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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2023

Verzerrte Realität

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Narzisstischen Missbrauch erkennen und daran wachsen

Viele zwischenmenschliche Schwierigkeiten, für die es keine rationale Erklärung zu geben scheint und die mit schwerem Leid bis hin zu Traumatisierungen einhergehen können, kommen dadurch zustande, dass ein Familienmitglied oder sogar mehrere, der (Ehe-) Partner oder Freunde an einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) leiden.

Hierbei handelt es sich um eine schwerwiegende psychische Störung, die häufig nicht als solche erkannt wird. Davon zu unterscheiden ist der „gesunde“ Narzissmus, der hier ausdrücklich nicht gemeint ist. Gesunder Narzissmus ist gekennzeichnet durch Selbstliebe und Selbstwertgefühl, die auf einer realistischen Selbsteinschätzung der Person mit all ihren Stärken und Schwächen beruhen. Auch Ehrgeiz und Durchsetzungsfähigkeit können Ausdruck von gesundem Narzissmus sein.

Dieser Beitrag soll für das Thema der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung und den damit einhergehenden Missbrauch sensibilisieren, und helfen, diese spezifische Form des emotionalen Missbrauchs zu erkennen, um dadurch das Leid der Angehörigen von Personen mit NPS zu verstehen. Für eine vertiefende Beschäftigung mit der Thematik verweise ich auf die Literatur.

Der Begriff „Persönlichkeitsstörung“

Für das Verständnis der NPS ist es hilfreich, sich zunächst klarzumachen, was eine Persönlichkeitsstörung ist. Laut ICD-10 ist sie gekennzeichnet durch „tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen“. Personen mit Persönlichkeitsstörungen zeigen dabei „gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen“.

Für unser Thema ist dabei wichtig, dass es sich bei einer Persönlichkeitsstörung nicht um ein vorübergehendes oder episodenhaftes Erscheinungsbild handelt, sondern um ein dauerhaftes, rigides, von der Norm abweichendes Verhaltensmuster, das in der Regel in der Kindheit beginnt. Ein weiterer Aspekt ist, dass bei den von der Persönlichkeitsstörung betroffenen Personen meist keine Krankheitseinsicht besteht. In Kombination mit der Rigidität der Verhaltensmuster lässt dies Rückschlüsse auf die Therapierbarkeit der Störung zu.

Das Wissen um das Wesen der Persönlichkeitsstörung ist aus meiner Sicht deshalb so wichtig, weil Angehörige häufig mit der Vorstellung zu uns kommen, dass ihre Problematik sich durch eine Therapie des „schwierigen“ Partners oder Familienmitglieds lösen ließe.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Zur Prävalenz der NPS gibt es zum Teil stark voneinander abweichende Angaben. Pschyrembel geht von einer Prävalenz von 1% der Allgemeinbevölkerung aus (Männer etwas häufiger als Frauen betroffen). Dieser Wert dürfte jedoch signifikant zu niedrig angesetzt sein. Da Menschen mit NPS keine Krankheitseinsicht haben – was Teil ihrer Störung ist – ist davon auszugehen, dass eine NPS eher zufällig im Rahmen anderer Erkrankungen und deren Behandlung festgestellt wird (häufige Komorbiditäten sind Abhängigkeitserkrankungen sowie Depressionen bis hin zum Suizid). Somit ist von einer starken Untererfassung dieser Störung auszugehen.

Damit ein Arzt, Psychotherapeut oder Heilpraktiker eine NPS diagnostizieren kann, müssen laut ICD-10 fünf der folgenden neun Merkmale gegeben sein: Größengefühl, Fantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Schönheit oder ideale Liebe, Gefühl der Einmaligkeit, Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung, unbegründete Anspruchshaltung, Ausnutzen zwischenmenschlicher Beziehungen, Mangel an Empathie, Neidgefühle oder Überzeugung, beneidet zu werden, arrogantes, hochmütiges Verhalten.

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass es für die von narzisstischem Missbrauch betroffenen Personen völlig unerheblich ist, ob die Diagnose tatsächlich gestellt wurde oder nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass sich von NPS Betroffene wegen dieser Problematik bei einem Therapeuten vorstellen. Ärztliche und psychotherapeutische Praxen werden v.a. von deren Angehörigen aufgesucht. Wenn ich im Folgenden von „Narzisst“ spreche (nicht-fachlicher Begriff alternativ zu „Person/ Mensch mit NPS“), meine ich hiermit Männer und Frauen mit NPS.

