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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2023

Aufregung beim Pferd

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Wie Naturheilkunde und präventive Maßnahmen zur Beruhigung beitragen können

Pferde sind sensibel und neigen bei Stress zur Flucht. Umso wichtiger ist es, in unangenehmen Situationen die Ruhe zu bewahren, um Gefahren für das Tier und umstehende Menschen zu vermeiden. Bereits alltägliche Gegebenheiten, wie z.B. das Verladen, die Fahrt in einem Anhänger oder der Besuch eines Tierarztes, können sonst schnell gefährlich werden. Als auf die Arbeit mit Pferden spezialisierte Tierheilpraktikerin weiß ich, dass natürliche Mittel in diesen Momenten zur Entspannung des Tieres beitragen können. In diesem Artikel wird neben entsprechenden Tipps auch aufgezeigt, dass bereits ein Training gute Möglichkeiten bietet, um das Tier an stressige Situationen zu gewöhnen.

Futterzusätze im Gesamtkontext betrachten

Um zur Entspannung des Pferdes beizutragen, genügt es meist, dem Futter Vitamine und Kräuter(-Essenzen) beizumischen. Ätherische Öle können den Effekt erhöhen. B-Vitamine z.B. beruhigen die Nerven, während Magnesium die Muskulatur und damit den Gesamtorganismus entspannt. Ich empfehle häufig Pflanzenauszüge, z.B. Baldrian, Hopfen, Lavendel, Melisse und Kamille, auf die ich später eingehe. Zu beachten ist, dass all diese Heilpflanzen dopingrelevant sind.

Um sich die Wirkung von Vitaminen und Kräutern zunutze zu machen, sollten diese teilweise schon 14 Tage vor der anstehenden Situation gefüttert werden. Aber auch die besten Kräuterauszüge können eine ganzheitliche Betrachtung nicht einfach ersetzen. Die Gabe verschiedener Produkte sollte immer im
Gesamtkontext der Situation gesehen werden, da viele Faktoren Einfluss auf den Grad von Nervosität, Unsicherheit und Angst beim Pferd nehmen:

  • Hat das Pferd grundsätzlich einen hohen Muskeltonus?
  • Wie anfällig ist sein Magen?
  • Wie ausgelastet ist das Pferd bezüglich seines individuellen Energieniveaus?

Lernverhalten und Emotionen des einzelnen Tieres müssen immer mitberücksichtigt und in ein begleitendes Training integriert werden. Wichtig ist zudem, den Grund oder die Zusammenhänge der Problematik zu betrachten; so können die unterstützenden Maßnahmen optimal aufeinander abgestimmt werden.

Baldrian

Beim Pferd findet Baldrian v.a. bei nervös bedingten Verhaltensauffälligkeiten und im Rahmen von „Prüfungssituationen“ (z.B. Verladung, Tierarztbesuche, Turniere) Verwendung. Baldrianwurzel kann als Sud oder Kraut im Futter verabreicht werden. Ihre Inhaltsstoffe wirken zentral dämpfend, sedativ, anxiolytisch, spasmolytisch und muskelrelaxierend. Allerdings benötigt Baldrian etwas Vorlaufzeit, um seine volle Wirkung zu entfalten. Ich empfehle etwa 14 Tage.

Gewöhnen Sie das Pferd schrittweise an das Aroma, da es leider nicht sehr angenehm riecht. Hierzu wird zunächst eine sehr geringe Menge Baldrian ins Futter gegeben, die Dosis nach und nach gesteigert. Achten Sie auf die individuelle Reaktion des Pferdes und tasten Sie sich heran. Welche Dosis richtig für das Tier ist, hängt in einem gewissen Rahmen auch von der Konstitution und der Erregbarkeit des Pferdes ab. Baldrian kann wunderbar mit anderen Nervenkräutern, z.B. Pfefferminze und Kamille, kombiniert werden, wodurch parallel das Geruchs- und Geschmackserlebnis verbessert wird. Es gilt zu beachten, dass Baldrian dopingrelevant ist.

