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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2021

Wer darf Was?

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Abgrenzung des Berufsfeldes der Heilpraktiker für Psychotherapie zur allgemeinen Heilbehandlung:

Ist die Craniosacral-Therapie erlaubt?

Für sektorale Heilpraktiker mit Beschränkung auf das Gebiet der Psychotherapie (HPP) existiert, anders als für Psychologische Psychotherapeuten nach dem Psychotherapeutengesetz oder für Zahnärzte nach dem Zahnheilkundegesetz, keine spezielle gesetzliche Regelung zum Berufsbild. Anhand des Tätigkeitsfeldes „Psychotherapie“ sind Abgrenzungen zur allgemeinen Heilbehandlung zu entwickeln, wobei letztlich jeder HPP diese selbst und eigenverantwortlich bestimmen muss. Die Grenzziehung zur allgemeinen Heilbehandlung muss von jedem HPP stringent eingehalten werden, denn bei Überschreitung droht ein Konflikt mit § 5 Heilpraktiker-Gesetz, der als Strafandrohung Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe enthält.

Psychotherapie

Auszugehen ist zunächst von der gängigen Definition „Psychotherapie“, die als Oberbegriff für alle Formen der Behandlung psychischer, emotionaler, psychosomatischer oder Verhaltensstörungen mit psychologischen Methoden als Einzeltherapie oder in Gruppen definiert wird. Es handelt sich also um eine gezielte professionelle Behandlung psychischer Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychologischen Mitteln.

Ergänzend kann auf die Heilpraktiker-Überprüfungsleitlinien (nach 1.6) verwiesen werden. Danach haben sich die in Nr. 1 genannten Inhalte der Überprüfung bei der sektoralen Heilpraktiker-Erlaubnis gezielt darauf zu erstrecken, ob von der Ausübung der Heilkunde durch den Betroffenen eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung oder für die ihn aufsuchenden Patienten im sektoralen Bereich ausgeht, für den die Heilpraktiker-Erlaubnis beantragt wird. Dabei ist v.a. auch zu überprüfen, ob die antragstellende Person in der Lage ist, die Krankheiten, Leiden oder sonstige Körperschäden aus dem für die sektorale Heilpraktiker-Erlaubnis einschlägigen Bereich von den Krankheiten, Leiden oder sonstigen Körperschäden zu unterscheiden, die außerhalb dieses Bereiches liegen.

Methodenfreiheit der HPP

Das Psychotherapeutengesetz gilt für die Berufsausübung der HPP weder unmittelbar noch analog, weshalb für HPP keine Festlegung auf klassische anerkannte psychotherapeutische Methoden besteht. Die HPP offenstehenden psychotherapeutischen Methoden werden (partiell) durchaus großzügig betrachtet. So ist in vielen Bundesländern nach Beurteilung der zuständigen Ministerien der therapeutische Einsatz bestimmter Homöopathika möglich (Freie Psychotherapie, 05/19). Voraussetzung ist die Eignung des Homöopathikums für die psychische Behandlung, die finale Verwendung für die psychische Behandlung und die unterstützende Integration in ein gesamtpsychotherapeutisches Behandlungskonzept.

Methoden mit körperlicher Berührung gehören für viele HPP zum Behandlungsstandard, z.B. die klinische Kinesiologie oder die Klopftherapie. Solche Methoden dürfen nicht invasiv sein, sie müssen in ein psychotherapeutisches Behandlungskonzept integriert werden, dienen also unterstützend der finalen psychotherapeutischen Behandlung, und müssen die Eignung zur Behandlung psychischer Erkrankungen besitzen.

Die ausschließliche Behandlung der für die Psychotherapie geöffneten Erkrankungen nach der Definition „Psychotherapie“ muss unverzichtbare Leitlinie jedes HPP sein und sein Handeln in jedem Behandlungsfall bestimmen. So kann ein HPP zwar einen Patienten mit Karzinomerkrankung behandeln, aber ausschließlich deren Folgeerkrankungen als psychisch bedingte körperliche Störungen. Würde das Karzinom kausal behandelt, läge eine Gebietsüberschreitung mit dem bereits erwähnten drohenden strafrechtlichen Konflikt nach § 5 Heilpraktiker-Gesetz vor.

Ausschluss invasiver Behandlungen

HPP offenstehende Methoden mit körperlicher Berührung dürfen nicht invasiv sein. „Invasiv“ wird als „eindringend“ beschrieben, was zu einer schwierigen Einstufung von Methoden als invasiv oder nichtinvasiv führt. So ist z.B. die klassische Nadelakupunktur als die Körperintegrität verletzend zweifellos invasiv. „Eindringend“ können aber auch körpertherapeutische Methoden sein, die auf die inneren Organe wirken. Die Grenzziehung zwischen (noch) Psychotherapie und allgemeiner Heilbehandlung erscheint komplex, auch wenn im Vordergrund die finale psychotherapeutische Behandlung steht. In die Beurteilung fließt deshalb der Grad der Gefährlichkeit der Methode für Patienten und daraus folgende Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten zur Beherrschung ein, also ob Kenntnisse von psychischen Erkrankungen oder Störungen für die Anwendung der Methode ausreichend sind. Dies wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn Einwirkungen auf innere Organe erfolgen, die nicht mit psychischen Erkrankungen oder Störungen in Verbindung stehen.

