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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2021

Cholesterin erfolgreich entsorgen

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Probiotika als innovative Therapieoption bei Hypercholesterinämie

Auch wenn es den Lipiden zugerechnet wird, ist das Steroid Cholesterin kein Fett, sondern ein polyzyklischer Alkohol. Der Naturstoff übernimmt mit der Gewährleistung der Membranstabilität und als wichtiger Baustein in der Synthese von Gallensäuren, Steroidhormonen und Vitamin D viele essenzielle Aufgaben in unserem Körper. Cholesterin ist lebensnotwendig und für unsere Gesundheit unverzichtbar, im Übermaß kann es jedoch zu Problemen führen.

Woher kommt das Cholesterin?

Etwa 70% des Cholesterins im Körper werden endogen synthetisiert, hauptsächlich in der Leber, aber auch in Darmschleimhaut, Haut und steroidhormonbildenden Drüsen. Nur ein geringer Teil wird mit der Nahrung aufgenommen, zumeist über tierische Lebensmittel (Wurst, Eier, Fisch, Milch), da es Hauptbestandteil der tierischen Zellmembran ist. Pflanzen und Pilze enthalten zwar kein Cholesterin, dafür aber ähnliche Stoffe wie Phyto- und Mykosterine.

Lipoproteine als Transportmittel

Cholesterin wird überall im Körper benötigt. Es muss deshalb von den Hauptorten der Biosynthese und Aufnahme, von Leber und Dünndarm, in alle Richtungen zu den Zellen transportiert werden. Über die Blutbahn funktioniert dies nicht, da Cholesterin nicht wasserlöslich ist. Deshalb muss es in Transporteiweißen in Form von Lipoproteinen gebunden werden. Anhand ihrer unterschiedlichen Dichte unterscheidet man fünf dieser Lipoproteine:

  • Chylomikronen
  • VLDL (Very low density lipoproteins)
  • IDL (Intermediate density lipoproteins)
  • LDL (Low density lipoproteins)
  • HDL (High density lipoproteins)

Für die alltägliche medizinische Diagnostik sind v.a. die Lipoproteine LDL und HDL relevant.

In der Leber gebildetes Cholesterin wird von LDL über die Blutbahn zu den Zellen transportiert. Diese regulieren die Übernahme, indem sie bei einem Überschuss keine Rezeptoren mehr für dessen Aufnahme auf ihrer Oberfläche ausbilden. Wenn der Cholesterinspiegel im Blut ausreichend ist, wird gleichzeitig die Cholesterinsynthese in der Leber gehemmt. Diese selbstregulatorischen Mechanismen reichen jedoch nicht mehr aus, wenn das LDL-Cholesterin deutlich erhöht ist. Dann kann sich der Überschuss in den Arterienwänden ablagern und eine Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) auslösen. Diese wiederum kann eine Vielzahl weiterer Erkrankungen, u.a. Herz-Kreislauf-Leiden oder Schlaganfälle, nach sich ziehen. Die Weltgesundheitsorganisation zählt sie zu den weltweit häufigsten Todesursachen.

Der Cholesterin-Transport von den Zellen zurück in die Leber geschieht über HDL. Dort kann das Blutfett abgebaut werden. HDL ist zudem in der Lage, überschüssiges und in die Gefäßwände eingelagertes Cholesterin wieder zu entfernen.

Bedeutung der Darmmikrobiota

Der Mensch ist auf und in seinem Körper mit einer Vielzahl unterschiedlicher Mikroben besiedelt. Dass die im Darm vorhandenen Bakterien der physiologischen Mikrobiota den Cholesterinstoffwechsel stark beeinflussen, konnte in einer Reihe von wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden.

Etwa 1g Cholesterin kommt jeden Tag in Form von Nahrung, Gallensäure und abgestoßenen Epithelzellen im Darm an. Dort trifft es auf mehrere 100 Milliarden Bakterien, die über drei Wege Effekte im Cholesterinhaushalt bewirken können:

  • Biotransformation von Cholesterin zu Coprostanol
  • Mikrobielle Bindung von Cholesterin
  • Dekonjugation von Gallensäuren

Biotransformation

Dass intestinale Mikroorganismen fähig sind, Cholesterin zu Coprostanol abzubauen, der Hauptform von Sterinen im Stuhl, konnte bereits in den 1930er-Jahren gezeigt werden. Diese Biotransformation findet v.a. im oberen Bereich des Dünndarms statt und wird von der Gattung Eubacterium durchgeführt. Aber auch einige Bifidobacterium-, Lactobacillus- und Peptostreptococcus-Arten sind dazu fähig.

Ob und wie schnell die Umwandlung von Cholesterin in Coprostanol geschieht, ist sehr variabel und korreliert mit der Zusammensetzung der Darmmikrobiota. Diese hat direkten Einfluss auf Blutfettwerte, Verlauf und Ausprägung von Übergewicht und Adipositas, unabhängig von Alter, Geschlecht und genetischer Grundvoraussetzung. Eine hohe Umwandlungsrate von Cholesterin zu Coprostanol kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, wie Studien zeigen konnten.

Mikrobielle Bindung

Anfang der 1970erJahre wurde erstmals beschrieben, dass Bakterien Cholesterin aktiv binden und in ihre Zellmembranen einbauen können. Laut aktueller Studienlage sind v.a. Lactobacillus-Arten dazu in der Lage. Auch abgetötete Bakterien sind fähig, Cholesterin zu binden und dem Körperkreislauf zu entziehen, weswegen man zwei unterschiedliche Mechanismen annimmt. Einmal wird Cholesterin assimiliert und für den Aufbau der bakteriellen Zellmembran verwendet, außerdem kann Cholesterin an der Zelloberfläche gebunden und mit dem Bakterium über den Stuhl ausgeschieden werden.