Hopfen

Bei ängstlichen und nervösen Pferden verbessert Hopfen die natürliche Stressregulation. Vor allem bei Unruhe und Reizbarkeit mit Erschöpfung ist er ein gutes Mittel. Häufig erschweren anhaltende Stresszustände die Situation und wirken sich beim Pferd auf den Magen aus. Hier können die Bitterstoffe des Hopfens Abhilfe schaffen. Wir gehen im Zusammenhang mit seiner Verwendung von einem nervöseren Grundzustand des Pferdes aus und auch nicht unmittelbar von Akutsituationen, selbst wenn der Erregungszustand dann natürlich deutlicher sichtbar ist.

Hopfenzapfen sind reich an Flavonoiden, Gerbstoffen, ätherischen Ölen und Bitterstoffen (Humulon, Lupulon). Bei längerer Lagerung entsteht ein Stoff, der bereits bei niedriger Temperatur stark flüchtig ist und die beruhigende Wirkung von Hopfenkissen erklärt. Auch beim Pferd können diese angewendet werden, vorzugsweise im Bereich des unteren Rückens wegen der faszialen Magenaufhängung im Lendenbereich, jedoch sollte man sie monatlich mit neuen Kräutern füllen. Aufgrund seines bitteren Geschmacks bietet sich bei der Fütterung von Hopfen an, das Pferd zunächst mit kleinen Mengen daran zu gewöhnen. Die Dosierungsempfehlung variiert von Pferd zu Pferd. Die mögliche Höchstmenge ist nicht immer notwendig oder zielführend. Beachten Sie bitte auch die Dopingrelevanz von Hopfen.

Kamillenblüten

Für Pferde, die in einer Stresssituation sofort mit Durchfall reagieren, bietet die Kamille eine wunderbare Unterstützung durch das Zusammenspiel ihrer Inhaltsstoffe. Innerlich angewandt lindern Kamillenblüten Krämpfe der Verdauungsorgane. Das a-Bisabolol des ätherischen Öls schützt die Magenschleimhaut und hemmt die Sekretion des Verdauungsenzyms Pepsin. Zahlreiche Flavonoide, Schleimstoffe und ätherische Öle wirken entzündungshemmend. Sogar Magengeschwüre können abheilen. Auch die glatte Muskulatur profitiert von der krampflösenden Wirkung der Kamille. Kamillenblüten können als Tee oder im Ganzen gefüttert werden, gleichsam sind auch sie dopingrelevant.

Melisse

Die Melisse ist ein sanftes Nervenkraut, das den Magen-Darm-Trakt beruhigt. Im Vordergrund stehen hier die entspannenden und krampfstillenden ätherischen Öle. Sie schirmen von allzu starken Außenreizen ab, lösen Krämpfe und beruhigen das nervöse Herz. Die Melisse lässt sich hervorragend mit Hopfen, Baldrian und Kamille kombinieren. Pferde, die viel von ihrer Umgebung wahrnehmen und dadurch einer inneren Reizüberflutung und Überforderung ausgesetzt sind, können von Melisse profitieren. Nicht zuletzt sei die Dopingrelevanz der Melisse erwähnt.

Lavendel

Lavendelblüten beruhigen und entspannen das zentrale Nervensystem durch ihren hohen Gehalt an ätherischen Ölen. Gleichzeitig wirken sie kreislaufstärkend und konzentrationsfördernd, was bei nervöser Unruhe unerlässlich ist. Ihr Duft macht nicht in der Nase halt, er wird direkt ins Gehirn geleitet (Limbisches System) und wirkt dort.

Lavendel sollte dem Pferd schon im Vorfeld einer angespannten Situation zum Riechen angeboten werden, wenn es z.B. entspannt in der Box steht oder am Putzplatz ist. Die Verknüpfung der entspannten Situation in der Box mit Lavendelöl bewirkt parallel über Konditionierung eine Beruhigung des Tieres. Dies wirkt sich zudem positiv auf Herzschlag und Cortisolspiegel aus.

