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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2019

Kinder brauchen Hunde!

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Zugegebenermaßen ein etwas plakativer Spruch, denn Kinder, wie auch alle anderen Lebewesen auf diesem Planeten, benötigen hauptsächlich Sauerstoff, Wasser und Nahrung. Na gut, auch die passende Temperatur, um weder zu erfrieren noch einem Hitzschlag zu erliegen. Das ist aber schon in etwa alles. Biologisch gesehen. Was aber ist mit den qualitativen Aspekten des Lebens?

Vielleicht sollte man die Aussage, dass Kinder Hunde brauchen, weiter hinterfragen: Um zu überleben oder um glücklich zu sein? Auf die erste Frage wird die Antwort „Nein“ lauten oder zumindest „Nicht mehr“. Vielleicht sah es in grauen Vorzeiten nämlich noch anders aus und unsere Vorfahren haben es tatsächlich u.a. auch den Hunden zu verdanken, dass ihre Nachkommen es sich jetzt leisten können, über solche Fragen zu philosophieren.

Wenn wir uns aber fragen, was das Leben lebenswert macht, braucht es einiges mehr als stoffliche Überlebenssicherung. Besonders wenn es um Kinder geht. Kinder wünschen sich nicht nur Nähe, Zuwendung, Freude und Spiel (Reize), sondern sie brauchen sie buchstäblich, um sich gesund entwickeln zu können. Um ihre geistigen (mentalen) und seelischen (emotionalen) Potenziale frei entfalten zu können und zur selbstsicheren, gefestigten und selbstständigen Persönlichkeit heranzuwachsen.

Dass eine harmonische Entwicklung ohne die genannten Werte kaum möglich ist, hat uns leider auch die Geschichte oft genug gelehrt: Allein das in Nachkriegszeiten bei Waisenkindern beobachtete Deprivationssyndrom sollte uns eine traurige Lehre sein. Wir können keinem Kind der Welt das Recht auf diese wichtigsten Grundbedingungen absprechen oder sie vorenthalten. Das kommt Vernachlässigung und Missbrauch gleich.

Der Wert, den Hunde in diesem Zusammenhang als Spielkameraden haben, ist nicht zu unterschätzen: Kein Spielzeug der Welt, und sei es technisch noch so raffiniert, reicht an die Beziehung zu einem schwanzwedelnden Freund mit seiner lebendigen Wärme heran. Gemeinsam die Welt erkunden, unglaubliche Abenteuer erleben und spielen, bis die Eltern den ganzen Spaß verderben.

Mit viel Freude in Bewegung kommen

Gerade in der heutigen Zeit, da viele Kinder wegen übermäßigem Handy-, TV- und Computergebrauch unter Bewegungsmangel leiden, ohne es zu wissen, ist die motivierende Kraft des Hundes, mit dem man so toll draußen herumtoben kann, von unschlagbarem Wert. Sie beugt vielen gesundheitlichen Problemen vor, die unzureichende körperliche Aktivität mit sich bringt.

Rund 16% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind übergewichtig (KIGGS Welle 2, 2014-2017). Und das ist in mehrfacher Hinsicht ein Problem; nicht nur für die Kinder selbst, sondern auch für Eltern, Krankenkassen und Gesundheitssystem. Bei früh entwickeltem Übergewicht geht es um mehr als nur um unvorteilhaftes Aussehen – obwohl das allein schon durch Hänselei bis hin zum Mobbing die Persönlichkeitsentwicklung stark und nachhaltig beeinträchtigen kann. Solchen psychologischen Herausforderungen können (und sollen) Sozialpädagogen, Lehrkräfte und Erziehungsberechtigte begegnen.

Die physiologischen Folgen des Übergewichts in jungen Jahren sind mindestens genauso besorgniserregend. Da die Anzahl der Fettzellen in einem Organismus in der frühen Kindheit festgelegt wird und diese Zahl lebenslang bestehen bleibt, haben Menschen, die sich als Kinder Fettpölsterchen angeeignet haben, von vornherein „schlechtere Karten“, was die Figur angeht. Sie kämpfen auch als Erwachsene viel eher und länger mit Übergewicht.

