aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2018
Unsere Füße
Wenig beachtet – und doch so wichtig!
Die Füße bilden das Fundament des Bewegungsapparats und sind grundlegend für die Statik des Körpers. Dieser ruht „auf den Schultern“ der Füße und kann in seiner Haltung durch eine Fußfehlstellung beeinträchtigt werden. Neben der statischen Funktion sind die Füße für die Fortbewegung zentral. Mit ihrer Hilfe ist der Mensch mobil und kann am Leben teilnehmen. Das bedeutet Lebensqualität!
Dass man den ganzen Körper über die Füße beeinflussen kann, erkannte u.a. auch Pfarrer Kneipp schon früh. So regt das von ihm entwickelte Wassertreten über Fuß und Unterschenkel die Durchblutung des ganzen Körpers an. Hier sei auch auf die Reflexzonen am Fuß verwiesen, über die der gesamte Körper repräsentiert wird. Und selbstverständlich kennt jeder von uns die Vorteile, die das Barfußlaufen mit sich bringt.
Leider erhalten unsere weit vom Blickfeld entfernten Füße kaum die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Man steckt sie in Stoffschläuche und andere Hüllen, die sie einzwängen und nicht atmen lassen. Und Beachtung finden sie oft erst, wenn sie schmerzen.
Anatomie
Das Fußskelett besteht aus 26 Knochen. Dies sind an der Fußwurzel:
- Talus (Sprungbein),
- Calcaneus (Fersenbein),
- Os naviculare (Kahnbein),
- Os cuboideum (Würfelbein) und
- Ossa cuneiforme (Keilbein) 1-3.
Die Fußwurzelknochen sind anatomisch mit Tibia (Schienbein) und Fibula (Wadenbein) verbunden. Zusammen bilden sie das obere Sprunggelenk.
Am Vorfuß kommen hinzu:
- Ossa metatarsalia (Mittelfußknochen) 1-5,
- Ossa digitorum pedis (Zehenknochen) und
- 2 Sesambeine.
Die Anordnung der Fußknochen ist so gestaltet, dass daraus ein Längsgewölbe und ein Quergewölbe entsteht, die durch verschiedene Muskeln, Sehnen und Bänder in Form gehalten werden. Damit verteilt sich das Körpergewicht auf Ferse, Großzehenballen und Kleinzehenballen. Dabei liegen 33% des Gewichts auf der Ferse und 40% auf den Fußballen. Der laterale Rand des Fußes trägt 15%, die Großzehen übernehmen 5%, die Zehen 7%.
An der Fußsohle, die durch kleine Fußmuskeln und eine Sehnenplatte verspannt ist, dient ein Fettkörper als Stoßdämpfer.
Physiologie
Die Bewegung der Füße kommt durch Beugung und Streckung im oberen Sprunggelenk sowie durch Einwärts- und Auswärtsdrehung im unteren Sprunggelenk zustande. Beim Gehen muss der Fuß zuerst nach oben gezogen werden, damit die Zehen nicht am Boden hängen bleiben. Wenn man sich mit dem hinteren Fuß abstößt, muss der Fuß im Sprunggelenk gebeugt werden.
Eine Vielzahl an Muskeln bewegt den Fuß und gibt ihm Halt. Diese lassen sich trainieren, um Schwächen und Fehlhaltungen entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang ist Barfuß- laufen ein wichtiger Faktor. Es spricht viele Muskeln an und schult v.a. die Sensibilität der Füße. Auch kann der Fuß atmen und entgiften, wenn er nicht in Socken und Schuhe eingehüllt ist.
Diagnostik
Diese wird über Sicht- und Tastbefund, Funktions- und Bewegungsprüfung sowie Ganganalyse gestellt. Begleitend setzen Orthopäden Röntgenbild und Fußabdruck ein.
Sichtbefund
Hier achtet man auf Veränderungen von Haut und Gewebe:
- Hautfarbe
- aufgequollenes oder eingesunkenes Gewebe
- trockenes oder feuchtes Gewebe
- Verletzungen und Narben
- übermäßige Hornhaut und Hühneraugen
- Schuppenbildung
- Warzen
- Pilzerkrankungen u.v.m.
Diese sichtbaren Veränderungen können je nach Methode gedeutet werden. Die Reflexzonentherapie z.B. interpretiert weniger nach Art der Auffälligkeit, sondern nach ihrer Lokalisation in der Reflexzone.