Merkmale der NPS

Ich kann im Rahmen dieses Beitrags nur ein Grundverständnis der NPS und des damit einhergehenden Missbrauchs vermitteln. Besonderheiten können sich je nach Kontext, in dem der Missbrauch stattfindet, ergeben. Es soll v.a. darum gehen, darzulegen, warum ein Mensch mit NPS sich quasi zwangsläufig missbräuchlich gegenüber seinen Mitmenschen verhält.

Das Ausleben einer NPS und der narzisstische Missbrauch sind zwei Seiten derselben Medaille. Das Selbst eines Menschen mit NPS entspringt zu großen Teilen seiner eigenen Fantasie. Warum ist das so? Als Außenstehender kann man darüber nur Vermutungen anstellen.

Aussagen von Personen mit dieser Störung, die sich selbst reflektieren (was selten ist), sprechen sinngemäß von einer unaussprechlichen inneren Leere, einem Abgrund, in den sie blicken würden, wenn sie die eigentliche Wahrheit über ihr Selbst zulassen würden (vgl. die Bücher von H.G. Tudor).

Das zur Schau gestellte Selbstbewusstsein ist also in der Regel nicht echt, sondern dient dazu, diese innere Leere vor sich selbst und anderen zu verbergen. Dazu nutzen Narzissten ihre Fantasie. Für eine Person mit NPS ist es essenziell, ja sogar existenziell, dieses selbst konstruierte, falsche Selbst um jeden Preis aufrechtzuerhalten, um nicht in die innere Leere bzw. den Abgrund zu blicken. Das geht so weit, dass die Person ihre eigene Fantasie für real hält.

Überlebensstrategien von Narzissten

Zur Stabilisierung und Bestätigung ihres konstruierten grandiosen Selbst wenden Menschen mit NPS aufwertende Maßnahmen an, indem sie andere abwerten und demütigen. Wer mit einer Person mit NPS zusammenlebt oder in einem anderen Kontext mit ihr zu tun hat (z.B. Arbeitsplatz, Ehrenamt, Vereinsleben), ist unweigerlich diesem herabsetzenden, teilweise verächtlichen Verhalten ausgesetzt.

Das Selbst des Narzissten wird darüber hinaus durch Ausübung von Macht gestärkt. Wer im Dunstkreis einer Person mit NPS lebt, wird von dieser häufig zum Objekt degradiert. All diese Maßnahmen, die der Mensch mit NPS anwendet und die der Aufrechterhaltung seines fantasierten Selbst dienen, werden in der einschlägigen Literatur als „narzisstische Zufuhr“ bezeichnet. Sie ist vergleichbar mit dem Treibstoff, ohne den ein Auto nicht fährt.

Kritik wird nicht geduldet

Das Leben mit einem weitgehend der Fantasie entspringenden Selbst erklärt auch, warum Menschen mit dieser Störung äußert wütend und aggressiv reagieren können, wenn sie mit der Realität oder gar mit Kritik konfrontiert werden (die berühmte „narzisstische Kränkung“). Die Wut eines Narzissten hat etwas Vernichtendes, weil er durch die Kritik sein falsches Selbst bedroht sieht. Kritiker, die dabei sind, ihm die Maske herunterzuziehen, werden als Bedrohung des eigenen Selbst wahrgenommen und müssen deshalb, aus Sicht des Narzissten, bekämpft und zumindest mundtot gemacht werden. Eine sachliche Kommunikation ist in diesem Fall schlichtweg nicht möglich. Das bedeutet leidvolle Erfahrungen für diejenigen, die in verbale Auseinandersetzungen mit Narzissten geraten. Für Angehörige eines Narzissten kann ein solcher Wutausbruch ein schockierendes und traumatisches Erlebnis sein. Vor allem Kinder eines narzisstischen Elternteils werden davon zutiefst verunsichert und verängstigt.

Verzerrung der Realität

Das konstruierte Selbst eines Menschen mit NPS, das um jeden Preis aufrechterhalten werden muss, bedingt eine verzerrte Wahrnehmung der eigenen Person, was wiederum zu einem realitätsfernen Denken und zu einer schiefen Wahrnehmung anderer führt. Für einen Menschen mit NPS können Wahrheit und Lüge leicht verschwimmen. Lügen kommen insofern bei Narzissten nicht selten vor, was sich in zwischenmenschlichen Beziehungen, ganz besonders in Eltern-Kind- und in Liebesbeziehungen, äußerst zerstörerisch auswirkt. Für die Angehörigen kann es eine traumatisierende Erfahrung sein, wenn ihnen bewusst wird, dass ihre Beziehung zumindest in Teilen auf Lüge, Manipulation und Täuschung basiert.

Empathiemangel

Ein weiteres wichtiges Merkmal der NPS, die den Missbrauch erklärt und ermöglicht, ist der Mangel an Empathie. Dies bedeutet meines Erachtens letztlich Beziehungsunfähigkeit, weil ohne Empathie kein Einfühlen in andere Menschen möglich ist. Damit fehlt das, was eine echte, tiefe menschliche Beziehung ausmacht. Gleichzeitig befähigt gerade der Empathiemangel Menschen mit NPS dazu, ihren Missbrauch ohne Schuld-, Reue- oder Schamgefühle zu vollziehen. Für einen empathischen Menschen ist es meist nicht vorstellbar, dass sein Gegenüber weder Mitgefühl noch Reue oder Scham empfindet. Das Verhalten des Narzissten löst deshalb in ihm ständige Verwirrung und Verunsicherung aus.

In ihrem grandiosen Selbst haben Menschen mit NPS eine überzogene Anspruchshaltung entwickelt. Sie fordern von ihren Mitmenschen Dinge, die sie selbst nicht zu geben bereit sind. Auch sind sie oft der Meinung, dass Regeln, die für alle gelten, von ihnen nicht beachtet werden müssen. Auch hierbei hilft ihnen die mangelnde Empathie. Angehörige von Menschen mit NPS fühlen sich häufig emotional ausgenutzt. Viele berichten auch von finanzieller Ausbeutung durch den Narzissten.

Folgen des Missbrauchs

Durch die ständige Konfrontation mit Lügen und Manipulationen sowie durch die widersprüchliche, teilweise äußerst wirklichkeitsfremde Kommunikation des Narzissten geht bei den Angehörigen häufig die eigene geistige Klarheit verloren. Das missbräuchliche Verhalten der Person mit NPS erzeugt beim Opfer emotionalen Dauerstress, der früher oder später zu einer Schwächung der körperlichen und psychischen Gesundheit führt. Durch die ständigen sinnlosen Konflikte geht den Betroffenen viel Energie verloren. Magenprobleme, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen u.a. kommen häufig vor.

Durch das herablassende und demütigende Verhalten der Person mit NPS verlieren die Opfer ihr Selbstwertgefühl. Sie fühlen sich als Spielball, den der Narzisst ganz nach seiner Laune benutzt und wieder beiseitelegt.

Das Dominanz- und Machtstreben führt oft dazu, dass das Opfer seine Identität aufgibt und eigene Wünsche und Bedürfnisse unterdrückt. Häufig haben die Opfer Schuldgefühle, weil sie die Ursache für die Schwierigkeiten in der Beziehung mit dem Narzissten bei sich suchen. Dies nagt weiter an ihrem Selbstwertgefühl.

Längerfristige körperliche und seelische Folgen von narzisstischem Missbrauch können schwere körperliche Erkrankungen, psychotische Zustände sowie alle Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung sein.

Wer ist typischerweise von Missbrauch betroffen?

Allgemein ist anzumerken, dass die Angriffsfläche, die die Betroffenen einem Menschen mit NPS für seinen Missbrauch bieten, ihre innere Identität ist. Diese wurde schon lange vor dem narzisstischen Missbrauch verletzt und geschwächt.

Meine Erfahrungen mit Klienten zeigen, dass Personen mit ängstlich-abhängiger und/oder co-abhängiger Persönlichkeitsstruktur bevorzugt Opfer von narzisstischem Missbrauch werden. Sie haben es häufig versäumt bzw. waren aufgrund der Konstellationen in ihrer Herkunftsfamilie nicht in der Lage, ihre eigene Identität zu entwickeln. Sie definieren sich hauptsächlich über das, was sie für andere bedeuten, wie sie anderen dienen können. Sie vernachlässigen sich selbst und ihre Bedürfnisse, weil sie Angst haben, nicht mehr geliebt zu werden, wenn sie für sich selbst eintreten und eine eigene Meinung haben.

Prägungen der Herkunftsfamilie

Ursache hierfür sind häufig emotionaler Miss brauch und Vernachlässigung im Kindesalter bzw. viel tiefergehender die Tatsache, dass der betroffene Mensch von seinen Eltern offen oder verdeckt abgelehnt wurde und nun meint, sich seine Existenzberechtigung durch ständiges Helfen und Nützlichsein verdienen zu müssen.

In den Herkunftsfamilien der Opfer von narzisstischem Missbrauch gibt es meist ausgesprochene oder unausgesprochene Regeln, wonach das äußere Erscheinungsbild der Familie wichtig ist, Probleme nicht benannt, Gefühle nicht gezeigt werden dürfen. In diesen dysfunktionalen Familien werden Gefühlsäußerungen und Widerstände des Kindes häufig mit Kontaktabbruch und Liebesentzug beantwortet, sodass das Kind lernt, sich anzupassen, Gefühle zu unterdrücken, eigene Bedürfnisse und die eigene Identität zurückzustellen. All das, weil das Kind die Reaktionen der Eltern als existenzbedrohend empfindet. Es fügt sich und verzichtet unbewusst und unfreiwillig auf die Ausbildung einer eigenen Identität.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass Menschen mit dieser familiären Prägung ein schwaches Selbstwertgefühl haben, dass sie sich ständig hinterfragen und alles tun, um andere zufriedenzustellen. Sie treten nicht für ihre Bedürfnisse und Rechte ein, lassen andere, vermeintlich stärkere Personen für sie entscheiden und handeln. Ein solcher Mensch ist das „ideale Opfer“ für einen Narzissten und für diesen leicht zu erkennen.

Genesen und wachsen

Die möglichen Gegenmaßnahmen bei akutem narzisstischem Missbrauch können in diesem Beitrag nur angedeutet werden. Sie müssen auf die jeweilige Situation derjenigen abgestimmt werden, die von narzisstischem Missbrauch betroffen sind.

Oft ist eine Trennung vom narzisstischen Partner unumgänglich. Hierbei sind einige Dinge zu beachten, z.B. die Tatsache, dass es für einen Menschen mit NPS normalerweise eine Kränkung ist, wenn er verlassen wird, und deshalb mit Wut und Vergeltungsmaßnahmen zu rechnen ist. In anderem Kontext, wenn man dem Narzissten nicht oder nur bedingt aus dem Weg gehen kann (z.B. am Arbeitsplatz, aufgrund von Verwandtschaft oder wenn es gemeinsame Kinder gibt), kann es hilfreich sein, die Kommunikation mit ihnen auf einer rein sachlichen Ebene zu führen und keine Emotionen preiszugeben, weil diese eine Angriffsfläche für den Narzissten bieten.

Richtungswechsel durch Lösen der Abhängigkeit

Wie kann man nach narzisstischem Missbrauch genesen und wachsen? Wenn wir davon ausgehen, dass die meisten Opfer von narzisstischem Missbrauch eine Identitäts- und/oder Abhängigkeitsproblematik haben, kann und sollte das Erlebnis des Missbrauchs Anregung sein, diese Problematik zu bearbeiten, zu lösen und die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln, damit ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben möglich wird, in dem missbräuchlich agierende Menschen schlichtweg keinen Platz mehr haben. Vielfach besteht leider die Gefahr, dass Menschen nach dem Missbrauchserlebnis in einer Partnerschaft so schwach und emotional bedürftig sind, dass sie sehr schnell eine neue Beziehung eingehen, ohne das Geschehene zu verarbeiten. Das Risiko einer Wiederholung desselben Dramas mit anderen „Schauspielern“ ist groß.

Therapeutische Ansätze

Ein wichtiger Ansatzpunkt für die therapeutische Begleitung ist die Lösung aus der Abhängigkeit und/oder Co-Abhängigkeit.

