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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2021

Wenn die Leber den Notstand ausruft

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Alarmsignale durch Antlitzdiagnose frühzeitig erkennen

Täglich kommen Menschen mit Leberfunktionsstörungen in unsere Praxen. Im Gegensatz zu Herz-Kreislauf-Krankheiten fallen die eher „unspektakulären“ Lebererkrankungen aber nicht immer sofort auf. Dabei leiden rund 65% aller Männer und Frauen an einer Fettstoffwechselstörung (RKI, 2013) und 40% der Weltbevölkerung an einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD). Die komplementärmedizinische Antlitzdiagnose ermöglicht es, Funktionsstörungen der Leber mit einem Blick zu erkennen. Im Gesicht zeigen sich die Dysfunktionen durch spezifische Alarmsignale – bei bestehenden Beschwerden, aber auch schon zu einem Zeitpunkt, bevor Symptome auftreten.

Schaltzentrale unseres Stoffwechsels

Die Leber steuert Entgiftung, Energiegewinnung und Hormonproduktion. Als größtes Entgiftungsorgan im Körper scheidet sie nicht allein toxische Stoffwechselprodukte aus wie z.B. Ammoniak aus dem Eiweißstoffwechsel oder Fuselalkohole als Folge von Gärung im Darm. Sie kümmert sich auch um von außen zugeführte Substanzen, die ausgeleitet werden müssen. Darüber hinaus hat die Leber weitere wichtige Aufgaben: Neben der Sekretion von Gallensäuren für den Fettmetabolismus verarbeitet und speichert sie mit der Nahrung zugeführte Stoffe, v.a. Glykogen, Eiweiß und Vitamine (B12, A). Außerdem bildet sie sowohl Hormonvorstufen wie Cholesterin und Plasmaproteine, Albumine, Globuline, Fibrinogen, Prothrombin und verschiedene Gerinnungsfaktoren.

Ursachen verminderter Leberfunktionen

Als größter Belastungsfaktor für die Leber galt lange der Konsum von Alkohol. Dieser wird ebenso wie Nikotin, Chemikalien, Konservierungsstoffe, Medikamente und Amalgam aus Zahnfüllungen über die Leber entgiftet und ausgeschieden. Auch Fuselalkohole im Darm als Folge einer Dysbiose durch nährstoffarme Ernährung und ungenügendes Kauen werden von der Leber entgiftet.

Besonders im Frühjahr ist die Leber phasenweise überbeansprucht, denn dann produziert der Körper vermehrt Hormone, v.a. Endorphine, Testosteron und Östrogen. Durch die Ankurbelung des Stoffwechsels entstehen vermehrt Abfallprodukte, die entsorgt werden müssen.

Außerdem wirkt sich Stress negativ auf die Leber aus. Psychische Belastungen, z.B. Ärger, Angst oder Trauer, führen via Amygdala (Mandelkern) über das Autonome Nervensystem und das Neuroendokrinum zu Leberfunktionsstörungen. Jede Form von Stress bringt einen erhöhten Bedarf an Cholesterin für die Synthese der Steroidhormone mit sich.

Massiv belastet Fruktose, das wichtigste Kohlenhydrat der meisten Obstsorten, die Leber. Ein Überkonsum kommt nicht durch den Verzehr von gesundheitsförderlichem frischem Obst zustande, sondern ist bedingt durch den häufigen Genuss von „High Fructose Corn Sirup“ (HFCS) gesüßter Fertigprodukte, z.B. Pizza und Mayonnaise, Süßigkeiten oder Getränken wie Obstsäften, Limonade und Cola. HFCS hat in den vergangenen Jahren den Haushaltszucker Saccharose als Süßungsmittel in der Lebensmittelindustrie immer stärker abgelöst. Der Grund dafür ist, dass Fruktose eine höhere Süßkraft besitzt und sich einfach und preiswert aus Maisstärke herstellen lässt.

