshilfe oder ein Wegweiser zu weiteren Beratungsangeboten sein.

Gebot der Sachlichkeit und Angemessenheit

Allgemein sollten alle Patienteninformationen sachlich, verständlich und transparent (ehrlich) sein. Gerade in Patienteninformationen, die der Aufklärung oder als Entscheidungshilfe dienen (wenn Patienten selbst abwägen sollen), müssen Informationsvermittlung und Werbung (Ziel der Absatzförderung) deutlich voneinander abgegrenzt bzw. getrennt werden.

Ein Muster, wie man eine Patienteninformation erstellen kann, finden Mitglieder des VUH im internen Mitgliederbereich unter „Praxisführung“.

Patientenwerbung

Als Werbung ist jede Aussage oder jede Form der beruflichen Kommunikation zu verstehen, egal ob Sie diese

  • schriftlich/textlich
  • mündlich/akustisch
  • visuell/bildlich

gegenüber (potenziellen) Patienten oder Verbrauchern äußern, um Ihre Praxistätigkeit bzw. den Absatz Ihrer Leistungen zu fördern. Streng genommen gilt: Jede berufliche Äußerung, die Sie in der Öffentlichkeit tätigen, wird als Werbung verstanden.

Stolperfallen vermeiden

Werbemaßnahmen von Heilpraktikern sollten weder anpreisend noch vergleichend oder irreführend sein.

Was bedeutet anpreisend?
Beispiel: „Die Nummer 1“
Reklamehafte Übertreibung, Superlative und Wortblasen – anpreisende Werbung ist eine gesteigerte Form der Werbung, die sich durch reißerische oder marktschreierische (aufdringliche, aufzwingende, lautstarke) Mittel auszeichnet, bei der die echte Information in den Hintergrund tritt.

Was bedeutet vergleichend?
Beispiel: „Bei uns geht Akupunktur besser als bei…“
Als vergleichend gilt eine Werbung, wenn sie unmittelbar oder mittelbar Bezug auf die Leistungen von Kollegen nimmt, und diese dabei herabsetzt. Auch eine versteckte vergleichende Werbung ist unzulässig.

Was bedeutet irreführend?
Beispiel: „Garant für erfolgreiches Gesundwerden“
Irreführend ist eine Werbung, wenn bei (potenziellen) Patienten falsche Vorstellungen ausgelöst werden, z.B. wenn Sie

  • bei fehlender wissenschaftlicher Evidenz eines Verfahrens einen „wissenschaftlichen Eindruck“ vermitteln
  • Fehlvorstellungen über Ihre berufliche Qualifikation (z.B. „Heilpraktiker für Bach-Blütentherapie) auslösen
  • verliehene akademische Grade und Titel unvollständig führen (z.B. nur Dr. statt Dr. phil.) oder Titel missbrauchen (§132a)

Weiterhin darf Ihre Werbung nicht den Eindruck erwecken, dass ein Behandlungserfolg mit Sicherheit erwartet werden kann (unzulässiges Erfolgsversprechen).

Sogar Ortsangaben können eine Irreführung darstellen („www.heilpraktikerin-musterstadt. de“). Alleinstellungs-/Spitzenstellungsbehauptungen sind nur zulässig, wenn sie wahr und anhand objektiver Kriterien belegbar sind.

Eine irreführende Werbung liegt also immer dann vor, wenn es um die Vorspiegelung falscher Tatsachen geht oder wenn eine wichtige Information unterlassen wird, die jedoch für Adressaten relevant sind oder zu welcher Werbende verpflichtet sind.

ACHTUNG: Wirkaussagen bei fehlender wissenschaftlicher Evidenz gelten als indirektes Heilversprechen!

Keine Werbung „durch die Hintertür“

Was z.B. zulässig ist, ist eine möglichst neutrale Darstellung von Behandlungsmethoden im Rahmen einer Vortragsveranstaltung. Wichtig dabei ist, dass Sie keine vortragsbezogenen Waren „feilbieten“ (z.B. Nahrungsergänzungsmittel, Bücher etc.) oder Anschriften von potenziellen Patienten entgegennehmen. Es darf dabei keinerlei Werbung für die Praxis gemacht werden, selbst die Adresse der Praxis darf nicht genannt werden.

Möglich wäre auch die Darstellung neutraler, rein redaktioneller Informationen auf einem Blog. Es darf aber nicht gleichzeitig in Zusammenhang mit diesem Blog auf Ihre Tätigkeit in der Praxis verwiesen oder Werbung gemacht werden, die den Erwerb bestimmter Produkte fördert.

Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie Heilpraktiker Patienten auf sich aufmerksam machen können, und was es mit der „Imagewerbung“ auf sich hat, freuen Sie sich auf Teil 2 dieses Beitrags (Therapiewerbung vs. Imagewerbung) in der nächsten Ausgabe.

Sonja Kohn
Heilpraktikerin, Mitglied im Vorstand des VUH

info@heilpraktikerverband.de

Foto: © janews094 I adobe.stock.com

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