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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2020

Arzneimittel in der Heilpraktikerpraxis – Teil 1

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Checkliste, Erklärungen, Tipps und mehr

Die Arzneimitteltherapie stellt einen wichtigen Grundpfeiler in der naturheilkundlichen Praxis dar. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur gut mit den Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente, die wir verordnen, auskennen, sondern auch sicher mit Arzneimitteln in der Praxis umgehen müssen. Das Arzneimittelrecht ist komplex und nicht für jeden leicht durchschaubar.

Laut § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmte Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden ausgestattet sind. Außerdem Stoffe, die physiologische Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherstellen, korrigieren, beeinflussen oder helfen, eine medizinische Diagnose zu stellen.

Diese Checkliste soll Sie darin unterstützen, die wichtigsten Aspekte im Umgang mit Arzneimitteln in der Heilpraktikerpraxis zu beachten.

A wie Apothekenpflichtige Arzneimittel

Wie es der Begriff schon vermuten lässt: Apothekenpflichtige Arzneimittel dürfen nur in Apotheken abgegeben und verkauft werden, nicht vom Heilpraktiker. Diese nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel haben ein vertretbares oder bekanntes Ausmaß an möglichen Nebenwirkungen, sodass sie keiner „ärztlichen Überwachung“ bedürfen und eine Beratung über die Wirkungen und Nebenwirkungen des Arzneimittels in der Apotheke ausreichend ist.

A wie Arzneimittel-Richtlinie (AMRL)

Die AM-RL betrifft uns nur am Rande. Allerdings sollten wir sie zumindest namentlich und ihren Zweck kennen.

„Die Arzneimittel-Richtlinie konkretisiert den Inhalt und Umfang der im SGB V festgelegten Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Die Grundlage bildet dabei das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sinne einer notwendigen, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und des Prinzips einer humanen Krankenbehandlung. Die Richtlinie stellt strukturiert und transparent die hohe Regelungsdichte im Arzneimittelsektor dar.“ (vgl. G-BA, 2015)

A wie Arzneimittelschrank

Eine der zentralsten Anforderungen an den Arzneimittelschrank ist, dass er abschließbar und konsequent nach einem einheitlichen System (Alphabet, Indikationen, Anwendungen, Arzneiformen) sortiert ist. Wichtig ist, dass einmal im Monat eine Kontrolle des Arzneimittelbestandes erfolgt. Abgelaufene oder nicht mehr verwendbare Arzneimittel müssen aussortiert werden. Das FEFO-Prinzip („First expired, first out“) besagt: Zuerst eingelagerte Packungen werden zuerst verbraucht. Die periodische Kontrolle des Arzneimittelschrankes ist zu dokumentieren.

A wie Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV)

Diese legt fest, welche Arzneimittel von Apotheken nur auf Vorlage eines durch einen Arzt, Tierarzt oder Zahnarzt ausgestellten Rezeptes abgegeben
werden dürfen, und bestimmt, welche Angaben auf dem Rezept zu machen sind.

Wichtiger Teil der AMVV ist ihre Anlage 1, die Sie sich regelmäßig anschauen sollten, da sie immer wieder ergänzt wird und die Stoffe und Zubereitungen listet, die verschreibungspflichtig sind, und wiederum gewisse Ausnahmen von der Verschreibungspflicht festlegt.

Bitte beachten Sie: Verschreibungspflichtig sind z.B. auch

  • Blutzubereitungen humanen Ursprungs zur arzneilichen Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
  • Hyaluronsäure zur intraartikulären Anwendung

Lidocain

  • ausgenommen Arzneimittel zur parenteralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in einer Konzentration bis zu 2% zur intrakutanen Anwendung an der gesunden Haut im Rahmen der Neuraltherapie
  • ausgenommen Arzneimittel zur subkutanen und intramuskulären Infiltrationsanästhesie zur Durchführung von Dammschnitten und zum Nähen von Dammschnitten und -rissen im Rahmen der Geburt in einer Konzentration von bis zu 1%, einer Einzeldosis von bis zu 10 ml und einer Menge von bis zu 10 ml je Ampulle zur Abgabe an Hebammen und Entbindungspfleger im Rahmen ihrer Berufsausübung
  • ausgenommen Arzneimittel zum Aufbringen auf die Haut oder Schleimhaut, außer
    a) zur Anwendung am Auge und am äußeren Gehörgang
    b) zur Linderung von neuropathischen Schmerzen nach einer Herpes-Zoster-Infektion (Post-Zoster-Neuralgie)

Melatonin

  • ausgenommen Arzneimittel zur parenteralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in Konzentrationen bis zu 2% zur intrakutanen Anwendung an der gesunden Haut im Rahmen der Neuraltherapie

Procain

  • ausgenommen Arzneimittel zum Aufbringen auf die Haut oder Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge

B wie Bedenkliche Arzneimittel

§ 5 Verbot bedenklicher Arzneimittel (AMG)

1) Es ist verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden.

