Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2019

Glosse: Traditionell = gut?

Cover

Nur weil etwas traditionell ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es gut ist. Eine gesunde Skepsis in der heutigen Welt ist schützend. Schließlich gibt es eine Handvoll Schlawiner, die sich mit Lorbeeren schmücken, die sie gar nicht selbst geerntet haben. Auch sind einige Berufsbezeichnungen nicht geschützt. Und da sind wir schon mittendrin im Schlamassel.

Besonders im medizinischen Bereich darf auf vertrauenswürdige Praktizierende achtgegeben werden, damit man nicht an den „Wolf im Schafspelz“ gerät. Es ist doch so: Nur weil ich mal ein Buch über TCM gelesen habe, kann ich nicht sofort Behandelnder werden. Ebenso ist es bei den Coaches und Beratern. Die eigene Lebenskrise überwunden zu haben, heißt nicht, dazu befähigt zu sein, sofort eine eigene Praxis aufzumachen.

Und all den Kritikern, die mir jetzt erklären wollen, dass wir alle eine Gabe haben und altes Wissen in uns tragen, kann ich nur antworten: Das mag sein, und doch entspringt es der natürlichen Fürsorgepflicht der sich so Berufenen, sich mit ein paar Dingen ausführlicher zu beschäftigen. Vielleicht sogar eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren und am Ende eine Prüfung abzulegen. Mehr Wissen schadet bekanntlich nie, ebenso wie eine Überprüfung durch Dritte. So können Skeptiker wie ich erkennen, dass der jeweilige Ansprechpartner auch für Notfälle gerüstet ist.

Eine Freundin war letztens hier bei einer chinesischen Ärztin. Zumindest meinte ihre chinesische Begleitung, dass jene Dame Ärztin sei. Das einzige, was daran erinnerte, waren wohl der weiße Kittel und die Apotheke nebenan. Natürlich können weiße Kittel einfach so in einem Laden gekauft werden. Dafür braucht es keinen Titel. Und trotz dieses Wissens wirkt es doch irgendwie beruhigend, wenn wir auf einen Menschen treffen, der eben genau dieses Kleidungsstück trägt. Als wenn mit dem Kittel gleichzeitig Wissen vermittelt würde. Bei genauerer Betrachtung stellen wir sicher fest, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat – und doch scheint die Person in Weiß vertrauenswürdig. Als hätte sie mehr Ahnung als jemand ohne diesen Kittel.

Manche verwenden das Kleidungsstück vielleicht, weil sie um die Wirkung wissen und damit Defizite auf anderen Gebieten wettmachen wollen. Andere missbrauchen seine Ausdruckskraft vielleicht sogar bewusst. Aber egal, warum der Kittel genutzt wird, auf mich als Patientin wirkte er. Und zwar so, dass ich die Worte des Trägers sehr lange geglaubt habe. Einfach so. Dass ich mich nicht getraut habe, bei ihm nachzufragen, weil er ja doch Kompetenz ausstrahlte. Ich vergaß meine natürliche Gabe, einer unguten Ahnung zu folgen, wenn sie aufkam. Schließlich haben wir das miese Gefühl in der Magengegend nicht umsonst! Oft nehmen wir etwas wahr, noch bevor wir es vom Verstand her begreifen, geschweige denn in Worte fassen können. Leider haben wir verlernt, auf unsere Wahrnehmung zu vertrauen, und so vergessen wir in entscheidenden Momenten das Nachfragen oder die Bitte, das Gesagte nochmal zu wiederholen. Besonders dann, wenn es nicht verstanden wurde. Sowohl inhaltlich wie auch akustisch.
Das Gesagte gilt – nebenbei gesagt – natürlich auch für viele Anzug- und Robenträger.

Wie dem auch sei, meine Freundin besuchte also diese Frau im Kittel. Dafür fuhr sie in die Altstadt und betrat ein Gebäude, das von außen nicht wie eine Arztpraxis aussah. Überhaupt schien das Haus anderen hygienischen Ansprüchen zu genügen, als denen, die wir üblicherweise kennen. Ohne ihre ortskundige Begleitung wäre meine Freundin da wahrscheinlich nicht rein. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich hätte behandeln lassen. Auch der „Behandlungsraum“ erinnerte wenig an eine Praxis. Aber die Neugier war wohl größer als die vorhandenen Beschwerden.

Auch bezüglich der eigenen Gesundheit gilt es, ab und an neue Wege zu gehen. Am besten dann, wenn das Leiden noch nicht allzu groß ist und man noch Gedanken fassen kann. Wer sich mit klarem Kopf und ohne Druck medizinische Alternativen anschaut, kann im Ernstfall entspannter entscheiden, als eine Person, die sich unter Schmerzen und daraus entstehendem Druck nach Heilung sehnt. Bei der Entdeckung neuer Wege ist es wichtig, dass wir das selbst bestimmen können. Niemand biegt gerne auf Befehl ab oder nur weil jemand meint, da müsse man doch mal hin. Eigenverantwortlich handeln zu können, und zwar auf allen Ebenen, ist ein hohes Gut in der heutigen Zeit. Ich vermute, dass meine Freundin, als sie am Schreibtisch der chinesischen Ärztin saß, von ihrer eigenen Selbstbestimmtheit nicht mehr ganz so überzeugt war wie bei der Anreise dorthin.

Nun, das Erste, was die Dame tat, war eine Pulsmessung via Fingerauflegen. Nicht auf die Körpermitte, sondern schon da, wo auch wir den Puls suchen – am Handgelenk. Dann noch ein Blick auf die Zunge. Das war‘s. Anschließend wusste sie Bescheid, verschrieb meiner Freundin einen Tee und ließ sie gehen. Der Tee wurde in der Apotheke nebenan zubereitet, mit Zutaten, die man lieber nicht gesehen hätte. Nicht unbedingt, weil sie ungenießbar waren, sondern eher, weil der Anblick ganz viel Raum für Spekulationen ließ.

Ihre Teekur dauerte 3 Wochen, danach war meine Freundin tatsächlich um einige Beschwerden leichter. Ich war wirklich überrascht. Eine Teekur – und danach ist alles wieder gut? Klingt schon sehr abgefahren und unrealistisch.

Doch da ich das Vorher-Nachher-Bild kannte, blieb mir fast keine andere Wahl, als zu glauben, was ich sah und dass die Dame im Kittel wohl wusste, was sie tat.

Nach diesem Erfahrungsbericht habe ich mich bereit erklärt, beim nächsten Termin dabei zu sein.

Frei nach dem chinesischen Sprichwort:
„Bohre den Brunnen, ehe du Durst hast.“

In diesem Sinne, bleiben Sie neugierig und erkunden Sie neue Wege!

Ihre Jana Ludolf

Jana LudolfHeilpraktikerin für Psychotherapie, Mediatorin und Familiencoach

info@Jana-Ludolf.de

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü