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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2020

Selbstliebe als Abnehmgeheimnis

Cover

Ein Leitfaden für die Coaching-Praxis

Während es noch vor wenigen Jahren nahezu verpönt war, von Selbstliebe zu sprechen und sie zu leben, ist dieser Begriff inzwischen zum Modewort avanciert. Selbstliebe ist heute in aller Munde – und jetzt soll sie auch noch beim Abnehmen helfen? Der Artikel geht dieser Frage nach und beschreibt, warum es alles andere als egoistisch ist, sich selbst zu lieben und warum „Coaching statt Diät“ der langfristig bessere Weg hin zum Wunschgewicht ist.

Was ist Selbstliebe?

Eine optimale Beziehung zu sich selbst zu haben, gut für sich zu sorgen und sich genau so anzunehmen, wie man ist – so definiere ich den Begriff Selbstliebe. Das bedeutet auch, sich seiner Stärken bewusst zu sein und vollauf zu vorhandenen Schwächen zu stehen.

Nobody is perfect!

Wir alle möchten möglichst perfekt sein, um bestimmten Idealen oder Erwartungen zu entsprechen, um Anerkennung zu ernten oder um weniger verletzbar zu sein. Aus welchen Beweggründen auch immer wir nach Perfektion streben: Tatsächlich ist es doch erst das Imperfekte, das uns besonders und zu etwas Einzigartigem macht. Wie langweilig wäre es, wenn wir alle perfekt und somit gleich und austauschbar wären?! Was hätten wir einander zu erzählen? Worin läge der Reiz, einen anderen Menschen kennenzulernen und Zeit mit ihm zu verbringen?

Wir alle haben Ecken und Kanten, und das ist gut so. Unsere Aufgabe ist es, auf liebevolle Art und Weise damit umzugehen, ohne Selbsthass und ständige Selbstvorwürfe. Es geht darum, die eigenen Stärken zu stärken und selbst-mitfühlend an (vermeintlichen) Schwächen zu arbeiten.

Der erste Schritt hin zu mehr Selbstliebe ist, beides bewusst wahrzunehmen und anzuerkennen. Denn auf der einen Seite ist es alles andere als hilfreich, seine Stärken nicht anzunehmen, sich u.U. sogar für Erfolge zu schämen, aus Angst, dass andere Menschen sich deshalb schlecht oder minderwertig fühlen könnten. (Gerade in Deutschland scheint das ein Thema zu sein; in anderen Ländern zeigt man häufig mit Stolz, was man hat oder kann.) Auf der anderen Seite lässt sich kaum erfolgreich an einer Schwäche arbeiten, wenn sie unterdrückt wird und nicht sein darf. Wenn es uns gelingt, zu unseren Stärken und Schwächen gleichermaßen zu stehen, dann löst sich die Abhängigkeit vom Außen und wir kehren mit unserem Fokus wieder zurück zu uns selbst. Selbstliebe führt aus der Bedürftigkeit in die eigene Kraft!

Selbstliebe vs. Egoismus

Auf sich selbst zu achten und den eigenen Bedürfnissen nachzukommen, hat nichts mit Selbstverliebtheit oder Eigennutz zu tun. Im Gegenteil: Gut für sich zu sorgen ist die Grundvoraussetzung dafür, anderen Menschen etwas (wieder-)geben zu können. Schon in der Bibel heißt es: „Liebe deinen nächsten wie dich selbst“. Nur wer sich selbst liebt, kann frei uns bedingungslos lieben. Nur wer in seiner eigenen Kraft ist, kann für andere sorgen, ohne selbst daran zu leiden. Ein einfaches, aber sehr prägnantes Beispiel hierfür ist die Sicherheitseinweisung im Flugzeug, nach der Eltern im Fall eines Druckabfalls in der Kabine sich die Sauerstoffmaske anziehen und erst dann ihre Kinder dabei unterstützen sollen. Niemandem wäre geholfen, wenn eine Mutter bei dem Versuch, ihr Kind zuerst zu versorgen, selbst das Bewusstsein verlöre. Hier kann der Selbstschutz im Ernstfall sogar Leben retten.

Welche Vorteile hat Selbstliebe?

