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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2021

Ayurvedische Ernährung für Tiere

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Die Ernährung macht einen großen Teil unserer Gesundheit aus. Dies gilt auch für unsere Tiere. Es ist nicht nur wichtig, das Tier bedarfsgerecht zu füttern und mit allen notwendigen Nährstoffen zu versorgen, sondern die Ernährung auch als Gesundheitskonzept zu betrachten und als wichtigste Einflussgröße auf die Selbstheilungskräfte, die gesunde Gewebeversorgung und die psychische Stabilität. Dabei sollte die Ernährung des Tieres individuell auf dessen Konstitution angepasst sein, denn die „Ur-Natur“ des Tieres bestimmt, welche Futtermittel zuträglich oder abträglich sind. Ayurveda bietet auch ein ganzheitliches und individuelles Ernährungskonzept für Tiere. Nahrung wird hier als „Food as Food“ sowie als „Food as Medicine“ betrachtet und bietet vielseitige Möglichkeiten in der Tierernährung.

Was ist Ayurveda?

Ayurveda ist die traditionelle Heilkunde Indiens, wo sie sowohl beim Menschen als auch beim Tier erfolgreich angewandt wird. Ayurveda bedeutet „Wissen vom Leben“. Dem Namen zufolge umfasst diese Lehre mehr als nur Heilpflanzenkunde. Für viele ist Ayurveda ein Heilsystem, das alle Aspekte des Lebens anspricht, wodurch Mensch und Tier lange gesund bleiben können.

Eine herausragende Besonderheit des Ayurveda ist seine Individualität. Es gibt kein „Schema F“ und keinen Dogmatismus, vielmehr wird durch eine Konstitutionsbestimmung der individuelle Typ des Tieres erfasst. Alle Haltungs-, Ernährungs-, Trainings- und Heilempfehlungen werden auf Basis dieser individuellen Konstitution ausgesprochen.

Beeinflussung und Erhaltung der individuellen Konstitution

Die Konstitution des Tieres kann durch einen Ayurveda-Tiertherapeuten oder einen Tier-Gesundheitscoach erfasst werden. Möglich ist auch die Bestimmung durch einen Konstitutionstest.

Die Konstitution des Hundes oder der Katze basiert auf der individuellen Veranlagung der Eigenschaften. Ayurveda arbeitet nach dem Prinzip der ausgleichenden Eigenschaften. Ziel ist es, diejenigen der angeborenen Konstitution zu erhalten, denn in dieser Balance ist das Tier gesund. Körper und Geist arbeiten im Einklang miteinander, die Selbstheilungskraft ist gegeben.

Im natürlichen Lauf des Lebens wirken viele Eigenschaften der Umgebung (z.B. das Wetter) und der Nahrung (spezifische Lebensmitteleigenschaften) auf das Tier ein. Gerät die Balance daraufhin ins Wanken, kann der Tierbesitzer gezielt darauf achten, das Gleichgewicht mit Futtermitteln, die der Konstitution des Tieres entsprechen, zu erhalten. Daraus folgt, dass die Ernährung des Tieres einen großen Betrag zu seinem inneren Gleichgewicht und einer optimalen Erhaltung der Gesundheit leistet.

Die Doshas

Nicht nur die Eigenschaften des Tieres selbst, sondern auch die der Umgebung sowie der Futter- und Heilmittel werden nach dem Konzept der „Doshas“ gruppiert. So wird das ayurvedische System vereinfacht und anwenderfreundlich.

Doshas sind Prinzipien, die es ermöglichen, bestimmte Eigenschaften und Funktionen im Körper zu gestalten und zu steuern. So können sie z.B. das Milieu im Körper beeinflussen. Es gibt die Doshas Vata, Pitta und Kapha. Diese sind auf der körperlichen Ebene die Repräsentanten der 5 Elemente. Jede Konstitution setzt sich aus allen 5 Elementen zusammen. Sie unterscheiden sich darin, wie dominant sich die einzelnen Elemente im Körper zeigen:

Vata ist das Prinzip der Bewegung und bildet sich aus den Elementen Luft und Raum. Vata vereint die Eigenschaften trocken, kalt, rau, feinstofflich, beweglich, leicht und nicht schleimig. Um diese Eigenschaften auszugleichen, brauchen wir Nahrungsmittel mit feucht-öligen, schweren, wärmenden Eigenschaften. Diese sind z.B. in Wurzelgemüse und durchwachsenem Rindfleisch enthalten.

Pitta ist das Prinzip der Umwandlung und bildet sich aus den Elementen Feuer und etwas Wasser. Pitta vereint die Eigenschaften heiß, etwas ölig, penetrierend/spitz, flüssig, sauer, beweglich wie eine Flüssigkeit und scharf. Zum Ausgleich dieser Eigenschaften sind süße, bittere, kühlende, harte (rohe) Futtermittel wichtig. Hierfür eigen sich z.B. grünes Blattgemüse wie Spinat und Mangold, Fleisch vom Geflügel sowie süße Früchte.

Kapha ist das Prinzip des Zusammenhalts und bildet sich aus den Elementen Erde und Wasser. Kapha vereint die Eigenschaften schwer, kalt, weich, ölig, süß, stabil und schleimig. Um diese Eigenschaften auszugleichen, bedarf es Futtermittel mit trockener, wärmender, leichter Qualität. Diese finden wir z.B. in Hirse, magerem Ziegenfleisch und leichten Gemüsesorten wie Zucchini oder Karotte.

Gesunde Ernährung für unser Tier ist nach ayurvedischen Prinzipien individuell und von dessen Typ anhängig. Es gibt aber auch Ernährungsregeln, die für jeden Hund und jede Katze gelten, denn sie stabilisieren das Verdauungsfeuer, dieses wird im Ayurveda „Agni“ genannt.

Das Agni ist die treibende Kraft der Umwandlungen im Körper. Das Verdauungsfeuer arbeitet auf der Ebene der Futterresorption auf Gewebs- sowie Zellebene. Seine Zuständigkeit liegt darin, wie gut die Nährstoffe aus dem Tierfutter in jeder einzelnen Zelle ankommen. Nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Nahrung ist abhängig von der Leistungsfähigkeit des Agni. Durch ein schwaches Agni können nicht nur Mangelzustände an Spuren- und Mengenelementen, sondern auch weiterführende Gewebemängel entstehen. Stumpfes Fell, harte Muskulatur, schwache Sehnen und Bänder – all dies sind auch Auswirkungen eines „Nährmangels“ des Gewebes, verursacht durch gestörtes Agni.

Die Ernährung hat den stärksten Bezug zu Agni und neben dem Ausgleich des Doshas die Funktion, ein starkes Verdauungsfeuer (Agni) zu fördern.

Unterformen des Agni

Aus diesem Wissen heraus lässt sich Agni in 3 Unterformen gliedern:

Jatharagni ist das Hauptagni. Es ist zuständig für Aufnahme und Resorption der Nahrung sowie Ausscheidung der Abfallprodukte (Mala) und befindet sich im Bereich von Magen, Leber und Zwölffingerdarm. Entsprechend des Dosha-Gleichgewichts im Körper kann Jatharagni ausgeglichen, zu stark oder zu schwach arbeiten. Ist die Verdauung zu schnell, zu langsam oder sehr unregelmäßig, resultiert dies aus einem zu stark oder zu schwach arbeitenden Agni. Reguliert wird dies durch die Eigenschaften des Futters bzw. ihren Geschmack und der Wirkung nach der Resorption.

Jedes Lebensmittel kann nach diesen Kriterien beurteilt und individuell empfohlen werden. So sind süße und gleichzeitig auf den Stoffwechsel kühlend wirkende Futtermittel, z.B. Reis, Fisch, Lamm, Fenchel und Kartoffeln, eher stoffwechselberuhigend. Auf den Stoffwechsel erhitzend wirken Futtermittel wie Rindfleisch, Karotten oder Papaya, diese sind daher eher stoffwechselanregend.

Durch die richtige Auswahl an Futtermitteln kann die Geschwindigkeit und Sorgfältigkeit der Arbeit von Agni auf ein Optimum korrigiert werden. Dies kann auch durch Gewürze gesteuert werden. Hunde und Katzen sind sehr empfindlich gegenüber Gewürzen. In kleinen Mengen und mit dem Futter verkocht sind diese aber sehr zuträglich. Scharfe und bittere Gewürze wirken anregend (sehr scharfe Gewürze wie Chili oder schwarzer Pfeffer dürfen Hunden und Katzen nicht gegeben werden!), süße Gewürze wirken beruhigend auf Agni.