Tastbefund
Hierbei wird die Haut nach Temperatur und Gewebebeschaffenheit beurteilt. Hartes und festes Gewebe weist auf einen Fülle- oder Spannungszustand hin, weiches und schwaches Gewebe auf einen Leere-Zustand. Während kalte Haut innere Kälte und einen Leere-Zustand anzeigt (vielleicht einen degenerativen Prozess in Verbindung mit einer Arthrose), ist warme Haut ein Hinweis auf einen Fülle- oder Hitze-Prozess (z.B. mit einer Entzündung einhergehend).
Pathologie
Erkrankungen der Füße sind vielseitig. Besonders wichtig sind Deformitäten und Fußfehlstellungen, welche die Körperstatik ungünstig beeinflussen. Sie können angeboren oder erworben sein und durch Unfälle, Fehlbelastung, Fehlhaltung und falsches Schuhwerk entstehen. Auf seelisch-geistiger Ebene können sie ebenso einen mangelnden Halt oder mangelnde Standfestigkeit bedeuten.
Fußschweiß
Schweißfüße kommen aufgrund einer Stoffwechselstörung und dem Versuch des Körpers, über die Füße zu entgiften, zustande. Begünstigt wird dies durch qualitativ minderwertige Socken und Schuhe. Sind diese nicht „atmungsaktiv“, kann dies zu Fußschweiß führen.
Nagelpilz
Die Nagelmykose ist eine schwierig zu behandelnde Pilzinfektion der Finger- oder Zehennägel. Sie wird begünstigt durch:
- Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus),
- Durchblutungsstörungen,
- Psoriasis,
- Immunschwäche,
- Antibiotikatherapie und
- ein feuchtes Milieu (Schweißfüße).
Symptome sind:
- Verfärbung der Nägel (weißlich, bräunlich, gelblich),
- verdickte Nagelplatte und
- brüchige oder kaputte Nägel.
Laut Chinesischer Medizin ist für die Pilzerkrankung der pathogene Faktor Nässe verantwortlich. Nässe stellt bereits ein fortgeschrittenes Stadium einer Erkrankung dar. So dauert es auch lange, diese in den Griff zu bekommen. Nässe entsteht v.a. durch Milchprodukte und schlechte Verdauung.
Tatsächlich ist es bei einer Pilzinfektion sinnvoll, die Darmflora zu begutachten. Eine Störung führt oft zu einer Immunschwäche, welche die Pilzbesiedlung begünstigt.
In der Fußreflexzonenlehre befinden sich die Nägel in den Zonen der Zähne und der Nasennebenhöhlen. Somit können dortige Störungen für Nagelpilz verantwortlich sein.
Fußödem
Schwellungen der Füße können auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden. Sie kommen u.a. durch Störungen des Lymphflusses oder eine chronische venöse Insuffizienz zustande. Flüssigkeitsansammlungen in Beinen und Füßen sind schwer und ziehen nach unten. Auf psychischer Ebene findet man eine gewisse Schwere des Lebens oder Lebenssituationen, die einen nur langsam vorankommen lassen.
Bei vielen Pathologien der Füße kristallisieren sich aus ganzheitlicher Sicht bestimmte Themen heraus, die es näher zu betrachten gilt:
Fußsohlenwarzen
repräsentieren Auswüchse im Schattenbereich und sie stellen schmerzhafte Lebenssituationen dar.
Fußverstauchung
bedeutet einen Fehltritt im Leben. Leidet man öfter an Verstauchungen, sollte man sich mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigen, damit Verletzungen und weitere Fehltritte weniger häufig auftreten.
Fersensporn
kann bei Menschen entstehen, die sehr unter Druck und Spannung stehen und trotz allem ihren Standpunkt vertreten müssen. Der knöcherne Sporn drückt bei jedem Schritt und schmerzt beim Gehen und Stehen.
Füße aus ganzheitlicher Sicht
Die Füße befinden sich an der Basis unseres Körpers. Haben sie keinen optimalen Kontakt zur Erde, kann sich dies auf die gesamte Statik auswirken. Als Basiselemente des Lebens repräsentieren die Füße auf der psychischen Ebene die Themen Standhaftigkeit und Bodenhaftung.
In unserer heutigen Zeit wird es immer wichtiger, psychisch stabil und standhaft zu bleiben. Es geht darum, seinen „Standpunkt“ zu vertreten und „Stehvermögen“ zu beweisen. Den eigenen Lebensweg zu gehen und sich nicht von der Meinung anderer ablenken zu lassen. Auch wenn dieser Weg länger oder einmal falsch sein sollte; es ist immer noch der eigene Weg, dem man folgt. Oft genug lässt man sich von anderen verunsichern und versucht, sich anzupassen und es ihnen rechtzumachen.