Die Aufnahme von Fruktose wird in der Leber, anders als im Fall der Glukose, nicht reguliert, sodass es bei erhöhtem Verzehr zu einem Überschuss in der Leber kommen kann. Fruktose kann nicht gespeichert werden und wird in Fett umgewandelt. Durch die Neusynthese von Fettsäuren (De-novo-Lipogenese) steigt der Fettsäurespiegel in der Leber an, was zur Folge hat, dass der Fettsäureabbau gehemmt wird.

Insgesamt führt dies zu Leberverfettung, Anstieg der Blutlipidwerte, Bildung und Sekretion des VLDL1 (very low density lipoprotein 1).

Das Gesicht: Projektionsfeld für Organfunktionen

Im Gesicht fast jedes Menschen sind Hinweise auf eine geschwächte Leberfunktion zu sehen. Hier zeigt sich die Schwäche der Leberfunktion häufig differenziert und frühzeitig. Vor allem signalisieren Gelb- und Braunfärbungen, rechtsseitige Zeichen, Fetteinlagerungen, Schwellungen und Rötungen in bestimmten Bereichen eine Funktionsschwäche der Leber. Auf diverse Auffälligkeiten im Gesicht wird im Folgenden näher eingegangen:

Der allgemeine Eindruck

Empirisch signalisiert oft schon der erste Eindruck eine geschwächte Leberfunktion: Die Menschen wirken entkräftet, niedergedrückt, depressiv. Ihre Augen sind ohne Glanz, ihre Gesichtszüge unbeweglich. Entsprechend lautet eine Hypothese der TCM: „Der Schmerz der Leber ist die Müdigkeit“.

Haut und Hautfarbe

Ein weiteres Signal für eine Leberfunktionsstörung ist eine großporige Gesichtshaut. Die großen Poren sind meistens angeboren und zeigen die konstitutionelle Neigung zu Leberbeschwerden.

Kennzeichnend für viele Funktionsstörungen der Leber ist eine gelblich-bräunliche Hautfarbe. Schon ein geringfügig gelbliches Hautkolorit weist auf einen zumindest zeitweise erhöhten Bilirubinspiegel im Blut hin – selbst wenn sich die Laborwerte noch in der Norm befinden.

Auch gelbliche oder braune, manchmal sogar schwarze Pigmente, z.B. Sommersprossen, Muttermale und Altersflecken, sind Ausdruck einer gestörten Leberfunktion. Die gelb-braune Pigmentierung entsteht durch nicht ausgeschiedene Leberstoffwechselprodukte wie Lipofusine, die der Körper über die Haut umleitet. Über die Haut ausgeschieden, führt die photochemische Reaktion mit Licht und dem Sauerstoff der Luft zur gelben oder braunen Hautfärbung. Eine weitere Ursache derartiger Hautfärbungen können Hormonpräparate und andere Medikamente, z.B. Antibabypille oder Schmerzmittel, sein.

Ebenso weisen gelbliche oder bräunliche Augenwinkel, ein gelb-bräunlicher Hof um die Augen, ein gelbliches Oberlid sowie gelblich getönte Mundwinkel auf einen gestörten Fettstoffwechsel der Leber hin. Auch diese lokalen Färbungen entstehen durch die photochemische Reaktion toxischer Leberstoffwechselprodukte. Je dunkler die Färbung ist, desto stärker und chronischer ist die Autointoxikation. Jede dieser gelben und braunen Hautfärbungen offenbart schon früh und gut sichtbar einen reduzierten Fettstoffwechsel – auch wenn die Blutfette noch im Normbereich sind. Die Verfärbungen der Haut sind in vielen Fällen reversibel. Sie verblassen häufig durch eine Lebertherapie und zeigen so den Therapieerfolg an.

Rechtsseitige Lage der Leber

Zeichen wie Falten, Schwellungen oder Verfärbungen, die nur rechtsseitig zu sehen oder rechts erheblich stärker ausgeprägt sind – eine rechts hochgezogene Augenbraue, eine steile Falte
rechts über der Nasenwurzel, eine ausgeprägte rechtsseitige Nasolabialfalte – signalisieren eine verminderte Funktion der Leber. Die Leber befindet sich auf der rechten Körperseite und spiegelt besonders in der rechten Gesichtshälfte ihre Funktionsstörungen.

