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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2020

Mehr Bauchgefühl entwickeln – Teil 2

Cover

Wie die Bauchorgane im Alltag gestärkt werden können

Ein von Zeitmangel, Leistungsdruck, Statusdenken und ungesunder Lebensweise geprägter Alltag fordert eine neue Verantwortlichkeit, um gesund zu bleiben, denn der heutige Lebensstandard verlangt Höchstleistungen von unseren Bauchorganen. Stundenlanges Sitzen ohne Bewegungsausgleich verklebt sie. Zunehmend werden sie auch durch die Essgewohnheiten unserer Zeit (reinstopfen statt wertschätzen) sowie die Qualität der Nahrung belastet. Unter derartigen Herausforderungen grenzt die Regenerationskraft der Bauchorgane wirklich an ein Wunder!

Nachdem Sie vielleicht den ersten Teil dieses Artikels in Paracelsus 02.20 gelesen haben, achten Sie inzwischen womöglich vermehrt auf Ihr Bauchgefühl und nehmen Beschwerden, wie z.B. Sodbrennen, Müdigkeit oder Verdauungsprobleme, frühzeitig wahr. Solche Symptome gehören nicht wie selbstverständlich zum stressigen Alltag, sondern zeigen vielmehr den Beginn einer möglichen Erkrankung an. In diesem Folgeartikel stelle ich Möglichkeiten vor, die Bauchorgane durch leichte Selbstmobilisation vor Überlastung zu schützen. Die Übungen sind so ausgesucht, dass sie selbst in einen übervollen Terminplan passen und einen möglichst großen Effekt auf das angesprochene Organ haben.

Die Leber

ist die größte Drüse im Körper und erfüllt lebenswichtige Funktionen. Dabei agiert sie wie eine Chemiefabrik, die körpereigene und -fremde Stoffe aufnimmt und umwandelt. Selbst mit Giften kann sie fertig werden. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) spiegelt sich die Vitalität der Leber in den Sehnen und Augen. Ein Verlust der Sehkraft oder Deformitäten der Sehnen können Ausdruck dafür sein, dass die Leber überlastet ist. Weitere Frühsymptome bei einer Überlastung der Leber:

  • Müdigkeit im ganzen Körper, schon morgens beim Aufstehen
  • nächtliches Erwachen in der Lebermaximalzeit zwischen 1 und 3 Uhr
  • Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen und cholerisches Verhalten
  • verspannte Nackenmuskulatur oder Schulterschmerzen auf der rechten Seite wiederkehrende Blockierungen der unteren Brustwirbelsäule
  • Verdauungsstörungen und Druck im Bauch

Durch spezifische Parameter im Blutlabor kann die Gesundheit der Leber kontrolliert werden. Der Wert GLDH zeigt einen Organschaden an, der z.B. durch Medikamente, eine Verfettung oder Entzündung entstanden sein könnte. GPT weist auf einen Funktionsverlust der Leber hin. Cholinesterase gibt einen Überblick zur Gesamtarbeitsleistung der Leber. Besteht der Verdacht einer Leberdysfunktion, sollten auch die Werte Alkalische Phosphatase, Eisen, das direkte und indirekte Billirubin getestet werden.

Übung: Die Leber dehnen
Diese Übung löst leichte Verklebungen der umgebenden faszialen Strukturen und schenkt dem Organ Raum zur (Selbst-)Entfaltung. Die Leberkapsel wird vom Nervus phrenicus versorgt, der den Halssegmenten C3-C5 des Rückenmarks entspringt. Eine Entspannung der Leberkapsel kann über diese Verbindung Blockaden in der mittleren Halswirbelsäule lösen. Nach der Übung ist es möglich, den Hals besser zu drehen. Nackenverspannungen lösen sich auf.

So geht‘s
Sie liegen auf der linken Seite über einem horizontal ausgerichteten Bolster oder einem großen, gerollten Sofakissen. Das Bolster ist so unter den Rippen platziert, dass diese gedehnt werden. Der Kopf liegt auf der Erde oder einem kleinen Kissen. Das untere Bein ist leicht gebeugt, das obere Bein gestreckt. Der untere Arm ist nach vorne ausgestreckt. Der obere Arm dehnt sich weit über die Flanke. Es entsteht Raum in der rechten Flanke. Der Atem fließt in die entstehenden Freiräume. Nach 2-3 Minuten wird die Übung beendet.