Wer gut für sich sorgt und sich selbst so annimmt, wie er ist, der

  • kann authentisch leben und muss sich nicht länger verbiegen, um anderen zu gefallen.
  • kann Grenzen setzen und aufhören, „Ja“ zu sagen, obwohl er „Nein“ denkt. Er muss keinen Job mehr machen, der ihn krank macht, weil er keine äußeren Erwartungen mehr erfüllen will.
  • kann auf Bestätigung durch andere verzichten. Er wird kaum noch dazu verleitet, etwas „Dummes“ zu tun, um die ersehnte Anerkennung zu erlangen. Tatsächlich ist genau dieser Punkt – die emotionale Abhängigkeit vom Außen – der Ursprung egoistischen Verhaltens.
  • muss keine Besitztümer anhäufen, um etwas wert zu sein.
  • kann sich weitestgehend frei machen von gesellschaftlichen Normen, weil er weiß, was das Beste für ihn ist. Dadurch kann er anderen Menschen gegenüber toleranter werden, weil er kein Bedürfnis mehr hat, sich zu vergleichen.
  • kann auch dann noch seinen Weg gehen, wenn niemand an ihn glaubt, weil es reicht, an sich selbst zu glauben.
  • hat mehr Kraft und gedankliche Freiheit, um sich für andere Menschen einzusetzen. Authentische und klare Menschen, die sich selbst lieben, strahlen von innen heraus und stecken andere mit ihrer Energie, ihrem Selbstvertrauen und ihrer positiven Art an.

Was hat das alles mit dem Abnehmen zu tun?

Die Antwort auf diese Frage ist sehr einfach: Wer sich selbst wertschätzt, wird automatisch stärker darauf achten, Gutes für sich zu tun. Das gilt auch für die körperliche Gesundheit. Das bedeutet, sich weniger von äußeren Schönheitsidealen abhängig zu machen, sondern immer häufiger im eigenen besten Sinne zu handeln. Weder zu hungern noch sich mit Essen vollzustopfen, selbst wenn der körperliche Hunger längst gestillt ist; sondern ein natürliches Essverhalten zu entwickeln, das dem Körper guttut.

Essen ist emotional verknüpft

Hinzu kommt, dass wir häufig versuchen, mit Essen etwas „aufzufüllen“, was uns auf der emotionalen Ebene fehlt. Geht es uns besser oder fühlen wir uns grundsätzlich wohl, haben wir weniger Grund, die innere Unzufriedenheit oder Dysbalance zu kompensieren.

Sobald man anfängt, mehr auf sich zu achten, wird man mit der Zeit immer deutlicher spüren, was in einer bestimmten Situation anstelle von Essen benötigt wird. Wer z.B. dazu neigt, bei Stress zu essen, für den könnte es bedeuten, dass er in diesen Momenten eine Pause braucht, dass er sich besser organisieren sollte, dass mehr Bewegung oder mehr Schlaf nötig sind etc.

Wenn man die eigentlichen Ursachen für das Essverhalten erkennt und die Konsequenzen daraus umsetzt, können sie langfristig sehr viel mehr geben als das Stück Schokolade oder die Portion Pommes, die unmittelbar Befriedigung verschaffen.

Einen guten Anfang finden

Das Schöne an gelebter Selbstliebe ist die positive Selbstverstärkung. Denn wer sie praktiziert, wird weniger Dinge in seinem Leben haben, die unglücklich machen. Und emotional getriggertes Essen wird so gut wie überflüssig.

Um dort hinzugelangen, ist erst mehr Liebe und Wertschätzung sich selbst gegenüber notwendig. Wen das eigene Essverhalten oder Gewicht schon lange beschäftigt und unglücklich macht, muss in Vorleistung treten. Der sollte für dieses Thema genug Zeit einplanen, damit all das Beschriebene bewusst gemacht werden kann. Der sollte es sich wert sein, die Ursprünge für das eigene Essverhalten zu ergründen, damit der Fokus anschließend achtsam auf die dauerhafte und ganzheitliche Lösung der eigentlichen Bedürfnisse gelenkt werden kann. Auch wenn das vielleicht bedeutet, hin und wieder auch mal „Nein“ zu anderen zu sagen.

Einen guten Einstieg zu finden, fällt vielen schwer. Deswegen ist es meiner Meinung nach wichtig, möglichst niedrigschwellige Ansätze zur Unterstützung anzubieten. In meiner Coaching-Praxis arbeite ich erfolgreich u.a. mit einem mehrwöchigen Programm, das dem Klienten Raum und Zeit gibt, an sich und dem eigenen Gewicht zu arbeiten, wobei die Persönlichkeitsentwicklung im Fokus steht.

Selbstliebe lernen – ist das möglich?

Ganz klar: Ja! Es gibt jedoch viele verschiedene Herangehensweisen, und jeder muss für sich herausfinden, welcher individuelle Weg zu ihm passt. Deshalb kommt man um ein Ausprobieren kaum herum. Aus demselben Grund kann ich hier nur eine Auswahl möglicher Ansätze angeben.

Da wären z.B. hypnotherapeutische Methoden, die dazu dienen, Selbstliebe nicht nur über den Verstand zu lernen, sondern über die Gefühlsebene zu verankern.

Die Arbeit mit positiven Affirmationen ist ebenso hochwirksam. Sie kann dem häufig leider sehr negativen inneren Dialog entgegenwirken. Die laut oder leise wiederholt ausgesprochenen, klar und positiv formulierten Sätze sollen das Unterbewusstsein mit neuen, selbstbejahenden Informationen versorgen.

Eine weitere effektive Methode ist das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs. Denn obwohl wir alle jeden Tag sehr viel leisten (Familie, Job, Haushalt etc.), haben wir trotzdem oft das Gefühl, nicht zu genügen und sind unzufrieden mit uns. Indem wir täglich notieren, für was wir dankbar sind, können wir üben, unsere Leistungen bewusster wahrzunehmen und mehr Zufriedenheit zu verspüren – mit entsprechender Rückkopplung auf der Körperebene.

Eine sehr einfache Herangehensweise ist die Spiegelübung. Sie kann als Ritual in den Alltag eingebaut werden und funktioniert folgendermaßen:

Gönne dir jeden Tag einen Moment, um dich selbst zu erkennen. Stelle dich morgens oder abends vor den Spiegel und schaue dir selbst tief in die Augen. Sie sind das Tor zu deiner Seele. Dann sagst du:

  • „[Deinen Namen], ich bin stolz auf dich, dass … (mindestens 2 Dinge)“.
  • „[Deinen Namen], ich gönne dir, dass … (mindestens 2 Dinge)“.
  • „[Deinen Namen], ich liebe dich“.

Damit du regelmäßig daran denkst, kannst du einen Post-it mit deinem Namen an den Spiegel kleben.

Fazit

Bei der Arbeit mit übergewichtigen Klienten, die gerne ein paar Kilos verlieren möchten, ist es meines Erachtens wichtig, gleich den Kern des Problems anzugehen, anstatt das Symptom „Übergewicht“ ausschließlich mit Ernährungsplänen und Sporttipps zu behandeln. Dass Menschen zu viele Pfunde auf die Waage bringen, ist oft das Ergebnis einer Kompensationsreaktion, über die sie bestimmte Emotionen kanalisieren – das Übergewicht entsteht nicht nur aus Faulheit oder undiszipliniertem Verhalten!

Meine Klienten müssen im Rahmen des Entwicklungsprozesses nicht nur auf z.B. Schokolade verzichten, sondern v.a. auf das Ventil, das ihnen auf der emotionalen Ebene Erleichterung verschafft. Deshalb ist es ratsam, sowohl neue Strategien zu erarbeiten, um mit Emotionen anders umzugehen, als auch nach den Ursachen zu forschen, die das Kompensationsverhalten auslösen. Darauf aufbauend lassen sich Wege und Strategien aufzeigen, wie diese Emotionen reduziert werden können – egal ob es sich um Stress, Angst, Trauer, Frust oder Langeweile handelt.

Die Macht der Psychologie verhilft dazu, neue Gewohnheiten zu entwickeln und alte Überzeugungen abzulegen, sodass mit der Zeit ein natürlicher, „schlanker“ Lifestyle etabliert werden kann. Mit dem Wissen darum, dass Essen spezifische emotionale Hintergründe hat, konkreten Übungen und Mentaltraining kann ich Abnehmwilligen dabei helfen, ihr Unterbewusstes gezielt auf das individuelle Wunschgewicht zu programmieren. Dieser Coaching-Ansatz ist bei sehr vielen Klienten erfolgreich, ohne dass parallel eine Diät eingehalten oder ein Sportprogramm absolviert werden muss. Denn sobald das Unterbewusstsein aktiv mit dem Klienten zusammenarbeitet, wird Abnehmen auf die gleiche Weise funktionieren wie Zunehmen: automatisch!

Julia SahmJulia Sahm
Heilpraktikerin für Psychotherapie,
Life Coach, professionelle Sportlerin und Buchautorin
julia@shinecoaching.de

Buch-Tipp
Julia Sahm:
Lifestyle Schlank –
Selbstcoaching statt Diät.
Copress Sport Verlag, 2019

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