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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2019

Yoga – ein ganzheitlicher Weg

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Galt die Jahrtausende alte Bewegungslehre und Philosophie aus Indien noch vor einigen Jahren als esoterisches Körperverbiegen mit Räucherstäbchenaroma, so ist Yoga mit seinen vielfältigen positiven Wirkungen inzwischen auf dem wissenschaftlichen Prüfstand gelandet. Beruhigung und Entspannung, Veränderung der Hirnaktivität bei und nach der Meditation, Verbesserung von Atem- und Gelenksfunktion, Verminderung von Rückenbeschwerden, Stärkung des mentalen Zustandes – all das wird inzwischen in Studien beschrieben. Von dieser Verbesserung der Körperfunktionen kann sich jeder Übende selbst überzeugen. Je nachdem, welchen Yoga-Stil man praktiziert, darf man sich über mehr Geschmeidigkeit, bessere Kondition oder Muskelaufbau freuen, wie dies z.B. beim Ashtanga Yoga, einer dynamischen Yoga-Form, der Fall ist.

Mehr als nur Körperübungen

Während Yoga in seinen Anfängen vor rund 2000 Jahren fast ausschließlich als meditative Reise zum Selbst galt, hält diese Lehre heute Einzug in Fitnessclubs, Sportvereine und Schulen. Bewusst ausgeführte Bewegung in Verbindung mit aktiv gelenkter Atmung macht, auf den ersten Blick, den Unterschied zu herkömmlichen Bewegungsmethoden oder klassischem Sport. Die Übungen (Asanas) verbessern die Durchblutung sowie die Funktionen von Bewegungsapparat (Wirbelsäule, Gelenke, Muskeln und Faszien) und inneren Organen. Gleichzeitig sorgen Entspannung und Meditation für die Beruhigung des Geistes. Atmen, Dehnen, Kräftigen, Entspannen – so könnte man Yoga auf eine schlichte Formel reduzieren.

Aber Yoga ist nicht nur körperliches Üben, sondern v.a. eine Geisteshaltung! Es geht nicht nur darum, die Asanas zu praktizieren, sondern die Philosophie des Yoga in den Alltag zu integrieren. Das bedeutet einen bewussten, liebevollen Umgang mit sich selbst, einen wertschätzenden Umgang mit anderen wie auch Achtsamkeit im Umgang mit der Welt, in der wir leben. Neben Ahimsa, dem Begriff aus dem Sanskrit, der für friedvolles, wertschätzendes Miteinander steht, gehört auch Satya dazu: die Wahrhaftigkeit in Wort und Tat. All diese Anschauungen sorgen auf dem Yoga-Weg dafür, dass der Übende körperlich und geistig gesund bleibt oder wieder mit sich in Einklang kommt.

Selbst wenn Sie die yogische Philosophie erst einmal beiseitelassen und sich ausschließlich den Asanas widmen möchten, werden Sie überrascht sein, was in den Körperübungen steckt. Je regelmäßiger Sie üben und die Bewegungen in Ihren Tagesablauf integrieren, desto mehr Wirkung werden diese zeigen. Schließlich verbindet sich Körperhaltung mit Geisteshaltung, so wie der Ursprung des Yoga es vorsieht – auch wenn die alten Yogis es andersherum praktiziert haben und überwiegend an Meditation und Geisteserfahrung, weniger an körperlicher Beweglichkeit interessiert waren.

Yoga liegt somit ein umfassender, ganzheitlicher Ansatz zu Grunde, der nicht nur an einem Symptom orientiert ist. Über das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele kann das gesamte Wesen gesunden, denn alles steht miteinander in Verbindung.

Der Atem trägt die Übungen

In der Regel schenken wir der Atmung keine besondere Aufmerksamkeit, sie geschieht unbewusst. Dabei ist sie unmittelbar mit unseren Körperfunktionen verknüpft. Dieses Wissen wird im Yoga genutzt.

Bei den Asanas nimmt die Atmung 50% der Übungspraxis ein. Sie bestimmt die Haltedauer der statischen Positionen sowie die Geschwindigkeit und Intensität der dynamischen Übungen. Der Übende soll nie außer Atem geraten. Während der Yogapraxis soll der Atem bzw. Prana, die universelle Lebensenergie, fließen.

Auch sind Übungen zur konkreten Atemlenkung oder Pranayama (Atemkontrolle), wie es im Yoga genannt wird, möglich.