2) Bedenklich sind Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Ein Beispiel für ein bedenkliches Arzneimittel ist Amygdalin, eine natürliche Substanz, die z.B. in bitteren Aprikosen-, Pfirsich-, Pflaumen- und Mandelkernen vorkommt.

Informationen hierzu finden Sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie beim Bundesinstitut für Risikobewertung (aktualisierte Stellungnahme Nr. 009/2015 des BfR vom 7. April 2015).

B wie Betäubungsmittelverordnung

Betäubungsmittel (BtM) dürfen ausschließlich von Ärzten verordnet werden. Dafür gibt es das „Gelbe Rezept“. In der „Roten Liste“ sind Betäubungsmittel mit „btm“ gekennzeichnet.

Ausnahmen vom Betäubungsmittelgesetz sind Opium ab der Potenz D6 und Papaver somniferum ab der Potenz D4.

Wichtig: Sollten Sie auf die Idee kommen, irgendwelche Betäubungsmittel zu verabreichen, kann das mit einer Freiheitsstrafe von bis 5 Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Im schlimmsten Fall droht der Verlust Ihrer Heilpraktikererlaubnis!

E wie Entsorgung

Sammeln Sie Alt-Arzneimittel zugriffssicher, um Arzneimittelmissbrauch und eine Gefährdung anderer Personen auszuschließen. Ansonsten werden an die Arzneimittel, die bei uns zur Entsorgung anfallen, keine besonderen Anforderungen gestellt.

Sofern die Gebrauchsinformation (Beipackzettel) eines Arzneimittels keine speziellen Hinweise für die Entsorgung enthält, können diese in zugelassene Abfallverbrennungsanlagen (Hausmüllverbrennung) gebracht werden. Dort werden die in Alt-Arzneimitteln enthaltenen Schadstoffe weitgehend zerstört oder inaktiviert und können nicht mehr in unsere Umwelt gelangen.

Wichtig: Damit unser Abwasser nicht mit Arzneimitteln belastet wird, entsorgen Sie bitte Alt-Arzneimittel nicht über die Spüle oder die
Toilette. Glasbehälter, in denen sich Arzneimittelreste befinden, sollen nicht mit Wasser ausgespült werden.

Bei der Einordnung Ihrer Abfälle hilft Ihnen die „Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes“ (Stand: Januar 2015), zu finden auf der Website des RKI.

F wie Freiverkäufliche Arzneimittel

Diese Arzneimittel sind weder apotheken- noch rezeptpflichtig, sprich verschreibungspflichtig. Sie haben einen anderen Zweck als zur „Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden“. Dazu gehören z.B. Heilerde, Bademoore, Pflanzenpresssäfte, Desinfektionsmittel, bestimmte Tees oder Vitaminpräparate.

G wie Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG)

Das Arzneimittelgesetz regelt den Verkehr mit Arzneimitteln in Deutschland. Wesentliche Forderung ist die Qualität, die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit der Arzneimittel als Basis für Arzneimitteltherapiesicherheit und ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung.

Das AMG ist in 18 Abschnitte gegliedert. Wichtig davon sind v.a. folgende:

  • Begriffsbestimmungen (u.a. Definition des Arzneimittelbegriffes)
  • Allgemeine Anforderungen an Arzneimittel
  • Herstellung von Arzneimitteln
  • Zulassung und Registrierung von Fertigarzneimitteln
  • Abgabe von Arzneimitteln
  • Sicherung und Kontrolle der Qualität
  • Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisiken
  • Überwachung

H wie Händedesinfektionsmittel

Dabei handelt es sich laut Definition um Arzneimittel. Achten Sie darauf, dass Sie nur Desinfektionsmittel verwenden, die VAH- oder RKI-gelistet sind, also vom Verbund für Angewandte Hygiene oder vom Robert-Koch-Institut empfohlen werden. Vermerken Sie das Ablaufdatum auf den Behältern. Benutzen Sie nur Einmalflaschen. Um- oder Nachfüllen gilt als „Herstellungsprozess“ und darf nur unter aseptischen Bedingungen in einer Apotheke erfolgen, sonst besteht die Gefahr der Verkeimung.

H wie Herstellungserlaubnis

Grundsätzlich darf der Heilpraktiker keine Arzneimittel in seiner Praxis herstellen. Eine Ausnahmeregelung beinhaltet § 13 Abs. 2b des Arzneimittelgesetzes (AMG). Demnach dürfen Sie ausnahmsweise bei Ihrer Tätigkeit ein Arzneimittel (z.B. Mischinfusionen und -injektionen) erlaubnisfrei herstellen, wenn dieses „ausschließlich zur persönlichen Anwendung“ bei einem „bestimmten Patienten“ vorgesehen ist.