Lavendel kann ebenfalls gefüttert werden. Im Vergleich zu Baldrian ist er in seiner Wirkung zwar nicht so stark, hat jedoch keine so lange Vorlaufzeit. Auch Lavendel ist dopingrelevant.

Tipp

Man kann sich selbst einen Diffusor bauen. Dafür Löcher in den Deckel eines Schraubglases stechen oder stattdessen ein Stoffsäckchen mit Watte füllen, die mit dem Öl beträufelt wurde. Diese können außer Reichweite des Pferdes im Hänger oder in der Box befestigt werden und so ihre beruhigende Wirkung entfalten.

Präventive Maßnahmen

Um gefährliche Situationen zu vermeiden, sollte das Pferd in kleinen Schritten bestmöglich auf schwierige Umstände vorbereitet werden. Hierzu gehört ein gezieltes Training, damit das Pferd in verschiedenen Situationen Sicherheit erfährt und Vertrauen zu seinem Besitzer aufbaut. Denn in Akutsituationen oder plötzlich auftretenden Ereignissen hat man selten ein passendes Mittel zur Hand. Umso wichtiger ist es, solche Ereignisse bereits im Voraus gemeinsam mit dem Pferd durchgearbeitet zu haben, um sowohl selbst ruhig und sicher zu bleiben als auch diese Qualitäten auszustrahlen.

Die Persönlichkeit des Pferdes

Um mit stressigen Situationen umgehen zu können, ist es hilfreich, den Charakter seines Pferdes zu kennen, denn dieser unterscheidet sich von Tier zu Tier stark: Ist das Pferd grundsätzlich nervös, oder gibt es nur bestimmte Situationen, in denen es angespannt reagiert? Insbesondere nervöse Pferde neigen in Stresssituationen zur Flucht und setzen dabei ihren ganzen Körper ein, wodurch Risiken und Gefahren für in der Nähe befindliche Menschen entstehen. Daher benötigen nervöse Pferde eine umfassendere Unterstützung. Das bedeutet v.a. auch viel Sicherheit und Souveränität des Pferdebesitzers. Idealerweise wird in diesen Fällen ein Trainer hinzugezogen, der gemeinsam mit dem Besitzer gezielt auf unangenehme Situationen hinarbeitet. Dazu zählen Gegebenheiten wie das Verladen, die Zeit beim Hufschmied sowie Turniere. Über das Training schafft man Planbarkeit und bessere Voraussetzungen für eine optimale Unterstützung des Pferdes in der jeweiligen Situation, damit Nervosität und Anspannung der Vergangenheit angehören können.

Das Verladen

Hier sind zwei wesentliche Stressursachen zu unterscheiden: Einerseits die Angst des Pferdes vor dem Hänger. In diesem Fall können Kräuter zur Entspannung gemeinsam mit einem angepassten Training helfen. Andererseits kann es sein, dass das Verladen zuvor nicht optimal trainiert wurde. Kommt eine beeinträchtigte Kommunikation zwischen Tier und Besitzer hinzu, verschlimmert sich die Lage.

Auf das Verladen sollte mit einem sinnvollen Training gezielt hingearbeitet werden. Wer diese Chance verpasst, hat in akuten Situationen oft zu kämpfen: Muss das Pferd einmal schnell in den Hänger, ohne darauf vorbereitet worden zu sein, weigert es sich oft, bekommt Angst und leidet unter Stress. In schlimmen Fällen ist eine Sedierung durch den Veterinärmediziner erforderlich, damit das Tier verladen werden kann. Um akute Situationen stress- und unfallfrei zu halten, sind entsprechendes Training und vorab gefütterte Kräuterauszüge essenziell. Dem Tier muss viel Sicherheit vermittelt werden, damit es Vertrauen aufbauen kann.

