Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2024

Sanft, aber kräftig – FASZIENMASSAGE

Cover

Aktive Gesundheitspflege in Wellness & Therapie

Seit Jahren spielt das Thema „Faszien“ eine immer größere Rolle in der therapeutischen Landschaft. Die moderne Forschung an unterschiedlichen Instituten weltweit trägt ihren Teil dazu bei und liefert neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet. Mehr und mehr wird klar, welch große Bedeutung das fasziale Gewebe für unser ganzheitliches Wohlbefinden hat. Ich stelle Ihnen in diesem Artikel eine Form der Faszienmassage vor, die präventiv wie auch therapeutisch positiv auf das Fasziengewebe einwirken kann.

Veränderung der Sichtweise

Noch vor wenigen Jahrzehnten ging man in der Medizin davon aus, dass Faszien lediglich als Füll- und Stützgewebe dienen. Man wusste zwar, dass es im Rahmen von Wundheilung und Narbenbildung eine Rolle spielt, aber wirklich wichtig schienen die Faszien nicht zu sein. So lernte ich es auch noch während meiner Ausbildung zur Physiotherapeutin.

Erst mit den Bemühungen Dr. Robert Schleips, Mitinitiator des ersten internationalen Faszien-Kongresses 2007 (1. Fascia Research Congress) an der Harvard Medical School in Boston, USA gelang der Durchbruch für die moderne Faszienforschung. Seither treten stetig neue, hochinteressante und wichtige Ergebnisse zutage, welche die Faszien in ein neues, bedeutungsvolles Licht rücken.

Nicht zuletzt hat der Leistungssport und die damit verbundene Erwartung an schnelle Regenerationszeiten sicher mit dazu beigetragen, die Bedeutung des faszialen Gewebes für den Organismus genauer zu betrachten.

Jedenfalls wissen wir heute: Faszien sind definitiv viel mehr als nur silbrig glänzende, passiv bewegte Bindegewebshäute.

Bedeutung der Faszien

Das Wort „fascia“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt „Band“ oder „Bündel“. Dieses feinmaschige Netzwerk aus Bindegewebe, das unseren Körper durchzieht, ist von unterschiedlicher Elastizität, Festigkeit und Struktur. Unsere inneren Organe (z.B. Herz, Leber, Lunge, Milz) werden von Faszien umhüllt, ebenso die Knochen. Und auch jeder einzelne Muskel steckt auf dieselbe Weise in einer Art Strumpf aus Fasziengewebe. Selbst der Raum zwischen den Organen, Muskeln, Gefäß- und Nervenbahnen ist davon durchwoben.

Aufgaben der Faszien Stabilität

Mehrere übereinandergelegte Faszienlagen sichern die Organe insofern, dass diese am ihnen zugedachten Platz verbleiben. Das gewährleistet u.a. deren Funktion, denn zur Bewerkstelligung ihrer Aufgaben ist eine gewisse Stabilität vonnöten. Geschmeidige, feinmaschige oder teils grobgliedrige Lagen von Fasziengewebe kleiden die Zwischenräume im Körper aus und sorgen so dafür, dass Organ- und Muskelfunktionen ungestört und im Wortsinn „reibungslos“ ermöglicht werden.

Flexible Raumgebung

Organe benötigen hinsichtlich ihrer Funktion ein reibungsloses Zusammenspiel mit den Faszien, sodass von diesen nicht nur Stabilität, sondern auch Flexibilität gewährleistet werden muss. Jeder Atemzug geht einher mit einer Ausdehnung der Lunge, dem Weiten des Brustkorbes und einem Zusammenspiel mit dem Zwerchfell. Für jeden Verdauungsprozess sind die Weitung des Magens und die gleitende Peristaltik des Darms erforderlich.

Flüssigkeits- und Nährstofftransport

Auch die aus Binde- und glattem Muskelgewebe bestehenden Blutgefäße müssen sich einmal durch den Pumpdruck des Herzens weiten und danach wieder verengen. Starres Gewebe würde dies nicht zulassen. Faszien und Bindegewebe sorgen also neben der Gewährleistung physiologischer Organfunktionen auch in erheblichem Maß für die nötige Elastizität der beteiligten Gewebe und Strukturen, damit der Organismus regelrecht und situationsbezogen funktionieren kann. Die benötigte Elastizität erfordert einen gewissen „Schmierstoff“: Hier kommt die Lymphflüssigkeit und deren Bedeutung ins Spiel. Das Gewebswasser wird mitbewegt, sodass darüber zusätzlich für den Transport wichtiger Substanzen im Körper gesorgt ist.