In den meisten Fällen zielt der Praktizierende auf einen entspannten Körper- und Geisteszustand. Dies wird über das Üben der physiologischen Bauchatmung erreicht. Nach kurzer Zeit wird die Ausatmung verlängert. (Körperliche und mentale Anstrengung oder Anspannung führen häufig zu flacher Brustatmung. Achten Sie auf den Unterschied.)

Ashtanga Yoga wird durch die den Geist beruhigende Ujjayi-Atmung begleitet. Dabei wird der Kehlkopf etwas verengt, und es entsteht ein Geräusch, das einem sanften Meeresrauschen ähnelt.

Bei Kapalbhati, der Feueratmung, wird über besonders kurze Ausatemstöße abgeatmet. Dem wird eine reinigende Wirkung zugeschrieben.

Über bewusste Atemlenkung können wir unseren körperlichen Zustand beeinflussen, indem wir für einen entspannten Allgemeinzustand sorgen, eine gelöste Wachheit bewirken oder unseren Geist zur Ruhe bringen.

Das Üben im Atemrhythmus ist für die meisten Menschen zu Beginn ungewohnt und kann zu mentalem Stress führen. Sollte es Ihnen auch so ergehen, versuchen Sie, den Atem so frei wie möglich fließen zu lassen. Nach und nach stellt sich der Organismus auf die Yogapraxis in Verbindung mit gelenkter Atmung ein.

Atemwahrnehmung und Mobilisation

In der nachfolgend beschriebenen Übungsfolge geht es um die Aktivierung des Atemraums (Brustkorb), die Wahrnehmung der Atmung in Verbindung mit sanfter Mobilisierung von Wirbelsäule und Schultergelenken. Die bewusst betonte und verlängerte Ausatmung wirkt mental beruhigend. Solche Körperübungen fördern die Konzentrationsfähigkeit.

Diese Asanas sind einfach in den Tagesablauf zu integrieren (morgens nach dem Aufwachen, in der Mittagspause etc.) und bieten neben Entspannung einen effektiven Bewegungsausgleich. Je nach Zeitkontingent können sie z.B. 1-2 Mal täglich für 5-7 Minuten durchgeführt werden.

Allgemeiner Hinweis: Üben Sie bewusst und achtsam. Während der Yogapraxis soll Ihr Atem frei fließen. Es darf zu keiner Zeit körperliche Beschwerden geben. Falls Ihnen etwas auffällt oder Fragen entstehen, wenden Sie sich an einen Arzt, Heilpraktiker oder Yogalehrer Ihres Vertrauens.

1. Bauchatmung
Nehmen Sie sich dazu ein kleines flaches Sitzkissen und setzen Sie sich damit aufrecht auf den Boden. Die Beine sind locker gekreuzt, der Rücken aufgerichtet, die Hände legen Sie entspannt auf den Bauch, ungefähr auf Höhe des Nabels. Schließen Sie Ihre Augen oder richten Sie den Blick zum Boden und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem. Spüren Sie, wie die Atemluft durch die Nase einfließt, Brust- und Bauchraum weitet und durch die Nase ausströmt, wobei Brust- und Bauchraum flacher werden. Wiederholen Sie dieses Beobachten für 5 gleichmäßige Atemzüge. Lassen Sie den Atem leicht und ohne jede Anstrengung fließen. Legen Sie die Hände auf den Oberschenkeln ab und spüren sich sitzend auf dem Boden (ohne Abb.).

2. Aufrichtung der Wirbelsäule (fließender Atem)
Bleiben Sie aufrecht sitzen. Atmen Sie nun bewusst ein. Dabei heben Sie den linken Arm nach oben zur Zimmerdecke und schauen der Armbewegung nach (so entsteht eine zusätzliche Rotation sowie Extension in der Wirbelsäule). Atmen Sie aus, senken Sie den Arm und kommen in die Ausgangsposition zurück. Einatmend heben Sie den rechten Arm, schauen der Bewegung nach, ausatmend begeben Sie sich in die Ausgangsposition. Nach 5-7 Wiederholungen beenden Sie die Übung und spüren der Bewegung nach. Nehmen Sie Ihre Wirbelsäule wahr, vom Steißbein bis zum Hinterkopf.

