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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2020

Hände und Finger aus Sicht des Yoga

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Für das Meistern unseres täglichen Lebens sind unsere Hände und Finger sehr wichtig. Mit ihnen können wir Dinge erfühlen, sie ergreifen und benutzen. Diese „Werkzeuge“ sollten wir möglichst lange gesund erhalten. Es sind typischerweise altersbedingte Beschwerden, aber auch Krankheiten, die in jungen Jahren auftreten, die die Beweglichkeit von Händen und Fingern beeinträchtigen oder gar verhindern können. Hier sind v.a. Arthrose und Rheuma zu nennen. Dieser Artikel beschreibt Symbolik, Anatomie, Pathologien und gibt Tipps aus Sicht des Yoga.

Zentrale Rolle im Alltag

Wie sehr die Bedeutung von Händen und Fingern im Leben verankert ist, spiegelt sich in den zahlreichen Redewendungen wider, die einen Bezug zu ihnen haben. Beispiele:

  • alles im Griff haben
  • das Leben in den Griff bekommen
  • einen Sachverhalt erfassen
  • eine Chance ergreifen
  • etwas zu fassen bekommen
  • etwas ist griffig
  • Fingerfertigkeit
  • Handlungsfähigkeit
  • Fingerspitzengefühl
  • die rechte Hand von jemandem sein
  • zwei linke Hände haben
  • etwas rinnt durch die Finger

Begreifen und Lernen

Das Greifen spielt zu Beginn der Entwicklung eines Menschen eine große Rolle. Babys wollen alles in ihre kleinen Hände nehmen, Dinge umgreifen, sie betasten und mit ihren Sinnen wahrnehmen. So können sie optimal lernen. Tatsächlich befinden sich vielerlei sensorische Gebiete an den Fingerspitzen, mit denen wir besonders gut erfühlen können.

Die Redewendung „Das begreife ich nicht” bezieht sich auf diese Zeit und wird im späteren Leben auf das Verstehen von Sachverhalten übertragen. Dies fällt schwer, wenn die Aspekte eines Themas für eine Person abstrakt bleiben, sie keine eigene Erfahrung damit hat, die Dinge nicht sichtbar oder anzufassen sind.

Das Leben meistern

Es gilt, das Leben in den Griff zu bekommen; gelingt dies nicht, kann es einem entgleiten. Bezogen wird sich auf die Aspekte Selbstwirksamkeit und Kontrolle. Erkrankungen der Hände können hierfür die Ursache sein. Umgekehrt ist es möglich, dass sich Lebensthemen in Störungen oder Einschränkungen der Hände bemerkbar machen.

Manchmal geht es auch um Chancen, die man ergreifen sollte. Viele Menschen bekommen jedoch Angst und sind unsicher, ob sie die resultierenden Veränderungen auf sich nehmen sollen. Aufgrund innerer oder äußerer Umstände sind ihnen womöglich die Hände gebunden. Hier geht es um Selbstvertrauen und Lebensmut.

Anatomie

Die Hand, bestehend aus Handwurzel, Mittelhand und Fingern, befindet sich distal (körperfern) am Arm. Zusammen bilden sie eine anatomische und funktionelle Einheit.

Die Handwurzel hat 8 kleine Knochen:

  • Os scaphoideum – Kahnbein der Hand
  • Os lunatum – Mondbein
  • Os triquetum – Dreieckbein
  • Os pisiforme – Erbsenbein
  • Os trapezium – Trapezbein
  • Os trapezoideum – Trapezoidbein
  • Os capitatum – Kopfbein
  • Os hamatum – Hakenbein

Weiter distal liegen die 5 röhrenförmigen Mittelhandknochen, an denen die 5 Finger befestigt sind. Jene bestehen aus jeweils 3 Knochen. Die Ausnahme bildet der Daumen, der nur 2 Knochen hat. Das Grundgelenk des Daumens ist ein Sattelgelenk. Die anderen Fingergrundgelenke sind Kugelgelenke. Über das Handgelenk verbinden sich die Handwurzelknochen mit den Knochen des Unterarmes: Elle und Speiche.

Aufgrund ihrer Gelenkstrukturen besitzen die Hände und Finger eine große Beweglichkeit und Flexibilität, die bei all unseren Handlungen gebraucht wird. Im Gegensatz zu den Beinen und Füßen, die für Standfestigkeit und Halt stehen und das Alter symbolisieren, haben Hände und Finger eine jugendliche Ausstrahlung.

Im Yoga kennt man „Marmas“. Das sind Orte, wo sich etwas Vitales in Form von Energie befindet. Man findet sie oft in Gelenken, z.B. in Schulter-, Hüft-, Hand- und Sprunggelenk, aber auch an anderen Stellen, z.B. Gaumen und Hirnstamm. Es gilt, die Marmas mit Hilfe von Yogaübungen zu aktivieren, damit dort Energie fließen kann. Dies geschieht durch Druck, Zug und Spannung im jeweiligen Bereich. Beispielsweise stehen die in den Handgelenken befindlichen wichtigen Marmas in Verbindung mit der Nase. Drückt man das Handgelenk, so wird das Nasenloch auf der gegenüberliegenden Körperseite geöffnet.

Typische Pathologien

Krankheiten der Hände sind vielseitig, können die einzelnen Strukturen betreffen oder mehrere gleichzeitig erfassen. Häufig anzutreffen sind:

  • Rheumatische Erkrankungen
  • Gicht
  • Morbus Raynaud
  • Karpaltunnelsyndrom

Rheumatische Erkrankungen

Die verschiedensten Körperstrukturen können befallen sein. An Händen und Fingern stellen sich je nach Rheumaform Entzündungen, Schmerzen, Steifigkeit und Bewegungseinschränkungen ein. Schwere Verläufe führen zu Deformationen. Aufgrund des chronischen und in Schüben verlaufenden entzündlichen Prozesses, der vielfach schulmedizinisch nicht zu ergründen ist, fällt es Betroffenen oft schwer, am Leben teilzunehmen oder den Alltag zu bewältigen.

Im ganzheitlichen Kontext können Fragen gestellt werden wie:

  • „Was reizt mich so stark, dass ich mich innerlich entzünde?“
  • „Welches Lebensthema kommt immer wieder und verursacht Schmerzen?“

Gicht

Es handelt sich um eine Stoffwechselerkrankung, bei der der Harnsäurespiegel im Serum erhöht ist. Gicht kann zu schmerzhaften Entzündungen der Gewebestrukturen führen. Es ist möglich, dass es zur Ablagerung von Uratkristallen kommt, die die Gelenke zerstören. Sie sind äußerlich als Gichtknötchen u.a. am Ohr erkennbar. Bei einem akuten Gichtanfall sind v.a. die Großzehen betroffen. Es können aber auch Fingergelenke und Organe (z.B. die Niere) befallen sein.

Aus ganzheitlicher Sicht vergräbt der Mensch die unangenehmen Dinge des Lebens, also die Themen, die ihn reizen und angreifen, womöglich tief im Inneren und lässt sie nicht wieder ans Tageslicht. Hier häufen sie sich an und können nicht losgelassen werden.

Morbus Raynaud

Bei dieser Erkrankung treten anfallsweise Durchblutungsstörungen der Finger auf. Sie verfärben sich bläulich-livide und können kalt werden. Die zugrundeliegende Minderdurchblutung kann viele Ursachen haben. Besonders sind Gelenkblockierungen und Muskelverspannungen in Betracht zu ziehen, weil sie die Blutgefäße einengen. Aber auch das vegetative Nervensystem mit Sympathikus und Parasympathikus spielt eine große Rolle. Die Beschwerden verschlimmern sich bei Kälte.

Ganzheitlich betrachtet ist es denkbar, dass die Erkrankung mit einer disharmonischen Lebenssituation zusammenhängt, die den Menschen daran hindert, neue Dinge und Chancen zu ergreifen. Die Minderdurchblutung lässt auf eine verminderte Lebenskraft deuten, da das Blut der „Lebenssaft“ ist. Erreicht dieser bestimmte Körperstrukturen nicht, werden diese in ihrer Lebendigkeit eingeschränkt und „auf Eis gelegt“.

Karpaltunnelsyndrom

Hiermit werden Sensibilitätsstörungen und Schmerzen der Hände beschrieben. Es kann zu einer Atrophie der Daumenballenmuskulatur kommen. Die Störungen werden durch eine Kompression des Nervus medianus im Karpalkanal hervorgerufen. In der klinischen Praxis ist das nicht immer klar zu erkennen. Viele Störungen, die als Karpaltunnelsyndrom dargestellt werden, haben andere Ursachen. Die Auslöser können in der Halswirbelsäule, in einer Verspannung der Nackenmuskulatur oder in einer Blockierung des Ellenbogens oder Handgelenks gesehen werden.