Die Augenpartie

Eine wichtige Projektionszone für Fettstoffwechselstörungen ist der Bereich der Augen. So leitet die Haut z.B. über ein schmieriges glänzendes Unterlid Fette aus, die von der Leber nicht verstoffwechselt werden können.

Ebenso zeigen Xanthelasmen eine Fettstoffwechselstörung an. Diese gelblichen Ablagerungen sind meistens über oder unter den Augenlidern oder im inneren Augenwinkel zu entdecken. Sie bestehen aus Cholesterin oder anderen Fettverbindungen. Die Ablagerungen befinden sich nicht nur in Augennähe, hier stellen sie allenfalls ein kosmetisches Problem dar. Vielmehr sind Xanthelasmen ein Anzeichen für Ablagerungen auf der Innenschicht der Gefäße, die letztlich zu Arteriosklerose führen. Allerdings ist zu beachten, dass Xanthelasmen auch Ausdruck eines Diabetes, einer Koronarsklerose oder Hypothyreose sein können.

Im Auge selbst signalisieren Lipidhügel auf der Sklera den gestörten Fettstoffwechsel der Leber. Diese Fettauflagerungen zeigen ebenso wie die Xanthelasmen außen, was auch im Inneren des Körpers zu finden ist: Fettablagerungen.

Ödematöse Schwellungen im inneren oberen Augenwinkel deuten auf eine Störung der Leberfunktion hin, v.a. wenn sie nur rechts zu erkennen sind.

Ein weiterer Hinweis auf eine Störung der Leberfunktion ist eine braune Verfärbung der Bindehaut. Sie entsteht durch Einlagerung von Bilirubin – oft im Zusammenhang mit einer Hepatitis.

Der Mund

Als Ausdruck eines reduzierten Fettstoffwechsels haben viele Menschen gelbliche Mundwinkel oder sogar einen gelben Hof um den Mund herum.

Ein deutliches, gut sichtbares Signal für eine Fettleber ist eine Schwellung unterhalb der Unterlippe. Vergleichbar einer Reflexzone, ist der Bereich unter der Lippe ebenso geschwollen und vergrößert wie die Leber.

Wiederholt ist die Kontur der Unterlippe gerötet. Diese rote Linie unterhalb der Unterlippe deutet auf eine Entzündung der Leber hin. Die Hyperämie der Leber durch die Entzündung spiegelt sich in der roten Lippenkontur im Gesicht wider.

Als Hinweis auf eine entzündliche Fettleber (Steatohepatitis) ist eine Schwellung unter der Unterlippe mit roter Kontur zu werten.

Die Nase

Eine rote Nase – im Volksmund als „Schnapsnase“ bezeichnet – ist ein weiterer Hinweis auf eine Störung der Leberfunktion. Natürlich bewirkt regelmäßiger Alkoholkonsum eine enorme Leberbelastung, aber das gleiche Ergebnis zeigen alle anderen Gärungsstoffe auch: Süßigkeiten, Zucker, Rohkost, unverdünnte Fruchtsäfte etc. Sowohl Spirituosen als auch Gärgifte aus der Nahrung bilden fuselartige Toxine und belasten so die Leber.

Therapeutische Konsequenzen

Wie bereits erwähnt, bilden sich v.a. durch Leberfunktionsstörungen bedingte Hautveränderungen durch konsequente Lebertherapie häufig wieder zurück. Welche Therapiekonzepte die Leber entlasten können, möchte ich im Folgenden aufgreifen:

Lebensführung

Die Basis jeder Lebertherapie ist ein gesunder Lebensstil. Er kann die Regenerationsfähigkeit der Leber wirkungsvoll unterstützen. In der Regel bedeutet dies für Betroffene, dass sie auf Alkohol und mit HFCS gesüßte Fertigprodukte verzichten sollten. Als Diät eignen sich laktovegetabile sowie mediterrane Vollwertkost. Empfehlenswert sind wenig Käse, Wurst und Schokolade, dafür viele pflanzliche Eiweiße mit hoher biologischer Wertigkeit. Ballaststoffreiche Kost bindet Toxine des bakteriellen Eiweißabbaus und beschleunigt die Darmpassage. Ratsam sind kleine Mahlzeiten, die bewusst und in Ruhe genossen werden. Regelmäßige körperliche Bewegung, z.B. 20-30 Minuten täglich zu Fuß gehen, fördert die Regulation der Leberfunktion zusätzlich.

