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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/1998

Homöopathika in Gefahr

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Aktionsgemeinschaft HAB will den Anfängen wehren

Dr. Kerstin Schwabe kämpft gegen bürokratische Eingriffe in die Homöopathie Mitte letzten Jahres wurde im Bundesanzeiger erstmals ein Vorabdruck der Neufassung des Homöopathischen Arzneibuches, kurz HAB, publiziert. In dieser Neufassung wurde von der dafür zuständigen Homöopathischen Arzneibuch-Kommission in Berlin vorgesehen, alle Homöopathika tierischen und menschlichen Ursprungs zu autoklavieren, mit dem Ziel, die (vermeintliche) Gefahr einer Übertragung von human-pathogenen Keimen (z.B. BSE und andere TSE-Infektionen) zu minimieren. Diese Änderung des HAB ist nicht akzeptabel, da die betroffenen Homöopathika durch die Autoklavierung in ihrer Beschaffenheit so grundlegend verändert würden, daß sie erst einer neuen Arzneimittelprüfung unterzogen werden müßten, so die Überzeugung der Aktionsgemeinschaft HAB 98, in der alle Homöopathie-Verbände Deutschlands und zahlreiche europäische Homöopathie-Verbände zusammengeschlossen sind.

Auf dem Symposium “Homöopathika in Gefahr” am 24.01.1998 in Frankfurt machte Frau Dr. Kerstin Schwabe, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie, deutlich, daß die Homöopathika tierischen und menschlichen Ursprungs seit Jahren nach strengen Vorschriftsmaßregeln hergestellt werden, die in jedem Fall ausreichen, um eine Übertragung von Krankheitserregern zu verhindern. Diese neue HAB-Verordnung, die zu einer gravierenden Veränderung des homöopathischen Arzneimittelmarktes in Deutschland und damit zu einer Gefährdung der Versorgung der Patienten führen würde, ist daher nicht nur kontraproduktiv, sondern auch noch überflüssig.

Homöopathie – 200 Jahre Erfahrung und Erfolg

Die Homöopathie ist eine bewährte und in der Bevölkerung sehr beliebte Behandlungsmethode. Einer Umfrage des Marktforschungsinstituts CAM zufolge glauben etwa 70 Prozent aller Bundesbürger an die Heilkraft von homöopathischen Arzneimitteln. Auch die Zahl der Verordner, die Homöopathika in der Praxis einsetzen, ist in den letzten Jahren in bemerkenswertem Umfang angestiegen.

Die Homöopathie kann auf eine 200jährige Erfahrung und auf einen reichhaltigen Arzneimittelschatz zurückblicken. Seit Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, 1796 den ersten Selbstversuch mit Chinarinde durchführte, sind etwa 2000 Wirkstoffe – darunter tierische, pflanzliche und mineralische Substanzen – auf ihre homöopathische Wirkung geprüft und dokumentiert worden. Die Wirkungsweise eines Homöopathikums kann jedoch nicht mit der eines herkömmlichen, allopathischen Arzneimittels gleichgesetzt werden. Nach der Überlegung von Hahnemann wird der Arzneistoff erst am Gesunden getestet (Arzneimittelprüfung). Die Substanz ruft dabei eine bestimmte Wirkung hervor – das sogenannte Arzneimittelbild. Bei einer Erkrankung wird das Mittel gewählt, dessen Arzneimittelbild den Symptomen und besonderen Merkmalen des Erkrankten besonders entspricht. Hahnemann umschrieb diese sogenannte Simile- oder Ähnlichkeitsregel mit den Worten: “Um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, wähle eine Arznei, die ein ähnliches Leiden erregen kann wie sie heilen soll.”

Die zweite Säule der Homöopathie ist die sogenannte Potenzierung. Darunter ist nicht nur eine einfache Verdünnung in 10er- oder 100er-Schritten zu verstehen, sondern eine Übertragung der Energie bzw. Information der Wirksubstanz auf den Trägerstoff (z.B. Milchzucker oder ein Alkohol-Wasser-Gemisch). Bei jedem Potenzierungs-Schritt einer C-Potenz beispielsweise wird ein Teil der Ausgangssubstanz mit 99 Teilen eines Trägerstoffes nach einer genau vorgeschriebenen Prozedur verschüttelt bzw. verrieben. Bei den sogenannten Q-Potenzen liegt das Verhältnis sogar bei 1 zu 50000.