Mangelt es an Standfestigkeit, kann man im Extremfall die Bodenhaftung und den Bezug zur Realität verlieren. Man verirrt sich in höheren Sphären und verliert Verwurzelung und Erdung. Diese Menschen sollten dringend:
- auf den Boden der Tatsachen zurückkommen,
- mit beiden Füßen im Leben stehen,
- bodenständig sein und
- im Leben Fuß fassen.
Dies ist notwendig, da sich der Mensch nun einmal zwischen Himmel und Erde befindet. Vor allem für die seelische und spirituelle Entwicklung ist es wichtig, ein gutes körperliches / irdisches Fundament zu besitzen. Ein Abdriften und zu schnelles „Abheben“ fördert keine stabile Entwicklung. Diese sollte Schritt für Schritt vorangehen.
Die Natur macht es vor: Alles muss wachsen und hat seine Dauer. Kleine Kinder kriechen und krabbeln, bevor sie laufen. Ohne dieses schrittweise Vorangehen würden sie einiges in ihrer Entwicklung verpassen. Erst dadurch kann das Leben Bestand haben. Auf diesem Fundament steht man gut und sicher.
Damit wir leichtfüßig durch die Welt gehen und immer einen Fuß vor den anderen setzen können, müssen die Füße beweglich sein. Mobilität ist ein entscheidender Faktor, um am Leben teilhaben zu können. Dies kann aber auch ins Pathologische kippen. So sind gestresste Mensch z.B. immer in Eile und „auf dem Sprung“.
Andere, die etwas stört, „drückt der Schuh“. Aber wenn sie sich nicht wehren, können sie weder „mit dem Fuß aufstampfen“ noch sich „auf die Hinterbeine stellen“. Womöglich werden sie auch als „Fußabtreter“ für die Probleme anderer benutzt oder gar „mit Füßen getreten“.
Ängstlichen Menschen fehlt die stabile Basis auf körperlicher und psychischer Ebene; sie bekommen leicht „kalte Füße“, wenn etwas zu schwierig wird. Im Gegensatz dazu nutzen manche ihre Stabilität, um sich anderen gegen- über überlegen zu fühlen. Sie leben „auf großem Fuß“ und „treten anderen auf die Füße“, indem sie sich verletzend verhalten.
Hier wird deutlich: Jeder Mensch sollte immer auf dem Boden bleiben; nicht zu sehr abheben, aber auch nicht zu starr stehen. Eine gute Balance zwischen Standhaftigkeit und Beweglichkeit ist von Vorteil.
Füße und Standhaftigkeit aus Sicht des Yoga
Die Füße sind im Yoga wichtig, v.a. bei den Steh- und Gleichgewichtspositionen. Sie sind neben den Beinen nach Aussage von Reinhard Gammenthaler die „Arbeitsorgane des Muladhara-Chakras“, des Wurzelchakras. Dieses Chakra steht für das Urvertrauen.
Auf dem Weg zum inneren Frieden stehen die Füße für den Anfang des Weges: Vertrauensvoll muss der Sadhaka seinen Weg bestreiten. Immer wieder wird dieses Vertrauen durch das Leben getestet. Es fragt den Suchenden, ob er bereit ist, durchzuhalten und auf seinem Weg standhaft zu bleiben.
Die Gottheit, die mit dem Muladhara-Chakra in Verbindung steht, ist Ganesha, der Hüter der Schwelle. Er lässt an der Schwelle des Lebens nur diejenigen durch, die bereit sind, sich durchzubeißen. Er beseitigt alle Hindernisse auf dem spirituellen Weg oder stellt dem Aspiranten neue Hindernisse in den Weg, wenn dieser zu schnell voranschreiten will. Er verkörpert Weisheit und Intelligenz.
Ganesha ist die Gottheit der Brahmacharis. Brahmacharia (sexuelle Enthaltsamkeit) ist ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, dass Muladhara-Chakra zu öffnen. Es meint die völlige Enthaltsamkeit in Taten, Worten, Gedanken und Träumen, und ist für diejenigen gedacht, die ihren Weg Gott alleine widmen. Ein Brahmacharia lebt alleine und ist unverheiratet.
Aber auch jeder andere Mensch sollte versuchen, seine Sexualkraft in allen genannten Bereichen zu kontrollieren, denn sie ist die stärkste Kraft im Menschen. Im positiven wie im negativen Sinne.