Phytotherapie

Mariendistel (Cardui mariae fructus) ist die wichtigste „Leberpflanze“, v.a. bei toxischen Leberschädigungen. Ihr Wirkstoffkomplex Silymarin stimuliert die Regeneration der Leberzellen und stabilisiert die Lipidstrukturen der Leberzellmembran, so wird das Eindringen lebertoxischer Verbindungen verhindert. Silymarin verringert Meteorismus, wirkt protektiv und kurativ als Fänger von Radikalen, dient als Begleittherapie bei chronisch entzündlichen Lebererkrankungen sowie zur Aszitesentwässerung bei Leberzirrhose.

Meine Empfehlungen aus der Phytotherapie: 3 Monate lang Legalon 2×1 Kps., Legalon forte 3×1 Kps., Silymarin-Loges 3×1 Kaps., Hepatos 3×1 Tbl., Silimarit Kapseln 3×1 Kps. oder Hepar-Pasc 3×1 Tbl. (Dialyse-Patienten nur in dialysefreien Intervallen geben, da Mariendistel dialysierbar ist).

Homöopathie

Bestimmend für die Arzneimittelwahl sind die organotrope Wirkung auf die Leber und den Verdauungstrakt sowie die spezifischen Modalitäten der Begleitsymptome. Bewährte Mittel sind: Arsenicum album, Chelidonium, China, Lycopodium, Magnesium muraticum, Natrium sulfuricum, Nux vomica, Phosphorus und Sulfur. Als „Lebertiefentherapie“ hat sich Lycopodium LM18 (jeden 3. Tag 7 Globuli) bewährt.

Homöopathische Komplexmittel

Um die Entgiftung anzuregen, bei Hypercholesterinämie, erhöhten Transaminasen, Hyperbilirubinämie,
Leber- und Pankreasstau eignen sich Syn. 164 Taraxacum 3×20 Tr. und Gelum-Tropfen 3×2 ml. Bei chronischen Lebererkrankungen hat sich Syn. 120 Leptandra 3×1 Tbl. bewährt. Die Cholerese lässt sich wirksam mit Syn. 55 Chelidonium 4×1 Tbl. anregen. Als Leberzellschutztherapie dient Carduokatt 3×30 Tr.

Biochemie

Das Grundmittel zum Schutz des Leberparenchyms ist Nr. 6 Kalium sulfuricum D6 (abends 4 Tbl.), während die Kombination von Nr. 9 Natrium phosphoricum D6 im Wechsel gegeben mit Nr. 10 Natrium sulfuricum D6 (je 3×2 Tbl.) die Stoffwechselleistung der Leber anregt.

Anthroposophische Medizin

Zum Schutz der Leberzellen Hepatodoron 3×2 Tbl. Choleodoron 3x 10-20 Tr. regt die Bildung von Gallenflüssigkeit an.

Ohrakupunktur

Die Behandlung sollte über einen längeren Zeitraum einmal wöchentlich erfolgen. Wichtige französische Punkte sind der nervale Leberpunkt (Ärger), der Nullpunkt, BWK2, BWK5, BWK6 sowie die chinesischen Punkte Shen men (55) und Leber (97).

Fazit

Die Leber ruft sehr früh den Notstand aus. Noch bevor Laborwerte eine geschwächte Leberfunktion offenbaren, sind Warnsignale im Gesicht zu erkennen: gelbliche Hautfärbungen und eine Schwellung unter der Unterlippe. Die komplementäre Diagnose ermöglicht eine frühzeitige Behandlung von Fettstoffwechselstörungen, die gezielte Prävention von Folgeerkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Metabolisches Syndrom) sowie kausale Therapieansätze bei Erschöpfung oder Depression.

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Renate Droste
Heilpraktikerin mit Schwerpunkten Akupunktur, Homöopathie und Psychotherapie, Referentin und Autorin
renatedroste@gmx.de

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