3. Streckung der BWS (bewusst ausatmen)
Aus der aufrechten Sitzposition heben Sie die gebeugten Arme vor die Brust. Mit einer Einatmung ziehen Sie die Ellenbogen langsam nach hinten (das Brustbein hebt sich sanft), hier machen Sie einen kurzen Atemstopp. Mit einer bewussten Ausatmung bringen Sie die Hände zurück nach vorn. Wiederholen Sie diese Bewegung 5-7 Mal. Danach bleiben Sie aufrecht sitzen und spüren den mittleren Rücken und Ihren Schulterbereich.

4. Drehung der BWS (fließender Atem)
Die nächste Übung beginnen Sie wie zuvor: Der Rücken lang, die Arme vor der Brust gebeugt. Sie atmen bewusst ein und wieder aus, danach im eigenen Rhythmus weiter. Dann drehen Sie den Oberkörper langsam und gleichmäßig einmal zur linken Seite, anschließend zur Mitte, danach zur rechten Seite usw. Wiederholen Sie die Drehbewegungen 5-7 Mal. Anschließen bleiben Sie aufrecht sitzen und spüren den mittleren Rücken.

5. Dehnung der BWS (fließender Atem)


Begeben Sie sich nun in Rückenlage, bequem auf ein Kissen. Stellen Sie beide Füße auf den Boden, sodass die Knie in Richtung Zimmerdecke zeigen. Einatmend heben Sie jetzt die Arme nach oben und hinten. Dort legen Sie beide Arme ab. Atmen Sie im eigenen Rhythmus weiter und dehnen dabei Brust- und Atemraum. Für 7-10 langsame, gleichmäßige Atemzüge bleiben Sie in dieser Position.

6. Beide Arme heben und senken (verlängert ausatmen)


Aus der vorherigen Position nehmen Sie die Arme nun nach unten und legen sie neben dem Körper ab. Dann beginnen Sie, beide Arme mit einer Einatmung erneut zu heben und ausatmend zu senken. Da die Ausatemphase länger sein soll als die Einatmung, zählen Sie einatmend langsam bis 4, ausatmend langsam bis 5. Wiederholen Sie die Bewegungen 5-7 Mal.

7. Apanasana (Atemberuhigung)
Für die Bewegung im Apanasana (ein Klassiker im Hatha Yoga) legen Sie das Kissen unter Ihr Kreuzbein/Beckenbereich. Die Knie ziehen Sie zum Bauch. Beide Hände liegen auf den Knien, die Fingerspitzen zeigen fußwärts. Dann beginnen Sie eine Bewegung in Verbindung mit dem Atemfluss: Ausatmend beugen Sie die Ellenbogen, die Knie werden sanft zum Bauch gezogen, einatmend strecken Sie die Ellenbogen, die Knie entfernen sich vom Bauch usw. Es soll ein langsamer, gleichmäßiger Atem entstehen, bei dem die Ausatemphase etwas länger ist als die Einatemphase. Auch hier sind 5-7 Wiederholungen sinnvoll.

8. Umkehrhaltung (fließender Atem)
Für die Abschlussübung lassen Sie das Kissen unter Ihrem Kreuzbein. Beide Knie bleiben zum Bauch gezogen. Die Arme legen Sie entspannt neben dem Körper ab. Danach werden beide Beine nach oben gestreckt und so gehalten. Bleiben Sie für 10-15 Atemzüge in dieser Position.

Fazit

Bei der beschriebenen Bewegungsfolge geht es in erster Linie um bewusstes Bewegen mit der Atmung. Da der Atem in direkter Verbindung zum vegetativen Nervensystem steht, ist es wichtig, die Übungen langsam und im eigenen Atemrhythmus auszuführen, um einen möglichst großen positiven Effekt zu erzielen. Wenn Sie sich einmal am Tag die Zeit nehmen, um „innezuhalten“ und „bewusst durchzuatmen“, führt das zu mehr Gelassenheit und Wohlbefinden. Eine Atemübung von 3-5 Minuten können Sie fast überall und ohne besondere Vorkehrungen in Ihren Alltag einfügen.

Carola BleisCarola Bleis
Bewegungstherapeutin, Feldenkrais-Lehrerin, Buchautorin

info@carolableis.de

Buch-Tipp
Carola Bleis:
Einfach Yoga jeden Tag,
Pohl Verlag

Foto: © mooshny / fotolia.com

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