Das Homöopathische Arzneibuch

Um eine gleichbleibende Qualität und Beschaffenheit der homöopathischen Arzneimittel gewährleisten zu können, werden alle Homöopathika in Deutschland einheitlich nach den Vorgaben des Homöopathischen Arzneibuches HAB hergestellt. ln diesem Arzneibuch finden sich sowohl Angaben über die Gewinnung der Ausgangssubstanz – der sogenannten Urtinktur – als auch über die Verarbeitung im Rahmen der Potenzierung.

Und eben dieses Homöopathische Arzneibuch soll nun geändert werden:

Im August vergangenen Jahres wurde erstmals der Hinweis der Geschäftsstelle der Deutschen Homöopathischen Arzneibuch-Kommission beim BfArM (zusammen mit einem Vorentwurf für das HAB 1998) im Bundesanzeiger publiziert, daß sämtliche tierische und menschliche Ausgangsmaterialien für homöopathische Arzneimittel vor der Verarbeitung einer Autoklavierung unterzogen werden sollen, um die Abwesenheit pathogener Keime gewährleisten zu können.

Dieser Hinweis der Geschäftsstelle der HAB-Kommission geht insbesondere auf die Anpassung der Herstellungsvorschriften an die Festlegung der Europäischen Arzneibuch-Kommission ein, nach der für Ausgangsstoffe homöopathischer Arzneimittel, die animalen Ursprungs sind, die Abwesenheit jeglicher pathogener Agenzien glaubhaft erwiesen sein muß.

Nach Auffassung der Geschäftsstelle der HAB-Kommission sind die bisher im Arzneibuch beschriebenen Sterilisierungsmethoden jedoch nicht ausreichend, um pathogene Agenzien, darunter auch die Erreger z.B. der Creutzfeld-Jacob-Krankheit oder der bovinen spongiformen Encephalopathie (BSE) abzutöten. Andere, herkömmliche Methoden kämen für homöopathische Zubereitungen wiederum nicht in Frage, da das Ausgangsmaterial dadurch irreversibel geschädigt würde. Hier soll die Autoklavierung Abhilfe schaffen.

Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz

Laut Arzneibuch-Kommission sollen – aus besagten Gründen – sämtliche tierischen und menschlichen Ausgangsmaterialien für homöopathische Arzneimittel vor der Verarbeitung einer 20-minütigen Behandlung im Dampfsterilisator mit gespanntem gesättigtem Wasserdampf bei einem Druck von 3 x 102 kPa und einer Kerntemperatur des zu erhitzenden Materials von 133 °C unterzogen werden.

Eine derartige Vorbehandlung (Autoklavierung) von tierischen Substanzen würde jedoch, wie Frau Dr. K. Schwabe, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie, Gütersloh, in ihrem Vortrag darlegte, zu einer weitreichenden Veränderung der Ausgangsmaterialien und damit zu einer “Entstellung” der homöopathischen Arzneimittel führen. Alle betroffenen Arzneimittel müßten neu geprüft werden. Ein Zugewinn an Sicherheit ist durch dieses Verfahren hingegen nicht gewonnen, da alle homöopathischen Arzneimittel in Deutschland nach dem herrschenden Arzneimittelgesetz, und damit auch nach den 1994 festgelegten Zoonosenrichtlinien, hergestellt werden. Eine Übertragung von humanpathogenen Keimen ist somit nicht zu befürchten.

Die Diskussion um die Sicherheit von Arzneimitteln tierischer Herkunft wird schon seit Jahren immer wieder durch die BSE-Problematik angefacht. Dabei wurden, nach Aussage von Frau Dr. B. Freimüller-Kreutzer, Kooperation Organotherapeutika e.V., Heidelberg, in keinem Land der EU so umfangreiche Maßnahmen gegen BSE (Bovine Spongioforme Encephalopathie) ergriffen wie in Deutschland. Zur Bewertung der Arzneimittel-Sicherheit wurden sechs Risiko-Parameter definiert: HRK = Herkunftsland der Rinder, MAT = Art der verwendeten Organe und Alter der Tiere, ABR = Abreicherung während der Herstellung, APT = Organmenge, die zur Herstellung einer Tagesdosis benötigt wird, ANZ = Anwendungshäufigkeit und APL = Applikationsweg. Für jeden Parameter wird eine mehr oder weniger hohe Punktzahl vergeben. Die Gesamtpunktzahl sollte den Wert 20 (das entspricht dem minimalen, natürlichen Risiko, an der humanen sporadischen Jacob-Creutzfeld-Disease zu erkranken) nicht unterschreiten. Mit Hilfe dieser Parameter wurden alle Arzneimittel, die Wirkstoffe oder Hilfsstoffe tierischen Ursprungs enthalten, bewertet. Demzufolge kann der deutsche Arzneimittelmarkt heute als sicher angesehen werden, betonte Frau Dr. Freimüller-Kreutzer.