Speicherfunktion

Faszien- und Bindegewebe sind auch Flüssigkeitsspeicher. Ausreichende Mengen an Flüssigkeit (Wasser oder Kräutertee) zu sich zu nehmen ist wichtig, damit Faszien nicht verkleben oder verfilzen, wie man die ungesunden Veränderungen des Gewebes nennt.

Bedeutung für unsere Gesundheit

Vor allem wir als Heilpraktiker, Osteopathen und Masseure können unterschiedliche Behandlungsoptionen anbieten, um die Elastizität des faszialen Gewebes zu erhalten. So bleiben unsere Klienten gesund und schmerzfrei. Besonders Massagen und Faszientraining gewährleisten das reibungslose Miteinander und eine gesunde Funktion der Köperfaszien. Den Zusammenhang zu kennen und bewusst zu trainieren, sich also vorstellen zu können, wie die einzelnen Gewebeschichten miteinander funktionieren, macht bereits den Unterschied und verbessert den Trainingserfolg. Dies sollten wir vereinfacht auch unseren Patienten und Klienten klarmachen.

Faszien lieben Dehnung und Massage

Faszientraining ist in den letzten Jahren zum gesunden Trend geworden. Wie kommt das, und was steckt dahinter? Zunächst sei gesagt: DAS Faszien-Training oder DIE Faszien-Bewegung gibt es nicht, denn jegliche Form der Körperaktivität sorgt auch für eine Beanspruchung der Faszien und eine entsprechende Stimulierung. Mit bewusst gewählten aktiven Dehnübungen oder gezielt eingesetzten Massagen, die passives Dehnen bedeuten, können wir das Bindegewebe und die Faszien jedoch in wirkungsvoller Weise aktivieren.

Dabei entsteht ein „Rückkopplungseffekt“: Durch die Anregung der Durchblutung und damit einhergehend die Verstärkung des Lymphflusses ergibt sich eine positive Auswirkung auf die inneren Organe, denn auch sie werden besser durchblutet und versorgt. Wenn wir unser Muskel- und Fasziengewebe durch Massage-Anwendungen behandeln oder mithilfe von Körperübungen trainieren, sorgen verschiedene Rezeptoren für eine Reizweiterleitung und Aktivierung im gesamten Körper. Angemessene Dehnungsübungen, Yin- oder Faszien-Yoga sowie entsprechende Druckreize während einer Massage, z.B. Bindegewebsmassagen, sorgen für eine Flüssigkeitsverschiebung (Blut und Lymphe), halten das Gewebe geschmeidig und durchlässig. Damit sorgen wir für eine gute „Nährung“ dieser vielschichtigen Körperhüllen im ganzheitlichen Sinne, denn die Faszien sind es, die alles mit allem im Körper verbinden.

Äußere und innere Ernährung

Die innere Nährung der Faszien steht mit der äußeren Ernährung in enger Verbindung, denn sie ist natürlich stark davon abhängig, was wir unserem Körper zuführen. Leicht verdauliche Nahrung, Gemüse und Obst (basische Ernährung) sowie ausreichendes Trinken erleichtern den Organen die Stoffwechselarbeit und tragen maßgeblich dazu bei, dass die Faszien gesund und funktionsfähig bleiben.

Faszienmassage

Nachfolgend stelle ich ein Praxiskonzept einer Faszienmassage vor, die u.a. mit einem sog. Faszienkamm arbeitet. Diese Massage kann präventiv, bei Beschwerden in Beauty-, Wellness-, Massage- und manualtherapeutischen Instituten sowie im Bereich Rückengesundheit angewandt werden. Dabei wird ausschließlich die Körperrückseite in unterschiedlicher Weise massiert. Die gesamte Behandlung sollte 30-45 Minuten dauern.

Schritt 1 In den ersten beiden Schritten geht es um eine Verbesserung der Mikrozirkulation der Haut und eine Unterstützung der Exfoliation. Hierzu werden eine Trockenbürste (in den Abbildungen sehen Sie eine Trockenbürste mit Kupferdraht/Klosterbürste) oder Garshan-Handschuhe (aus Rohseide oder Baumwolle wie im Ayurveda) genutzt.