Bhutagni ist das Stoffwechselagni. Es hat die Aufgabe der Umwandlung der Nahrung, wodurch sie vom Zellstoffwechsel verwertet oder ausgeschieden werden kann. Der Hauptsitz von Bhutagni liegt in der Leber. Es sorgt für die Verstoffwechselung der einzelnen Nähr- und Wirkstoffe. Die Bhutagnis entsprechen den 5 Elementen.

Dhatvagni ist das Zell- und Gewebsagni, das Ende der Agni-Wirkkette. Hier findet die Umwandlung der Nahrung in die vom Gewebe benötigten Substanzen statt. Dieses Gewebefeuer steuert den Zellstoffwechsel. Nach ayurvedischer Betrachtung haben alle Gewebe einen eigenen Stoffwechsel mit gewebespezifischen Funktionen und Ausscheidungsprodukten. Dhatvagni hat seinen Sitz in jeder Zelle des spezifischen Gewebes. Bestimmte Futtermittel und Gewürze können spezifische Gewebeagnis anregen und so ganz gezielt die Muskulatur aufbauen (z.B. Ziegen- oder Putenfleisch), das Fettgewebe fördern (z.B. Pastinake), das Blut reinigen (z.B. Roter Reis), den Knochenstoffwechsel bei Arthrose fördern (z.B. Weißer Spargel), die Libido regulieren und steigern (z.B. Granatapfel).

Förderung des Agni

Unabhängig von speziellen diätetischen Ernährungsempfehlungen werden einige allgemeine Ernährungsregeln für ein langes, gesundes Tierleben empfohlen, um Agni und damit die Selbstheilungskraft von Hund und Katze zu fördern:

  • Warme Mahlzeiten füttern. Sie schmecken gut, regen Agni an und werden schneller verdaut.
  • Keine trockene, stattdessen ölig-fettende Nahrung füttern, indem jedes Mal etwas Ghee (geklärte Butter, enthält nur das Fett ohne Eiweiß) oder Öl zum Futter gegeben wird. Dies macht das Futter schmackhaft, regt Agni an, fördert die Resorption der Nährstoffe, stärkt die Sinnesorgane und verbessert das Fell.
  • In Maßen füttern. Nur ein Drittel des Magens sollte mit fester Nahrung gefüllt werden, das zweite Drittel mit flüssiger Nahrung, das dritte Drittel sollte für die Aktivität der Doshas frei bleiben. Überfütterung ist eine häufige Ursache für Verdauungsstörungen und Stoffwechselerkrankungen. Mehrere kleine Mahlzeiten sind besser verträglich als eine große. Unsere Haustiere sollten nach dem Fressen genauso agil und munter sein wie davor. Dies sorgt für eine gute Verdauung, ohne das Agni und die Doshas zu stören.
  • Neue Nahrung sollte erst nach der Verdauung der vorangegangenen Mahlzeit gefüttert werden. Dann haben sich die Doshas beruhig und Agni ist stimuliert, neuer Hunger entsteht. Zu viele Zwischenmahlzeiten, die das Verdauungsfeuer irritieren, sind zu vermeiden. Ein Hund solle nur 2-3-mal Futter erhalten, eine Katze 3-4 Mahlzeiten. Wenn wir frisch gekochtes Gemüse, z.B. Karotten, Rote Beete oder Spinat, einsetzen, lässt sich gut beobachten, wie schnell das Essen verdaut wurde, da bestimmte Farben oder feine Bestandteile im Kot zu sehen sind.
  • Die Kombination von mehreren tierischen Proteinen sollte vermieden werden. Gerade die Kombi von Fleisch mit Kuhmilchprodukten kann Stoffwechseltoxine fördern. Daher sollten Milchprodukte wie Hüttenkäse oder Quark, auch Eier immer getrennt von Fleisch enthaltenden Mahlzeiten gefüttert werden.
  • An einem geeigneten Ort füttern. Das Tier soll sich wohlfühlen. Stress oder Angst (auch Futterneid) sollte während der Fütterung vermieden werden, dies schwächt die Funktionalität von Agni.
  • In Ruhe füttern. Hund und Katze sollten weder zu schnell noch zu langsam fressen und sich auf ihr Futter konzentrieren können.
  • Ernährungsroutine ist wichtig, denn der Körper stellt sich bereits vor einer Mahlzeit mit seinen Verdauungsenzymen auf die kommende Aufgabe ein. Gleichbleibende Fütterungszeiten, Rationen, Mengen und Inhalt sind daher essenziell für ein gesundes Agni.
  • Beachten Sie bei der Auswahl der Futtermittel die individuelle Konstitution Ihres Tieres sowie seine konstitutionsbedingten Bedürfnisse hinsichtlich der natürlichen Eigenschaften der Futtermittel und der Zubereitungsart. Zu bedenken ist auch, dass sich die Eigenschaften von Nahrungsmitteln durch die Zubereitung verändern können. Je nach Konstitution sind unterschiedliche Verhältnisse an roher, gekochter und gedünsteter Nahrung empfehlenswert. Als Faustregel lässt sich folgendes Verhältnis festhalten: 20% roh, 20% gedünstet, 40% gekocht, 20% flüssig.

Die typgerechte Ernährung eines Hundes oder einer Katze umfasst die Zubereitung des Futters, seine Inhaltsstoffe, die Fütterungszeiten und Mengen.

Jedes Lebensmittel wird im Ayurveda nach seinen Eigenschaften klassifiziert und kann so individuell für bestimmte Konstitutionen empfohlen oder abgelehnt werden. Dies ist der Schwerpunkt einer ayurvedischen Ernährungsberatung für Hunde und Katzen. Nach Erfassung der Konstitution bzw. der Eigenschaften, die eine Dysbalance hervorrufen, werden darauf aufbauend die individuell zuträglichen und oft heilsamen Futtermittel und ihre Zubereitungsform zusammengestellt.

So stellt Ernährung im Ayurveda auch einen Teil der Therapie dar, unabhängig davon, ob die Beschwerden im Verdauungstrakt liegen oder nicht. Ernährung wirkt durch Agni und die Doshas über den Verdauungstrakt hinaus und reguliert alle Funktionen des Körpers, auch die Psyche.

Der Kot als Kontrolle für den Zustand von Agni und Doshas

Das Futter sollte eine gesunde Verdauung fördern. Der Kot des Tieres sollte regelmäßig, geformt, aber weich und ohne Auffälligkeiten (z.B. öliger Film, Schleim, Kotwasser) abgesetzt werden. Blähungen sind ein Zeichen für schwaches Agni.

Im Ayurveda wird der Kot des Tieres genau betrachtet, denn er verrät uns nicht nur, wie gut das Agni des Tieres arbeitet und ob alle Gewebe versorgt werden. Seine Eigenschaften geben auch Aufschluss über die Dosha-Balance und damit den allgemeinen Gesundheitszustand. Oft sitzt die Entstehungsursache für Erkrankungen in einer Störung des Agni und der Doshas. Ayurveda hat das Ziel, der Ursache für Leid die Wurzel zu entziehen und so die Gesundheit zu stärken. Auf einen optimalen Kot des Tieres zu achten, kann sehr wertvoll sein.

Fazit

Die Ernährung liefert einen wichtigen Aspekt der Tiergesundheit. Sie sollte individuell, ganzheitlich und bewusst eingesetzt werden. Es kommt nicht nur darauf an, was Sie füttern, sondern auch wann, womit und wie es zubereitet wurde. Ayurveda betrachtet Futtermittel nicht nur als Futter, sondern auch als Medizin, denn ihre Eigenschaften sind verantwortlich für die innere Balance Ihres Tieres.

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Theresa Rosenberg
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Ernährung, Massagen, Hausapotheke für Hund/Katze/Pferd
Königsfurt
Urania Verlag

Theresa Rosenberg
Heilpraktikerin mit Schwerpunkt Ayurveda, Ernährungsberaterin für Hunde und Katzen, Autorin
theresa@rosenbergs.eu

Fotos: © Ermolaev Alexandr I adobe.stock.com

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