Der Schutz des Verbrauchers war auch das zentrale Thema von Dr. W. Loh, Mitglied der BSE-Lenkungsgruppe der Verbände BAH, BPI, VAH und VfA, Friedrichsdorf.
In seinen Ausführungen machte Herr Dr. Loh deutlich, daß gerade in der heutigen Zeit hohe Anforderungen an die Virussicherheit von Arzneimitteln gestellt werden müßten. Durch die aus virologischer Sicht geradezu idealen Verbreitungsmöglichkeiten von Krankheitserregern auf der ganzen Welt nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch vom Tier auf den Menschen (Zoonosen), müssen die Verfahren zur Minimierung von Infektionsrisiken auf allen Ebenen ständig dem neusten wissenschaftlichen Erkenntnisstand angepaßt und optimiert werden. Auch für die Herstellung von Arzneimitteln verfügt die Wissenschaft heute über eine “umfangreiche Palette viruslimitierender und/oder -inaktivierender Verfahren”. Bei der Wahl des entsprechenden Verfahrens sollte natürlich auch berücksichtigt werden, daß die Integrität des Arzneimittels nicht zerstört werden darf. “Das gilt insbesondere auch für Homöopathika”. “Da homöopathische Arzneimittel aus tierischen Materialien potenziert werden, sollte man sich überlegen, inwieweit diese spezielle Herstellungsweise für die Minimierung der viralen Risiken genutzt werden kann. Darüber hinaus sollte man bisher anerkannte und validierte Verfahren aus anderen Arzneimittelbereichen in die Planung von Sicherheitskonzepten mit einbeziehen”, so Loh.

Europäisches Recht und die Folgen

Die Geschäftsstelle der HAB-Kommission beruft sich bei der Novellierung des HAB u.a. auf die Festlegung der Europäischen Arzneibuch-Kommission aus dem Jahr 1993. Doch Ende letzten Jahres hat die EU-Kommission in Brüssel eine neue Richtlinie entworfen und auch darin geht es eben um die Sicherheit von Humanarzneimitteln unter besonderer Berücksichtigung möglicher humanpathogener Keime. Diese Änderungsrichtlinie wurde dem ständigen Ausschuß für Humanarzneimittel vorgelegt, ist dann aber bis auf weiteres vertagt worden.

Sollte diese Änderungsrichtlinie der EU-Kommission angenommen werden, müßte sie sogleich in deutsches Recht umgesetzt werden und hätte auch Auswirkungen auf die Homöopathika in Deutschland. Und die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel, um dagegen vorzugehen, sind sehr beschränkt. Zu diesem Resultat kam Dr. jur. F.A. Stebner, Salzgitter, Justitiar der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie, Rechtsanwalt in Salzgitter. Eine Einflußnahme im Sinne einer sachlichen Information und Meinungsbildung sei nur auf politischer Ebene zu erreichen. Hauptanliegen der Verbände sollte dabei sein, so Stebner, die Sachverständigen in den jeweiligen Gremien auf deutscher und europäischer Ebene davon zu überzeugen, daß die Arzneimittelsicherheit von Homöopathika tierischen oder menschlichen Ursprungs nicht gefährdet sei. Gerade die EU-Kommission sehe ihre erste Aufgabe darin, durch die Gesetze einen größtmöglichen Schutz der Verbraucher zu erreichen. Hierin sollte sie von den Verbänden unterstützt werden – unter der Maßgabe, daß Homöopathika schon heute als sichere Arzneimittel angesehen werden können.