Behandelt wird der Patient in Bauchlage. Beginnen Sie die Trockenbürsten-Massage am linken Unterschenkel. Bearbeiten Sie das linke Bein in langsamen, kreisenden wie auch streichenden Massagebewegungen von den Knöcheln aufwärts zum Knie, über die Rückseite des Oberschenkels hinauf in den Gesäßbereich. Danach massieren Sie das rechte Bein in gleicher Weise. (Abb. 1)

Schritt 2 Für die Behandlung des Rückens starten Sie in der oberen Hälfte des Gesäßmuskels und führen die Massagebewegungen in größeren Kreisen durch. Nach 5-7 Kreisführungen massieren Sie rechts und links paravertebral den gesamten Rückenbereich, langsam und gleichmäßig kreisend aufwärts in Richtung HWS. Im HWS-Bereich angekommen, ziehen Sie Ihre Massagebürsten seitlich herunter, um auf Höhe des Gesäßes erneut kreisend aufwärts zu arbeiten. Dies wiederholen Sie 3-4 Mal. (Abb. 2)

Schritt 3 Nach dem Trockenbürsten folgt eine ausstreichende Massage der Körperrückseite mit pflegendem Öl oder Lotion. Beginnen Sie erneut am linken Unterschenkel und streichen Sie mit dem Massageöl Unter- und Oberschenkel sowie den Gesäßbereich aus. Anschließend massieren Sie das rechte Bein bis hinauf zum Gesäßmuskel in gleicher Weise.

Danach behandeln Sie den Rücken, indem Sie vom oberen Drittel des Gesäßmuskels nach oben bis auf Schulterhöhe streichen und an den Flanken der Patienten abwärts zum Gesäß ziehen. Das Ausstreichen des Rückens wiederholen Sie 5-7 Mal. (Abb. 3)

Schritt 4 Nun kommt der Faszienkamm zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um ein Tool, das eine intensive Massage ermöglicht. Mit mittlerem bis starkem Druck – Patienten sollen ein Wohlweh empfinden – ziehen Sie langsam am linken Unterschenkel (über der Kniekehle den Massagedruck verringernd) über den Oberschenkel bis zum unteren Drittel des Gesäßes. Danach starten Sie erneut am linken Unterschenkel.

Beginnen Sie 1 cm oberhalb der Achillessehne, am Anfang des Muskelbauches der Wadenmuskeln, und ziehen Sie in einem intensiven, langsamen und gleichmäßigen Massagestrich aufwärts zum Gesäßmuskel. Diese Massage wiederholen Sie 3-5 Mal. Danach wechseln Sie auf die rechte Seite.

Massieren Sie abschließend den unteren Rücken, inklusiv dem oberen Anteil der Gesäßmuskulatur, sowie den mittleren und oberen Rücken in langer, gleichmäßiger Strichführung. Insgesamt wiederholen Sie diesen Vorgang 3-5 Mal. (Abb. 4)

Weiterführende Empfehlungen

Als nachfolgende Behandlungsoptionen eignen sich z.B. Sauna, ein warmes Vollbad oder eine Heupackung. Erinnern Sie Ihre Patientin daran, ausreichend zu trinken, vorzugsweise Wasser, Zitronenwasser, Ingwertee o.Ä.

Fazit

Basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wissen wir heute, dass Faszien nicht nur passiv bewegte Strukturen sind, die unsere Organe umhüllen, sondern vielmehr aktive Mitgestalter unserer Physiologie und unseres ganzheitlichen Wohlbefindens. Durch ihre Fähigkeit, sich zu dehnen und wieder zusammenzuziehen, tragen sie maßgeblich zur Bewegungseffizienz bei. Jedoch können sie durch mangelnde Bewegung, chronischen Stress oder Verletzungen verkleben und verhärten, was zu eingeschränkter Beweglichkeit und Beschwerden führen kann.

Eine regelmäßige Faszienpflege, v.a. durch Dehnungen und spezialisierte Massagen, spielt eine fundamentale Rolle in der Erhaltung unserer körperlichen Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Dabei ermöglicht die Anwendung eines Faszienkamms eine tiefe therapeutische Stimulation des faszialen Gewebes. Sie fördert die Durchblutung, unterstützt die Lymphdrainage und hilft, Verklebungen zu lösen. Dies verbessert nicht nur die Beweglichkeit und reduziert Schmerzen, sondern regt auch die Regeneration auf zellulärer Ebene an.

Carola Bleis
Bewegungstherapeutin, Feldenkrais- und Yoga-Lehrerin, Systemischer Coach, Gründerin von faszieology®, Autorin info@faszien-work.de

 

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü