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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2023

Glosse: Immunsystem und ganzheitliche Diagnostik

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Der Laie nimmt an, dass wir das Immunsystem brauchen, um uns vor den gelegentlichen, wenn auch seltenen Infektionen durch Mikroorganismen zu schützen. Da hat er Recht. Was er nicht unbedingt weiß: Jeder Mensch trägt auf seinen Oberflächen aus Haut und Schleimhaut 100000 Milliarden Mikroorganismen. Das sind 100 Billionen! Bei jedem von uns. Und das nicht nur gelegentlich, sondern immer – auch du und ich und hier und jetzt. Der Körper selbst besteht aus 10000 Milliarden Zellen, 10 Billionen. Das kann einem schon einmal unproportioniert vorkommen: Auf und in uns befinden sich also zehnmal mehr Mikroorganismen als wir körpereigene Zellen aufweisen!? Und was tut unser Immunsystem dagegen? Gar nichts. Es „denkt“ nicht einmal daran, etwas zu unternehmen. Warum nicht? Dahinter steckt die Symbiose. Das einvernehmliche Zusammenleben. Bei den besagten Mikroorganismen handelt es sich um Symbionten, die zu beiderseitigem Vorteil mit ihrem Wirt zusammenleben. Das muss man uns nicht erst beibringen. Schon die Neugeborenen kennen das, auch wenn sie es nicht wissen.

Symbiose liegt in unseren Genen. Weniger als 1% der Mikroorganismen ist in der Lage, wenn auch vermutlich nicht einmal willens, den Wirt krank zu machen; und man könnte sich vorstellen, dass auch dieses 1% noch auf einem Missverständnis beruht. In der Lage, aber nicht willens? Nun, es ist doch klar, dass pathogene Keime ihren Wirt zugrunde richten können, aber dann war’s das für den „Planet Mensch“. Und nicht nur für den Keim selbst, sondern auch für alle anderen Symbionten. Wir alle werden dann wieder Erde und Wald.

Was passiert, wenn die Symbiose aktiv „aufgekündigt“ wird, sei es wegen übertriebener Hygiene aus Angst vor Infektionen oder wegen der Allgegenwart von Antibiotika in unserer Nahrungsmittel-Herstellung? Dann werden wir krank. Nicht nur ein bisschen, sondern fundamental. Eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit bemächtigt sich unser, während wir zwischen Zentralheizungen bei Fast Food vor dem Fernseher sitzen. Heißt: Wir haben schon an der Basis die Balance verloren. Und das reicht hinein bis in unser tiefstes Mensch-Sein: Wir geraten auch seelisch nach und nach aus dem Lot.

Die seelische Erkrankung der Gegenwart ist die Depression. Ein körperliches Leitsymptom ist der Gewichtsverlust. In einem solchen Ausmaß und ohne BMI-gesteuerte böse Absicht, dass man denken könnte, da sei einer an Krebs erkrankt, nur dass man bei Krebs nicht in einem solchen Tempo Gewicht verliert, wie das bei der Depression möglich ist. „Wenn das so weitergeht, müssen wir ihn zwangsernähren, sonst ist er in vier Wochen tot.“ Ein weiteres körperliches Leitsymptom liegt im Verlust von qualitativ hochwertigem Schlaf. Einschlafstörung, Durchschlafstörung, Früherwachen mit Morgentief. Man findet keine Ruhe mehr und ist am Ende zu gar nichts mehr in der Lage.

Wenn wir also in unserem Verhältnis zwischen der Welt und uns selbst ins Ungleichgewicht geraten, dann beginnt unser Sterben.

Das ist auch so bei der seelischen Erkrankung der Gegenwart: An der Depression sterben Menschen, v.a. dann, wenn es mit der Stimmung wieder bergauf geht, wenn also langsam die Kraft zurückkommt – um sich dann das Leben zu nehmen. So zynisch das klingen mag, es ist in den klinischen Befundungen bekannt und wird in der Therapie berücksichtigt. Rund 60-80% aller Menschen, die sich das Leben nehmen, leiden an einer Depression.

Da ist etwas Grundsätzliches aus dem Gleichgewicht geraten. Und das, obwohl wir es doch warm haben und unsere Kinder satt kriegen. Wenn auch zu verrückten Preisen. Und von der Borderline-Persönlichkeitsstörung will ich gar nicht erst sprechen! Da flippt dann alles unentwegt hin und her, zwischen Kriegen und Klima und Versuchen der Besänftigung.

Jetzt schlägt der Autor also einen Bogen von den Genen über das Immunsystem zur Depression bis hin zu unserem gesellschaftlichen Leben – ja, auch das ist ganzheitliche Diagnostik! Ich fürchte, wir haben es versemmelt, als wir anfingen, den Menschen in drei Bestandteile zu zerlegen: Körper, Geist und Seele, und als wir versuchten, ihn mit Biologie, Psychologie und Soziologie zum Objekt zu machen, als seien wir ein dreiadriges Stromkabel, dessen einzelne Drähte gegeneinander isoliert sind. Und wann hat das bei uns im Abendland begonnen? Vor etwa 2500 Jahren, auf der historischen Langstrecke zwischen Homer und Platon. Das zieht sich also schon einige Zeit so hin.

An dieser Stelle geht es mir aber nicht nur um die Gesundheit und das Leben eines Menschen, dessen Zeit begrenzt ist, sondern um das Überleben der Menschheit als Art angesichts der Zerstörung von Mutter Erde.

Könnten wir uns doch besinnen und uns der lebenswichtigen Gemeinschaft zwischen Mutter Erde und Planet Mensch erinnern! Dieses ganzheitliche Wissen anzuwenden und zu vermitteln gehört zu den fundamentalen Aufgaben von uns Heilpraktikern, weil es heute ja sonst kaum einer mehr tut. Hier eröffnet sich ein riesiges Arbeitsgebiet für uns: Leisten wir unseren Beitrag, das Gleichgewicht zwischen der Mutter und ihren Kindern zurückzubringen, indem wir den Menschen als Ganzes und in seinem System betrachten, bestehend aus ihm selbst, der Familie und der (Um-)Welt, in der wir alle leben dürfen.

Thomas Schnura
Psychologe M.A., Heilpraktiker und Dozent

Thschnura@aol.com

Foto: © Gstudio / adobe.stock.com

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