Neben dem Verladen kann das Fahren selbst ein großer Stressauslöser für Pferde sein. Auch hier empfehle ich einen Vorbereitungszeitraum von mindestens 14 Tagen, während dem mit verschiedenen Kräuterauszügen und ätherischen Ölen gearbeitet wird, die im Hänger platziert werden.

Der Hufschmied

Es steht außer Frage, dass der Hufschmied Unannehmlichkeiten für das Tier auf ein Minimum reduzieren sollte. Verhält sich das Pferd jedoch ängstlich oder wehrhaft, sollte betrachtet werden, warum es in dieser Situation nicht ruhig stehen will. Neben Stress kommt erschwerend hinzu, dass die Pferde das lange Stehen in den für sie oftmals unbequemen Positionen nicht kennen oder dabei aufgrund von Beeinträchtigungen im Bewegungsapparat Schmerzen verspüren. Diesen Pferden kann durch sanfte Massagen, die die Muskulatur lockern, Erleichterung verschafft werden. Darüber hinaus bieten sich leichte Dehnübungen in Positionen an, die auch zur Hufbearbeitung eingenommen werden sollen – dadurch kann einer Muskelverhärtung vorgebeugt werden. So wird das für den Hufschmied nötige Bewegungsmaß in einem Rahmen vorbereitet, der auch für das Pferd problemlos möglich ist. Zusätzlich zur Entspannung lässt sich mit ätherischen Ölen arbeiten, die im Vorfeld in angenehmen Situationen angewendet werden. Kamille und Magnesium können Abhilfe schaffen, da sie Entspannung unterstützen.

Das Turnier

Turniere können viele neue und stressige Erfahrungen für das Pferd mit sich bringen. Hier muss der Stress nicht aus Angst resultieren, sondern kann sich auch aus Unsicherheit und Überforderung ergeben. Doch Vorsicht: Einige der üblicherweise zu verabreichenden Kräuter werden als Doping gewertet und sollten rechtzeitig abgesetzt werden. Umso mehr gilt es, Turniere sorgsam vorzubereiten und kritische Situationen mit dem Pferd zu üben. Vorab sollte z.B. auf dem Turniergelände geritten werden, sodass sich das Pferd an die neue Umgebung gewöhnen kann, ohne am Turnier selbst teilzunehmen. Außerdem können Turniersituationen simuliert werden, indem man sich mit mehreren Pferden und ihren Besitzern zusammenfindet und gemeinsam trainiert. Möglich ist auch hier die Arbeit mit ätherischen Ölen: Diese können z.B. auf die Hände gegeben und dem Pferd zum Riechen angeboten werden. B-Vitamine und Magnesium können eine nicht dopingrelevante Möglichkeit zur Entspannung bieten.

Fazit

Wichtig für die Wahl der passenden Kräuter ist, das Pferd und sein Problem genau zu kennen. Die notwendigen Handlungsschritte unterscheiden sich abhängig davon, ob das Pferd vom Grundtypus eher nervös und aufgeregt ist oder ob es nur in Einzelsituationen Stress und Angst verspürt. Oftmals fühlen sich Besitzer überfordert und unsicher, ob sie die Situation richtig einschätzen. Deshalb empfiehlt es sich, immer einen Therapeuten zu Rate zu ziehen, der die Situation umfassend beurteilen kann. Denn ein Mittel kann nur gut wirken, wenn die richtige Wahl getroffen wurde! Auch die ergänzende Konsultation eines Trainers ist in solchen Fällen häufig notwendig. Erfahrung und Sicherheit durch ein gezieltes Training bieten nicht nur dem Pferd eine wunderbare Unterstützung, sondern helfen auch Besitzern langfristig, Gefahrensituationen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Julia Greb
Tierphysiotherapeutin und -osteopathin,
Tierheilpraktikerin mit TCVM-Ausbildung,
Coachin, Inhaberin „Pferdereha Greb“

greb.coaching@gmail.com

 

Fotos: © Alexey Wraith / adobe.stock.com, © Gesche Schmidt

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