Tipp
Die Leber reagiert empfindlich auf chronischen Stress. Besonders in Führungspositionen oder in einem Umfeld, in dem es unmöglich ist, seine Fähigkeiten entfalten zu können, sollte auf die Gesundheit der Leber geachtet werden. Das gelingt am besten, wenn für ausreichend Schlaf (v.a. REM-Phasen) gesorgt wird, denn die Leber arbeitet und regeneriert nachts. Ein üppiges fett-, eiweiß- oder zuckerhaltiges Mahl nach 19 Uhr sollte vermieden werden. Resilienz- oder Achtsamkeitstraining hilft, um Herausforderungen stressfrei anzunehmen und die Leber zu entlasten.

Die Nieren

Die untere Begrenzung für den Nierenpol liegt in Höhe des dritten Lendenwirbels, die obere Begrenzung im Bereich des elften Brustwirbels. Während des Atemvorgangs verschiebt das Zwerchfell die Nieren im Bauchraum auf und ab. Dafür nutzen sie den in unmittelbarer Nähe befindlichen Iliopsoas-Muskel als Gleitschiene. Jede Niere ist von einer Kapsel umgeben, die sie mit dem umgebenden Gewebe verankert und vor äußeren Verletzungen schützt. In der außen liegenden Nierenrinde wird in den Nierenkörperchen der Urin gebildet. Im Inneren des Organs befindet sich das Nierenmark mit zahlreichen Blutgefäßen und Nierenkanälchen. Durch diese gelangt der gefilterte Urin über das Nierenbecken in den Harnleiter und zur Harnblase.

Der raffinierte anatomische Aufbau der Nieren ermöglicht ihre Funktion als Körperklärwerk. Sie filtern aus der sie durchströmenden Flüssigkeit Körpermüll, Giftstoffe und verbrauchte Moleküle heraus, um sie über den Urin auszuleiten. Alles, was der Körper noch gebrauchen kann, wird mit Wasser rückresorbiert. Daraus ergibt sich die zweite lebenswichtige Aufgabe der Nieren: Sie regulieren den Wasser-Elektrolyt-Haushalt im Körper und tragen zur Erhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts bei. Darüber hinaus entstehen in den Nieren wichtige Hormone zur Blutbildung. Aktives Vitamin D wird den Knochen zur Verfügung gestellt.

Folgende Nierenwerte sollten in keinem Blutbild fehlen: Cystatin C gibt Aufschluss über eine gute Nierenleistung und lässt früh eine Dysfunktion erkennen. Die glomeruläre Filtrationsrate ist ein zusätzlicher Parameter, um die Filterleistung der Niere genauer zu bestimmen. Zeigt das Blutlabor einen hohen Harnstoff- und Kaliumwert, aber einen niedrigen Natriumspiegel an, deutet das Ergebnis auf eine funktionelle Nierenstörung hin. Ein hoher Kreatininwert weist auf einen Funktionsverlust der Nieren von über 50% hin, deshalb eignet er sich nicht als Frühparameter.

In der TCM sind die Nieren die treibende Kraft für Regenerations- und Heilungsprozesse. Sind sie überfordert, entwickeln sich aufgrund ihrer Lage und Nähe zum Iliopsoas-Muskel häufig Schmerzen im unteren Rücken. Auch Knochenschmerzen und Hörprobleme zählen zu den Nierensymptomen.

Übung: Die lumbale Faszie ausrollen
Die folgende Eigenmobilisation hilft, wenn Sie schon früh morgens Schmerzen in der Lendenwirbelsäule spüren, die einhergehen mit einem steifen, unbeweglichen Gefühl. Bei dieser Übung wird die lumbale Rückenfaszie wie ein Kuchenteig ausgerollt und mobilisiert. Dadurch werden gestaute Flüssigkeiten bewegt. Der Druck auf das Gewebe der Lendenwirbelsäule löst sich auf. Die Nieren erfahren deutliche Entlastung. Reflektorisch sinkt der Tonus im M. iliopsoas. Da der Muskel mit einigen Fasern in das Zwerchfell zieht, kann so auch eine positive Wirkung auf die Zwerchfellbewegung erzielt werden.