Der Begriff „Herstellen“ wird in § 4 Abs. 14 des AMG definiert: „Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe.“

Das bedeutet: Auch wenn Sie in Ihrer Praxis einen Tee umfüllen und abpacken wollen, fällt das unter den Begriff „Herstellung“.

Wenn Sie Mischinfusionen oder -injektionen herstellen, ist die „Auslegungshilfe für die Überwachung der erlaubnisfreien Herstellung von sterilen Arzneimitteln, insbesondere Parenteralia, durch Ärzte oder sonst zur Heilkunde befugte Personen gemäß § 13 Abs. 2b Arzneimittelgesetz (AMG)“ zu beachten.

Die Auslegungshilfe finden Sie auf unserer Verbandswebsite unter „Aktuelles/Recht“, eine Checkliste zur Risikobewertung im Mitgliederbereich unter „Downloads/Recht/Herstellung von Injektionslösungen“.

Für die Arzneimittelherstellung besteht nach § 67 AMG eine „Allgemeine Anzeigenpflicht“. Die Anzeige geht an die für die Arzneimittelüberwachung zuständige Gewerbeaufsicht.

I wie Information

„Res omnes venena sunt, dosis sola facit venenum.“ = „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht‘s, dass ein Ding kein Gift sei.“ (Paracelsus)

Verwenden Sie nie ein Arzneimittel, über das Sie nicht ausreichend informiert sind. Studieren Sie die verschiedenen Kompendien und Präparatelisten der naturheilkundlichen Arzneimittelhersteller, machen Sie sich mit den Präparaten vertraut und achten Sie darauf, dass Sie stets auf dem neuesten Stand sind.

Informieren Sie sich über die (schulmedizinischen) Medikamente, die Ihre Patienten bereits einnehmen, sowie die Präparate, die Ihre Patienten sich selbst „verordnet“ haben.

Hilfreiche Nachschlagewerke sind die „Rote Liste“ und die „Gelbe Liste“ sowie bei älteren Patienten die „Priscus-Liste“, die „potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen“ aufführt.

I wie Injektions- und Infusionslösungen

Verabreichen Sie nur Injektions- und Infusionslösungen, mit deren Wirkungen und Nebenwirkungen Sie sich gut auskennen und deren mögliche Risiken Sie beherrschen.

Bei der Vorbereitung und Verabreichung von Injektions- und Infusionslösungen sind zur Vermeidung von Infektionen folgende Hygienemaßnahmen zu beachten:

  • Vor dem Herrichten von Arzneimitteln und Materialien für Injektionen/Infusionen ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen.
  • Arbeitsflächen müssen vorher wischdesinfiziert und bei zwischenzeitlichem Ablegen steriler Instrumente steril abgedeckt werden.
  • Gummisepten sind vor dem Einstechen mit alkoholischem Hautdesinfektionsmittel zu desinfizieren (Einwirkzeit beachten, das Desinfektionsmittel muss vor dem nächsten Schritt abgetrocknet sein). Ausnahme: Der Hersteller garantiert die Sterilität des Gummiseptums unter der Abdeckung.
  • Spritzen und Kanülen sind mit der „Peeloff-Technik“ aus den Sterilverpackungen zu entnehmen (nicht durchstechen!).
  • Injektionslösungen sind unmittelbar nach dem Herrichten zu verabreichen, der Zeitraum zwischen Vorbereitung und i.v.-Verabreichung darf 1 Stunde nicht überschreiten.
  • Alle Angaben des Arzneimittelherstellers sind zu beachten.
  • Alle Materialien, Injektions- und Infusionsflaschen werden vor dem Herrichten auf Auffälligkeiten und Haltbarkeit hin überprüft und ggf. verworfen.

Wichtig: Glas oder Kunststoff kann durch mechanische Einflüsse beim Transport oder Einfüllen (in Schachteln, Schränke, Schubladen) sowie beim „Fallenlassen“ feine Haarrisse bekommen, die für das bloße Auge unsichtbar sind. Das Eindringen von Mikroorganismen in Injektions-/Infusionslösungen ist dann möglich, es besteht Infektionsgefahr.

Als weiterführende Literatur eignet sich die Empfehlung der KRINKO: „Anforderungen an die Hygiene bei Punktionen und Injektionen“.

Dieser Beitrag wird im nächsten Heft fortgesetzt.

Sonja Kohn
Heilpraktikerin, Mitglied im Präsidium des Verbandes Unabhängiger Heilpraktiker e.V., Vorstandsbeirat
pressestelle@heilpraktikerverband.de

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