Hände und Finger aus Sicht des Yoga

Es besteht über verschiedene Energiekanäle, die „Nadis“, eine Verbindung mit dem 2. Chakra (Svadhisthana). Hände und Finger sind dessen „Tatorgane“. Das Svadhisthana-Chakra steht für:

  • Selbstvertrauen
  • Selbstbewusstsein
  • Sexualität

Die Redewendung „Die Dinge nicht in den Griff bekommen“ ist bekannt. Mangelndes Selbstvertrauen erzeugt Angst. Ist diese stark, versagt die bewusste Kontrolle über das Leben und es kann partiell oder insgesamt nicht mehr bewältigt werden. Der Mensch zieht sich zurück und schränkt seine Lebensqualität ein.

Die Hände und Finger stehen außerdem mit dem Selbst in Verbindung. Mit ihrer Hilfe kann man sich ausdrücken, sein Selbst darstellen, z.B. in Form von Körpersprache, Kunstwerken oder Taten.

Übungen für gesunde Hände und Finger

Sukshma vayama
Mani-Bandha-Shakti-Vikasaka
Aufrechter Stand, Füße geschlossen. Beide Hände werden zu Fäusten geballt mit Daumen nach innen. Die Arme werden nach vorne in die Waagerechte ausgestreckt. Atmen Sie tief ein. Halten Sie den Atem an und drücken Sie die Hände so weit es geht aus dem Handgelenk nach oben. Wenn Sie ausatmen müssen, atmen Sie aus und bringen dabei die Hände in die Ausgangsposition zurück. Atmen Sie erneut ein, halten Sie den Atem an und drücken Sie nun die Hände nach unten. Kommt der Reflex zum Ausatmen, so tun Sie dies und bringen die Hände wieder in die Ausgangsposition. Jetzt winkeln Sie die Arme an, sodass sich die Hände ein Stück vor dem Brustbein befinden, und führen die Übung erneut durch.

Mani-Bandha-Shakti-Vikasaka kräftigt die Arme und Hände. Die Gelenke werden beweglich und bekommen eine gesunde Form. Das Atemanhalten fördert den Energiefluss und mehr Sauerstoff gelangt in die Bereiche der Hände und Arme.

Asanas

  • Mayurasana – Pfau
  • Kukkurasana – Hund
  • Tadasana – Palme
  • Sarpasana – Schlange

Bandhas
Mula-Bandha
Der „Wurzelverschluss“ aktiviert die Kundalini, die sich gemäß der Yoga-Philosophie im Bereich des Steißbeins befindet. Durch die Spannung im Unterleib, die aufgrund der Anspannung des Gesäßmuskels und des Hochziehens des Afters entsteht, werden die unteren beiden Chakren (Muladhara und Svadhistana) aktiviert. Dieser Effekt kann verstärkt werden, wenn man vorher tief einatmet und den Atem dann kurz anhält.

Mudras
Anjali-Mudra
Hier werden beide Hände aneinander- und die Daumen ans Brustbein gelegt. Der leichte Druck wird auf das Brustbein gehalten, so wird ein Energiekanal aktiviert, der sich hinter dem Brustbein befindet und den ganzen Körper in die Ruhe führen kann.

Yoni-Mudra
Diese Übung ähnelt Mula-Bandha. Bei Yoni-Mudra wird versucht, die inneren und äußeren Genitalien bewusst nach oben zu ziehen.

Sambodhini-Mudra
Eine glücksverheißende Stellung. Die Hände werden zu Fäusten geballt, wobei die Daumen nach innen genommen werden. Hierzulande würde es einer Geste entsprechen, die wir „die Daumen drücken“ nennen.

Meditation

  • Konzentration auf das Svadhisthana-Chakra
  • Affirmationen für das 2. Chakra, die das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein stärken
  • Mantra-Rezitation mit dem Bija-Mantra VAM, dass das Samenmantra des Svadhisthana-Chakras ist

Für die Anwendungen der Übungen wird ein erfahrener Lehrer oder Guru benötigt. Jede Übung sollte vorsichtig begonnen und langsam durchgeführt werden. Bewusste Achtsamkeit ist wichtig. Die Haltephase der einzelnen Übungen, besonders der Asanas, wird Schritt für Schritt gesteigert, um eine optimale Wirkung auf Hände und Finger zu bekommen.

Markus Ritz
Heilpraktiker, Dozent an den Paracelsus Schulen, Inhaber einer Akupunktur-Ambulanz mit Schwerpunkten Schmerztherapie und Hauterkrankungen
info@padmasana.de

© @VMStock / adobe.stock.com

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