So geht’s
Setzen Sie sich mittig auf eine Faszienrolle. Stellen Sie die Füße auf der Matte auf und stützen Sie sich mit den Händen ab. Rollen Sie langsam über das ganze Gesäß, über den Beckenkamm bis in die Kuhle der Lendenwirbelsäule … und wieder zurück. Lassen Sie sich Zeit! Pro Atemzug rollen Sie nur 2-3 cm Fasziengewebe aus. Die Übung ist beendet, wenn Sie eine deutliche Entspannung im unteren Rücken spüren.

Tipp
Die Nieren sind in der TCM nicht nur die treibende Kraft für Regenerations- und Heilungsprozesse. Sie schützen auch die Essenz, also die Energie, die wir mit der Geburt für unser Leben zur Verfügung gestellt bekommen. Ist die Lebensenergie verbraucht, stirbt der Mensch nach Auffassung der TCM. Chronischer Stress und Druck, zu wenig Schlaf, Süchte, exzessiver Lebensstil und Bewegungsmangel sind einige Faktoren, die besonders viel Lebensenergie verzehren. Wer diese Faktoren vermeidet, soll länger leben.

Die Milz und der Magen

Bei diesen beiden Organen handelt es sich um ein eingespieltes Team. Auf der Körperrückseite spricht der Raum zwischen dem fünften und dem siebten Brustwirbel den Bereich von Milz und Magen durch nervale Verbindungen an.

Der Magen nimmt ankommende Nahrungsbestandteile auf, verdaut sie vor und leitet sie weiter zum Dünndarm. Die in ihm gebildete Magensäure dient nicht nur der Verdauung. Sie agiert ebenso als Schutzbarriere und soll eliminieren, was nicht in den Körper gelangen sollte: Schadstoffe, Viren, Bakterien, Salmonellen etc.

Die Milz bildet als das größte Organ des Immunsystems spezielle Abwehrzellen aus, mit deren Hilfe Viren und Bakterien aus dem Blut entfernt werden können. Täglich fließen mehrere Liter Blut durch ihre schwammartige Struktur. Alte, fehlerhafte und verformte rote Blutkörperchen bleiben hier hängen und werden herausgefiltert, die Blutbildung wird hierdurch angeregt („Blutmauserung“). In der Schulmedizin findet die Milz als Organ kaum Beachtung; man geht davon aus, dass andere Strukturen ihre Funktion übernehmen können. Ganz anders in der TCM: Hier gilt sie als DIE zentrale Kraft der Mitte und ist maßgeblich an der Gesunderhaltung des gesamten Körper-Geist-Systems beteiligt.

Die Milz zählt in der TCM aufgrund ihrer Fähigkeit, Trübes und Klares zu trennen, zu den Verdauungsorganen. Zusammen mit dem Magen erscheint sie somit in der Lage, den gesamten Körper aufzuräumen und die übrigen Bauchorgane gesund zu halten.

Die Milz hat keine eigenen spezifischen Laborparameter. Ein erhöhter Bilirubinwert und ein niedriger Lymphozytenwert können aber als Zeichen einer Funktionsstörung der Blutbildung und -mauserung auffallen. Die aufschlussreichste Diagnostik des Magens ist durch die Gastroskopie gegeben. Auch eine Stuhlprobe oder ein Test auf Helicobacter pylori helfen in der Diagnostik weiter.

Übung: Der linke Schnürsenkel
Die folgende Übung ist leicht und schnell in den Alltag einzubauen. Sie wirkt wie eine sanfte Magendrainage und unterstützt die Milz in der Blutmauserung. Darüber hinaus hat sie auch eine entspannende Wirkung auf das gesamte Körper-Geist-System.

So geht’s
Winkeln Sie im Sitzen das rechte Knie an. Stellen Sie den linken Fuß über das rechte Knie zur Erde. Umarmen Sie das linke Knie und neigen Sie den Oberkörper und den Kopf in die Beugestellung. Sie spüren durch das Anstellen des Knies einen leichten Druck im linken Rippenbogen. Lenken Sie die Atmung unter den linken Rippenbogen. Sie können diese Position bis zu 3 Minuten halten.