Craniosacral-Therapie

ist ein Diagnose- und Therapieverfahren, das vom amerikanischen Osteopathen William G. Sutherland begründet wurde und eine Form der Osteopathie ist (Pschyrembel, Naturheilkunde und alternative Heilverfahren, Stichwort „Craniosacral-Therapie“). Als Wirkung wird beschrieben: „Beeinflussung der Hypophyse durch die Keilbeinbewegung, Störungen in diesem Bereich führen zu endokrinen Beschwerden; ebenso soll die Kiefergelenkfunktion durch CST beeinflussbar sein (Beziehungskette zwischen Okklusion, Kiefergelenk und Os temporale); Entspannung der Körperfaszien, Verbesserung der Blutversorgung.“ Die Osteopathie wird als Erweiterung der manuellen Medizin betrachtet. Die Craniosacral-Therapie (auch „Craniosacral-Osteopathie“ bezeichnet) beschäftigt sich mit Gehirn, Rückenmark und Hirnhäuten (Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Nr. 03/20 vom 30.01.2020).

Die Craniosacral-Therapie ist also eine besondere Ausprägung der Osteopathie, sodass in der rechtlichen Bewertung zwischen der allgemein üblichen Osteopathie (wenngleich auch dort mehr oder weniger unterschiedliche Varianten angewendet werden) und der Craniosacral-Therapie nicht zu differenzieren ist. Die rechtliche Bewertung und Schlussfolgerung zur Osteopathie im Hinblick auf das Heilpraktiker-Gesetz gilt also auch für die Craniosacral-Therapie, wie umgekehrt diejenigen zur Craniosacral-Therapie auch für die (anderen Varianten der) Osteopathie gelten.

Nach der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2015, Az: I 20 U 236/13; LG Kempten, Urteil vom 14.04.2009, Az: 1 HK O 2442/08) besteht für die Behandlung mit osteopathischen Leistungen ein Heilpraktiker- oder Arztvorbehalt. Auch Heilpraktikern mit Beschränkung in ihrer Tätigkeit auf das Gebiet der Physiotherapie sind osteopathische Behandlungen verwehrt. Nach dem Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 23.11.2017 (Az: 6 U 140/17) könnte man meinen, Osteopathie sei für HP Physio geöffnet. Dies hat der Senat aber in dem wettbewerbsrechtlichen Urteil nicht entschieden. Die Klage wurde abgewiesen, weil von der Klägerin unsubstantiiert zur Craniosacral-Therapie vorgetragen wurde.

Auch nach der Definition „invasiv/nicht invasiv“ ist wegen der Wirkungen auf die inneren Organe von der Einstufung der Craniosacral-Therapie als „invasiv“ auszugehen. Nach allem wird für die Craniosacral-Therapie deshalb die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Gebietsbeschränkung benötigt, sodass sie HPP nicht offensteht.

Risiko § 5 Heilpraktiker-Gesetz

Die Einbindung und Anwendung craniosacraltherapeutischer Leistungen in ein psychotherapeutisches Behandlungskonzept durch HPP ist durch die beschränkte Erlaubnis nach den hier getroffenen Feststellungen nicht gedeckt. In der rechtlichen Bewertung besteht kein Unterschied zwischen dem seine Grenzen überschreitenden sektoralen HP, einem Laien oder Physiotherapeuten. Für die Craniosacral-Therapie fehlt bei allem Vorgenannten die Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Heilpraktiker-Gesetz. Anwendbar ist deshalb § 5 Heilpraktiker-Gesetz: „Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach § 1 zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Staatsanwaltschaften sind manchmal erstaunlich forsch bei der Einleitung von Ermittlungsverfahren nach § 5 Heilpraktiker-Gesetz. So reichte der Staatsanwaltschaft Braunschweig 2018 bereits eine nicht näher begründete anonyme Anzeige, die Mitarbeiterin eines Heilpraktikers behandle ohne Erlaubnis u.a. mit Akupunktur, zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Heilpraktiker und die Mitarbeiterin.

Im Ermittlungsverfahren und v.a. in Strafprozessen besteht das Problem der Sachverständigengutachten. Staatsanwälte und Strafrichter können regelmäßig nicht in eigener Sachkunde die Einstufung als Heilbehandlung mit oder ohne Heilpraktiker- oder Arztvorbehalt beurteilen. In Auftrag gegeben werden Sachverständigengutachten. Vor Gericht entscheidet über den Auftrag der Strafrichter, der meistens um Benennung von Sachverständigen bei Ärzte- oder Psychotherapeuten-Kammern nachsucht. Wenngleich auch Parteigutachten entgegengesetzt werden können, besteht allgemein die Linie der Sachverständigen in einer extensiven schulmedizinischen Beurteilung zu Lasten der Heilpraktiker mit negativen Folgen für die strafrechtliche Beurteilung.

Dr. jur. Frank A. StebnerDr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht, Träger des Deutschen Arzt-Recht-Preises, Autor
www.drstebner.de

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