Überflüssige Kilos belasten die Gelenke, schränken die Bewegungsmöglichkeiten ein, begünstigen die Entstehung von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt. Statistisch gesehen verkürzen sie die Lebenserwartung. Damit ist nun wirklich nicht zu spaßen! Es ist auch kein Zufall, dass diese Krankheiten zur Plage unserer Zeit geworden sind, denn die Notwendigkeit, sich körperlich zu betätigen, hat sich v.a. in Industrieländern und in relativ kurzer Zeit dramatisch verringert. Und das, obwohl unsere Körper seit Jahrtausenden auf viel Bewegung ausgelegt sind.

Hunde können uns auch heute wieder behilflich sein, wenn auch mit gegenteiligen Diensten: Früher haben sie dem Menschen viel Bewegung erspart, als sie ihm bei der Jagd zur Hand gingen und Verfolgen und Stellen der Beute übernommen haben. Heutzutage zwingen sie uns von der gemütlichen Couch herunter zur täglichen Gassirunde, und zwar wetterunabhängig. Jede dabei verbrannte Kalorie ist unserem aktivitätsfördernden vierbeinigen Freund angesichts der oben geschilderten Gesundheitsprobleme hoch anzurechnen. Hund sei Dank!

Vor allem für Kinder ist dieser Aspekt der Hundehaltung von unschätzbarem Wert: Selbst wenn die Eltern schon längst das Handtuch vor dem digital besessenen Nachwuchs geworfen haben, findet sich der nicht weniger spielbesessene Hund noch längst nicht damit ab. Wenn jemand mit flimmernden Bildschirmen und Displays konkurrieren kann, dann ist es der Hund mit seinem flehenden Blick und dem freudig wedelnden Schwanz.

Natur ist heilsam

Gerade in der heutigen hochtechnologisierten Zeit wächst beim zwangsurbanisierten Menschen wieder die Sehnsucht nach der Natur. Zwischen Beton, Glas, Metall und Asphalt wird der bislang unterdrückte „Ruf der Wildnis“, der in jedem von uns schlummert, wieder lauter. Wissenschaftler und Philosophen sprechen von Biophilie – der angeborenen Liebe zur Natur, die bei uns genetisch verankert ist. Diese Liebe spürt man bei Kindern noch am deutlichsten. Man denke nur an die glänzenden Augen der Kleinen, wenn diese einen Vogel im Himmel beobachten oder sich einem Tier nähern und es streicheln dürfen. Diese tief empfundene Freude sollte so wenig wie möglich abtrainiert werden, im Gegenteil. Auch hier kann die Hundehaltung punkten.

Keine Angst vor Hunden

Ich persönlich glaube an die heilsame Kraft der Natur und auch an die der Tiere, obwohl es mir natürlich nicht entgeht, dass der Umgang mit Hunden bei Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist.

Einige können an keinem (fremden) Hund vorbeilaufen, ohne ihn zu streicheln, was nicht wenige Hunde samt Besitzern als unangebracht und störend empfinden. Andere wechseln schon beim Anblick einer vierbeinigen Silhouette am Horizont die Straßenseite. Darunter fallen wiederum zwei Menschentypen: die einen, die einfach keine Hunde mögen, und die anderen, die zwar nichts gegen die Tiere haben, aber sich ihnen aufgrund großer Ängste nicht nähern können. Meist in vollem Bewusstsein darüber, dass ihre Gefühle unbegründet sind. In solchen Fällen kann man von einer Angststörung bzw. Phobie sprechen.