Aus meiner Sicht ist dazu eine Bewusstwerdung und nüchterne Betrachtung des eigenen Dramas, des Wiederholungszwangs in den bisherigen Beziehungen und der Herkunftsfamilie, erforderlich. Für viele von Missbrauch Betroffene geht es darum, den Bezug zu den eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Gefühlen wiederzufinden. Hierbei können wir unsere Patienten auf vielfältige Weise unterstützen, z.B. durch Klientenzentrierte Gesprächsführung, Körperorientiere Psychotherapie, Entspannung, Biografiearbeit etc.

Je nach Ausmaß und Dauer des Missbrauchs kann eine Traumatherapie ratsam sein, damit die seelischen Wunden und die damit verbundenen schmerzhaften Gefühle heilen können.

Von der Vision zum selbstbewussten Menschen

Für den Neuanfang nach einem narzisstischen Missbrauch benötigen Betroffene schließlich Visionen, wie ihr Leben künftig aussehen soll. Selbstbestimmung muss schrittweise eingeübt werden. Auch hierbei können wir unsere Klienten individuell unterstützen, indem wir z.B. ihre Ängste auffangen.

Bei vielen Betroffenen kommt es auf dem Weg der Genesung allmählich auch zu einer „Bereinigung“ des gesamten familiären, sozialen und mitunter auch des beruflichen Umfelds. Toxische Beziehungen werden leichter erkannt und gelöst. Aufgrund der durchgemachten Veränderungen ziehen die Betroffenen nun Menschen an, die besser zu ihnen passen. Anders ausgedrückt: Mit zunehmender Genesung werden ehemalige Missbrauchsopfer für Narzissten schlichtweg uninteressant.

Am Ende des Weges ist aus dem ehemaligen Opfer ein selbstbewusster Mensch mit starker Identität geworden.

Schlussbemerkungen

Für die Praxis empfehle ich, bei Patienten mit diffusen Beziehungsproblemen, Selbstwertproblematik, wiederkehrenden psychosomatischen Störungen o.Ä. genauer hinzuschauen und das private und berufliche Umfeld der Betroffenen daraufhin abzuklopfen, ob ggf. narzisstischer Missbrauch vorliegt. Falls ja, ist es hilfreich, die Patienten über die NPS aufzuklären und Lösungswege zu skizzieren. In einem ersten Schritt ist es für die Betroffenen oft schon eine ungeheure Erleichterung, wenn sie von einem sensiblen Therapeuten verstanden werden und begreifen, warum sie mit bestimmten Menschen aus ihrem Umfeld massive Probleme haben, und dass die Ursache für diese Probleme nicht bei ihnen, sondern bei der Person mit NPS liegen.

Wenn Opfer von narzisstischem Missbrauch in unsere Praxis kommen, gilt: Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie können ebenso wie Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten eine Diagnose stellen und die Patienten psychotherapeutisch behandeln. Psychologische Berater und Coaches können ihren Klienten mit ihrem Hintergrundwissen beistehen. Wenn sie eine Traumatisierung oder sonstige Störung vermuten, die durch den Missbrauch verursacht sein könnte, sollten sie ihre Klienten an einen Fachtherapeuten weitervermitteln.

Literatur

  • Dilling, H., Mombour W., Schmidt H.M. (Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Hans Huber Verlag, 2014
  • Hirigoyen, M.-F.: Die Masken der Niedertracht. Seelische Gewalt im Alltag, und wie man sich dagegen wehren kann. Dtv Verlag, 2013
  • Merzeder, C.: Wie schleichendes Gift. Narzisstischen Missbrauch in Beziehungen überleben und heilen. Scorpio Verlag, 2015
  • Röhr, H.-P.: Wege aus der Abhängigkeit. Destruktive Beziehungen überwinden. Dtv Verlag, 2014
  • Stout, M.: Der Soziopath von nebenan. Die Skrupellosen: ihre Lügen, Taktiken und Tricks. Springer Verlag, 2006
  • Tudor, H.G.: Fuel. Insight Books, 2015 Wilson Schaef, A.: Co-Abhängigkeit. Die Sucht hinter der Sucht. Heyne Verlag, 1986

Dr. phil. Andrea Faulstich
Heilpraktikerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Schwerpunkten Missbrauch und Trauma in Familien und Beziehungen

faulstich.hp@protonmail.com

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