Im Anschluß an den Vortrag von Herrn Stebner erläuterte Frau G. Schwartze-Grossmann, DGKH, München, die derzeit bei der Herstellung von Homöopathika gängigen Sicherheitsvorkehrungen. Sie ging dabei, in Anlehnung an die Ausführungen von Frau Freimüller-Kreutzer, u.a. die Faktoren: Herkunft der Tiere, Herstellung und Dosierung ein. Bereits in den Zoonosenrichtlinien von 1994 ist festgeschrieben, daß Tiere, die zur Herstellung von Arzneimitteln geschlachtet werden, aus BSE-freien Staaten stammen müssen. Auch die artgerechte Haltung muß verbürgt sein (keine Tiermehlfütterung). Bei der Herstellung von Homöopathika höherer Potenzen ist zudem gewährleistet, daß durch das Potenzierungsverfahren die Menge an Ausgangsmaterial in kaum meßbaren Bereichen liegt und die für die Sicherheit von Arzneimitteln tierischen oder menschlichen Ursprungs erforderliche Abreicherung über das geforderte Maß hinaus erfüllt ist. Nosoden, also Aufbereitungen aus menschlichen Sekreten oder erkrankten Geweben, werden bereits seit vielen Jahren autoklaviert. Auch für die niedrigen homöopathischen Potenzen, die zur Injektion gedacht sind, ist eine Autoklavierung erforderlich.

Bezogen auf die geforderte Änderung des HAB bemerkte Frau Schwartze-Grossmann: “Wird z.B. das Lachesis-Gift statt vorsichtig getrocknet und anschließend potenziert als Ausgangssubstanz durch Autoklavierung denaturiert, erhalten wir eine veränderte Ausgangssubstanz, im Fall von Lachesis koaguliertes Eiweiß, und damit andere Arzneiprüfungssymptome. Wenn die gesetzlich vorgeschlagene Autoklavierung als Vorschrift in das HAB II aufgenommen würde, hieße das, ein Arzneischatz und 200 Jahre Erfahrung landen grundlos auf dem Müll.”

Ungefähr 350 homöopathische Mischpräparate und 100 Einzelmittel sind von der Änderung bedroht, diese sind jedoch für die fachgerechte Versorgung der Patienten unverzichtbar.

Ökonomische, soziale und berufspolitische Aspekte der Homöopathie

Zum Abschluß des dreistündigen Symposiums ging Frau B. Ruttkowski, Geschäftsführerin des Berufsverbandes für Heilpraktikerinnen, Lachesis e.V., Bonn noch einmal auf die gesundheitspolitische Bedeutung der Homöopathie in Deutschland ein. Ihrer Überzeugung nach würde eine Einschränkung des homöopathischen Arzneimittelschatzes hierzulande nicht nur zu einer existenziellen Bedrohung für viele niedergelassene Ärzte und Heilpraktiker, sondern auch zu einem massiven Anstieg der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen führen. Eine Untersuchung von Franz Bonsch, DZHA, hat ergeben, daß homöopathisch ausgerichtete Praxen sehr viel weniger Arzneikosten pro Behandlungsfall in Anspruch nehmen als vergleichsweise schulmedizinisch ausgerichtete Praxen. Ebenso führt die selbstfinanzierte homöopathische Behandlung bei mehreren Millionen Patientenkontakten pro Jahr zu einer hohen Kosteneinsparung bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Auch aus sozialer Sicht stellt die Homöopathie eine wichtige Bereicherung der “Medizinlandschaft” dar. “Eine fachgerechte homöopathische Behandlung zeigt den Menschen, daß sie nicht Opfer irgendwelcher Symptome oder Erreger sind, sondern daß ihre Krankheit mit ihrem persönlichen Leben zusammenhängt.” Gerade dieser Aspekt wird von den Menschen in zunehmendem Maße begrüßt und honoriert. Die hohe Akzeptanz der Homöopathie in der Bevölkerung hängt zudem auch mit dem hohen Maß an Zeit und Verständnis zusammen, die in dieser Therapieform selbstverständlich sind.

Um den Erhalt der Homöopathie in Deutschland zu sichern, ist eine sachliche und wissenschaftlich fundierte Diskussion aller Verbände im Verbund mit den Politikern und den zuständigen Gremien anzustreben, darin waren sich die Teilnehmer des Symposiums einig.

J. Meyer-Wegener
Solutio Consulting, Wehrfeldweg 6,82439 Großweil

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