Und hier kommt das Thema Erziehungsverantwortung ins Spiel: Man könnte meinen, wenn ein Mensch Hunden gegenüber Vorurteile oder Ängste hat, sei es sein Problem und er müsse selbst damit klarkommen. Das wäre auch so, hätten nicht einige dieser Menschen auch Kinder, denen sie ihre Einstellungen bewusst oder unbewusst übertragen. So werden Kinder ihrer Chancen beraubt, sich unbefangen eine eigene Meinung zu bilden, selbst mit dem Hund in Kontakt zu treten und eigene Erfahrungen zu sammeln. Das ist nicht in Ordnung! In aller Deutlichkeit: Die generalisierte Angst vor Tieren ist uns nicht angeboren und daher unnatürlich! Sie ist das Ergebnis von Beeinflussung, falscher Erziehung, schlechten Vorbildern und negativer Erfahrung.

Möchten Sie Ihren Kindern Ihre Krankheiten vererben? Angststörungen, wie auch die Hundephobie, sind medizinisch anerkannte psychische Erkrankungen, welche die Lebensqualität des Betroffenen mindern und häufig therapiebedürftig sind. Machen Sie sich das und Ihrer Verantwortung Ihren Kindern gegenüber bitte bewusst. Sie können dem Ganzen ohnehin kaum aus dem Weg gehen. In unseren Lebensräumen hierzulande werden immer mehr Hunde gehalten. Viele Hotels und Restaurants tolerieren Gäste in Hundebegleitung, einige heißen sie sogar willkommen. Ein angstfreies und entspanntes Leben wäre nur in sehr entlegenen Winkeln dieser Erde möglich. Finden Sie nicht, dass es dort für ein glückliches Leben ein wenig zu einsam wäre?

Wenn es die Verantwortung unseren Kindern gegenüber und unsere primäre Aufgabe als Eltern ist, ihnen dabei zu helfen, dass sie sich zu selbstbewussten, frei denkenden und weltoffenen Erdbürgern ohne Komplexe und Vorurteile entwickeln, dann haben die Eltern solcher Kinder, die beim Anblick eines Hundes am liebsten schreiend weglaufen würden, meiner Meinung nach darin kläglich versagt!

Vernunft oder Rationalisierung?

Das Argument, man wolle die Kinder nur beschützen, da Hunde bekanntlich beißen können, kann ich als allgemeingültige Aussage nicht stehen lassen. Dabei will ich keinesfalls die Ehrlichkeit der Menschen, die so etwas sagen, bezweifeln. Sie glauben wirklich daran. Außerdem klingt es sehr vernünftig und fürsorglich: Keiner will zulassen, dass Kinder gebissen werden. Dagegen ist nichts einzuwenden! Oder? Was dabei aber ungesagt bleibt, ist, dass die vernünftige Begründung i.d.R. den wahren und weniger schmeichelhaften Motiven als Ausrede dient: dem Selbstschutz aufgrund der eigenen Angst! In der Psychologie ist dieser Abwehrmechanismus als „Rationalisierung“ bekannt. Er ist meist unbewusst, sodass man niemandem die Schuld geben kann.

Es muss auch hinzugefügt werden, dass Fürsorglichkeit nicht immer eine maskierte Angst bedeutet. Manchmal ist auch wirklich Vorsicht angebracht, wenn uns der gesunde Menschenverstand in bestimmten Situationen dazu zwingt, Kinder und Hunde weit voneinander zu trennen. Aber eben nicht immer.

Wenn jemand Kinder grundsätzlich von Hunden fernhält, nur um keinen Kontakt zwischen beiden zuzulassen, tut er damit weder dem einen noch dem anderen einen Gefallen. Kinder brauchen die Verbindung zum Tier! Für sie sind Hunde eine der wenigen Möglichkeiten, sich unmittelbar mit anderen Lebewesen auseinanderzusetzen, die sich stark von uns unterscheiden. Solche Erfahrungen helfen, mehr Verständnis und Toleranz für Andersartigkeit zu entwickeln; sie sind auch aus pädagogischer Sicht extrem wertvoll.