Sexualkraft bedeutet Lebenskraft und steht im Zusammenhang mit Gesundheit und langem Leben. Ein Mensch, der sich der Sexualität hingibt, ist ein ewiger Gefangener der Sinneslüste und büßt mit jedem Verlust von Samen Gesundheit und Lebensenergie ein. Nur wer die Sexualkraft sublimieren kann, ist Meister seiner Sinne.
Es geht nicht darum, diese Kraft zu unterdrücken, sondern sie umzuwandeln in positive Energie, die den Menschen Brahman näherbringt. Trotzdem ist es schwierig, die Sexualkraft allein mit dem Willen zu kontrollieren. Obwohl dies am Anfang vielleicht die einzige Möglichkeit ist.
Neben der Willenskraft ist eine sattwige Ernährung nützlich, um die Sublimierung zu unterstützen.
Ungünstig sind v.a.:
- Fleisch,
- Alkohol,
- Tabak,
- Eier,
- Zwiebeln und
- Knoblauch.
Inneres Vertrauen und Standhaftigkeit müssen erworben und geschult werden, denn der Mensch ist voll von Ängsten, die Zweifel und Unbehagen hervorrufen, sodass Vertrauen schnell verloren gehen kann.
Innere und äußere Festigkeit findet man im Yoga z.B. in den Asanas (Körperstellungen). Diese werden statisch ausgeführt und über eine längere Zeit eingenommen, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können. Festigkeit verleihende Sitzstellung ist der Lotossitz. Im Atem wird Festigkeit durch Kumbhaka (Atemanhalten) erzeugt.
Der Begriff der Stabilität oder Standhaftigkeit im Yoga geht jedoch noch viel weiter. Fest und stabil sollte auch das eigene Leben sein. Eine geregelte Lebensweise und ein guter Umgang mit anderen ist notwendig. Gefestigt in seinen Lebensregeln, kann der Yogaübende dann in die Übungen hineingehen.
Auch Mudras und Bandhas stabilisieren Körper und Geist. Hierdurch wird der Bund mit dem Göttlichen besiegelt. Man bekommt dadurch den „Stempel des Göttlichen“ aufgedrückt. Zu den Mudras gehören neben den Fingerstellungen auch Übungen wie der Kopfstand, Khecari-Mudra, Maha-Mudra und Kaki-Mudra.
Übungen für die Füße
Die Gesundheit der Füße lässt sich durch folgende Übungen unterstützen:
Sukshma vayama
- Muladhara-Chakra-Shuddhi
- Kundalini-Shakti-Vikasaka
- Pindali-Shakti-Vikasaka
- Pada-Mula-Shakti-Vikasaka
- Gulpha-Pada-Prishtha-Pada-Tala-Shakti-Vikasaka
- Padanguli-Shakti-Vikasaka
Asanas
- Prarthana (Stellung des Respekts)
- Simhasana (Löwe)
- Hasta-Padangusthasana (Hand-Zeh-Stellung)
- Mukta-Padangusthasana (befreiter großer Zeh)
Bandhas
- Mula-Bandha
Kriyas
- Ganesha-Kriya
- Nasenreinigung
Die Anwendung der Übungen sollte durch einen erfahrenen Lehrer oder Guru begleitet werden. Jede Übung sollte vorsichtig begonnen und langsam durchgeführt werden.
Achtsamkeit ist wichtig! Die Haltephase der Übungen, besonders der Asanas, wird langsam gesteigert, um eine optimale Wirkung auf die Füße zu erlangen.
Fazit
Obwohl die Füße stark vernachlässigt werden, leisten sie uns immer gute Dienste. Durch die Übungen des Yoga entwickelt man wieder Bewusstsein für seine Füße und schenkt ihnen Achtsamkeit. Das bewusste Üben kräftigt unsere Füße, damit sie uns noch lange Zeit im Leben tragen können und wir sie vor größerem Schaden bewahren. Die Gesundheit der Füße schenkt zudem geistige Stabilität und Sicherheit!
Markus Ritz
Heilpraktiker, Buchautor, Dozent. Inhaber einer Akupunktur-Ambulanz mit Schwerpunkten Schmerztherapie und Hauterkrankungen. Er widmet sich dem Weg des Yoga.
info@padmasana.de
Literatur
- Reinhard Gammenthaler: Kundalini-Yoga-Parampara. Simowa Verlag
Buch-Tipp
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Marika Jetelina:
Müdigkeit/Erschöpfung.
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