Tipp
Die Milz hat ihr Leistungshoch morgens zwischen 9 und 11 Uhr. Für einen guten Start in den Tag benötigt sie ein nährstoffreiches und süßes Frühstück. Besonders gut bekommt ihr ein warmes, leicht breiiges Müsli mit vielen Nährstoffen und hochwertigen Ballaststoffen. Eine regionale Fruchtsorte, wie z.B. ein Bio-Apfel, wertet das Milzfrühstück auf. Die TCM geht davon aus, dass die Milz aus diesem guten Speisebrei neue Energie und frisches Blut produziert und an alle Organe gewinnbringend verteilt.

Der Darm

ist mit einer Fläche von ca. 300 m2 nicht nur das größte Bauchorgan, sondern er bietet auch einen wichtigen Lebensraum für Billionen Bakterien. Dünn- und Dickdarm zusammen verwerten den Speisebrei. Nach der chinesischen Organuhr erreicht der Dünndarm seine maximale Verdauungskraft zwischen 13 und 15 Uhr. In dieser Zeitspanne sollte die Hauptmahlzeit des Tages gegessen werden. Der Dickdarm erreicht seine Höchstform morgens zwischen 5 und 7 Uhr. Wenn er über
Nacht ungestört arbeiten konnte, präsentiert er das Ergebnis als gut geformten Stuhlgang am Morgen.

In der Ayurvedischen Medizin ist die morgendliche Analyse des Stuhls Bestandteil der Diagnostik. Sie gibt einen schnellen Überblick über die Darmfunktion und ermöglicht effizientes Handeln. Eine harte Stuhlprobe z.B., die wie Hasenköddel aussieht, weist auf eine Verstopfung des Darms hin. Insgesamt wird dem Darm Flüssigkeit fehlen. Eine wechselhafte Stuhlprobe gibt wiederum einen Hinweis auf mögliche Engstellen im linken Darmabschnitt oder auf einen Reizdarm.

Übung: Mobilisation mit dem Faszienball

Mit der folgenden Eigenmobilisation werden Bauchfaszie und Solarplexus mobilisiert. Selbst tiefe myofasziale Schichten und Darmpassagen können hierüber erreicht werden. Durch das Lösen und Mobilisieren der faszialen Strukturen im Bauchraum wird die Peristaltik im Darm positiv beeinflusst. Die Ausscheidung funktioniert besser. Die Bildung von Toxinen durch lange Gärprozesse wird vermieden. Bauchkrämpfe und Schmerzen unter dem Kreuzbein und der Lendenwirbelsäule können sich auflösen, denn auch die Darmaufhängung an der Wirbelsäule wird entlastet.

So geht’s
Legen Sie sich in Bauchlage auf einen Faszienball. In den folgenden Positionen so lange einwirken lassen, bis der Druck an der jeweiligen Stelle spürbar nachlässt. Versuchen Sie, ruhig und tief zu atmen.

  • Position I
    Der Faszienball ruht zwischen Bauchnabel und Schambein.
  • Position II
    Hier wirkt er mittig auf einer gedachten Linie zwischen rechter Beckenschaufel und Bauchnabel.
  • Position III
    Nun liegt der Faszienball mittig auf einer Linie zwischen Brustbeinspitze und Bauchnabel.
  • Position IV
    Abschließend ruht er auf einer Linie zwischen linker Beckenschaufel und Bauchnabel.

Tipp
In der TCM werden dem Darm auf der emotionalen Ebene die Themen „Trennen“ und „Loslassen“ zugesprochen. Daran sollte man denken, wenn ein Patient nach einer Trennung oder dem Tod eines geliebten Menschen mit Darmproblemen zu kämpfen hat. Mit der vorgestellten Selbstmobilisation für den Darm wird daher nicht nur die Peristaltik angeregt; sie kann auch helfen, anhaftende Gefühle zu befreien und loszulassen.

Fazit

Automobilisierende Übungen sind ein wichtiges Werkzeug für jeden Therapeuten, um den Patienten aktiv in die Behandlung einbinden zu können. Darüber hinaus sind sie eine wertvolle Hilfestellung, um als Therapeut nach einer fordernden Behandlung zurück zur eigenen Kraft zu finden.

Friederike ReumannFriederike Reumann
Heilpraktikerin und Physiotherapeutin in eigener Praxis
mit YogaLoft, Schwerpunkte: Osteopathie und TCM.
mailbox@physioplus-neustadt.de

Buch-Tipp
Friederike Reumann:
Ich hör‘ auf mein Bauchgefühl.
Das geheime Wissen unserer Bauchorgane.
Lüchow Verlag, 2020

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