Lästig, aber vorteilhaft

Die Hundehaltung hat natürlich auch Nachteile. Das sollte fairerweise erwähnt werden. Doch mit ein wenig Optimismus können auch diese zu Vorteilen umgewandelt werden.

Die Notwendigkeit, täglich bei Wind und Wetter mit dem Hund vor die Tür zu gehen, empfinden viele als lästig. Doch ist es voreilig, das als einen Nachteil zu betrachten: Durch eine solche „Abhärtung“ wird das Immunsystem gestärkt, wir werden weniger anfällig für Erkältungen. Zudem überwinden wir unseren inneren Schweinehund (man hat ja keine Wahl) – das macht stolz und stärkt den Selbstwert!

Hygiene-Fans fürchten zudem den Schmutz, den der Hund nach Hause bringt. Zugegeben: Hunde sind im wahrsten Sinne des Wortes Dreckskerle, jede Vorstellung von Sauberkeit (abgesehen von der eigenen Körperpflege) ist ihnen fremd. Jedoch braucht unser Immunsystem Training, um gute Abwehrkräfte zu entwickeln. Wer mit verschiedensten Mikroben in Kontakt tritt, lehrt sein Immunsystem, später nicht bei jeder Begegnung mit unbekannten Substanzen Alarm zu schlagen. Hunde zwingen unser Immunsystem mit ihren Haaren, Hautschuppen und dem Dreck, den sie nach Hause bringen, zur Höchstleistung. Kinder, die mit Tieren aufwachsen, leiden viel weniger unter Allergien. Auch der Hygiene-Nachteil der Hundehaltung wirkt bei genauerer Betrachtung eher vorteilhaft.

Nicht zuletzt sind die Risiken, von Hunden mit Zoonosen angesteckt zu werden, nur minimal, sie werden oft überschätzt. Im Gesundheitsbericht des Robert-Koch-Instituts steht: „Wägt man Risiken und Nutzen gegeneinander ab, ist der positive Einfluss auf das Wohlbefinden durch Heimtierhaltung eindeutig höher zu bewerten.“ Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagt, dass „Haustiere, für die richtig gesorgt wird, ihren Besitzern und der Gesellschaft immensen Nutzen bringen und für niemanden eine Gefahr darstellen.“

Zu guter Letzt

Die kinderfreundlichsten Hunde sind die, die in einer Familie mit freundlichen Kindern aufgewachsen sind. Deswegen ist es genauso wichtig, Kinder an den Umgang mit Hunden zu gewöhnen, wie Hunden das richtige Verhalten gegenüber Kindern beizubringen.

Grundsätzlich darf man Kinder niemals ohne Aufsicht eines Erwachsenen mit Hunden allein lassen. Schon kleinste Zweifel daran, ob mit dem Hund in der Familie alles gut läuft, sollten Anlass dafür sein, sich fachlichen Rat bei einem Spezialisten einzuholen, am besten beim Hundepsychologen.

Gerade wenn Kinder im Haushalt leben, ist die Verantwortung für den Halter einfach zu groß, um es mit der Hundeerziehung „auf eigene Faust“ zu versuchen. Und das Thema ist darüber hinaus zu komplex, als dass es mit einfachem Antrainieren von Kommandos getan wäre. Daher soll man sich nicht scheuen, Unterstützung bei einem Profi zu suchen.

Ich bin trotz aller tatsächlichen Risiken, zusätzlicher Aufgaben, größerem Zeit- und Arbeitsaufwand fest davon überzeugt, dass die positiven Aspekte der Hundehaltung erheblich überwiegen. Vor allem bei den mit Kindern gesegneten Familien. Denn es steht für mich außer Frage: Kinder brauchen Hunde!

Lan HerzhovLan Herzhov
Heilpraktiker für Psychotherapie, Kinder-, Jugend- und Familienberater, Tierpsychologe und Hundetrainer
lan@mensch-hund-beratung.de

Foto: © Marko Novkov / fotolia.com

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