Dekonjugation

In der Leber wird Cholesterin zur primären Gallensäure Cholsäure transformiert und anschließend mit Glycin oder Taurin zu Gallensalzen konjugiert. Diese werden bei Bedarf in das Duodenum abgegeben, wo sie für die Emulgation und Resorption von Nahrungsfetten und fettlöslichen Vitaminen sorgen. Verschiedene Bakterien-Gattungen der menschlichen Darmmikrobiota können spezifische Enzyme synthetisieren, die die Glycin- und Taurinreste wieder abspalten (Gallensalz-Hydrolase; BSH: bile salt hydrolase), sodass sekundäre Gallensäuren entstehen.

Im letzten Abschnitt des Dünndarms (Ileum terminale) werden 90-95% der Gallensäuren wieder absorbiert und über die Pfortader zurück in die Leber transportiert. Im enterohepatischen Kreislauf fließen die Gallensäuren 3-5 Mal pro Tag zwischen Darm und Leber hin und her. Der Rest der Gallensäuren (5-10%) wird über den Stuhl ausgeschieden, dies ist auch der hauptsächliche Ausscheidungsmechanismus von Cholesterin aus dem menschlichen Körper.

Besonders Bakterien der Gattungen Lactobacillus, Bifidobacterium, Bacteroides, Enterococcus und Clostridium können Gallensäuren biotransformieren. Vielversprechende Forschungsergebnisse führen unter Experten mittlerweile zur Empfehlung, in der Behandlung von Fettstoffwechselstörungen die Darmmikrobiota stärker in den Fokus zu rücken.

Fettstoffwechselstörungen in der Schulmedizin

Das Fundament einer lipidsenkenden Therapie ist laut Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ein gesunder Lebensstil. Hier stehen ausreichende körperliche Aktivität, Aufgeben des Rauchens, ausgewogene Ernährung und Gewichtsnormalisierung im Vordergrund.

Die Pharmakotherapie hält mehrere lipidsenkende Arzneimittel bereit, jedoch sind Statine noch immer Mittel der ersten Wahl. Weitere Medikamente sind Anionenaustauscher, Fibrate, Nikotinsäurederivate und Ezetimib, die jedoch kaum in der Routinetherapie eingesetzt werden.

Nebenwirkungen von Statinen

Zwar können sie Cholesterinwerte schnell und effektiv senken, aber teilweise zum Preis starker Nebenwirkungen. Muskelschwäche, begleitet von Schmerzen, Steifheit oder Krämpfen (Myalgien), sind der Hauptgrund von Therapieabbrüchen. Darüber hinaus zählen ein erhöhtes Diabetesrisiko, Schädigungen der Leber- und Nierenfunktion, Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und Gedächtnisfunktion sowie negative Beeinflussung des Testosteronspiegels zu den Nebenwirkungen.

Probiotika als innovative Therapieoption

Der Fokus der wissenschaftlichen Forschung im Bereich des Gallensäure-Stoffwechsels liegt, wie oben beschrieben, auf den Bakterien der Gattungen Lactobacillus, Bifidobacterium, Bacteroides, Enterococcus und Clostridium. In mehreren großangelegten Laborstudien wurden über 350 verschiedene Bakterienarten auf ihre Fähigkeit getestet, Gallensäure per Hydrolase (BSH: bile salt hydrolase) spalten zu können. Hier hat sich Lactobacillus plantarum ECGC 13110402 als effizientester Stamm herausgestellt.

Die Überprüfung der überzeugenden Laborresultate im Rahmen klinischer Studien führte zu erstaunlichen Resultaten. So wurde an der Universität Reading eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Parallelstudie an Erwachsenen mit mäßiger Hypercholesterinämie durchgeführt. Man gab den freiwilligen Probanden entweder ein Placebo oder eine Tagesdosis des zuvor im Labor getesteten probiotischen Bakterienstamms Lactobacillus plantarum ECGC 13110402 (4 Milliarden KBE). Während des Testzeitraums wurden Ernährungs- und Lebensgewohnheiten nicht verändert. Nach einer Einnahmezeit von 12 Wochen und einer Auswaschungsphase von weiteren 4 Wochen konnten folgende effektive Ergebnisse festgestellt werden:

  • Senkung Gesamtcholesterin um 36,7%
  • Senkung LDL-Cholesterin um 13,9%
  • Erhöhung HDL-Cholesterin um 4,5%
  • Senkung Blutdruck um 5,1%

Damit erfüllen diese Studienresultate viele der von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgeschriebenen Parameter, die für einen präventiven Effekt im gesamten Herz-Kreislauf-System sorgen können. Nebenwirkungen, wie sie bei Statinen häufig auftreten, wurden während des Untersuchungszeitraums nicht festgestellt. Zusätzliche Überprüfungen der Leber- und Nierenwerte im Blut zeigten keine Auffälligkeiten, sodass der genannte probiotische Bakterienstamm alle Anforderungen an Wirksamkeit und Sicherheit erfüllt. Für den Gesundheitssektor ist der Stamm inzwischen unter dem patentierten Namen Lactobacillus plantarum LPLDL® zugänglich.

Gute Aussichten

Wir gewinnen heute dank modernster Untersuchungsmethoden immer tiefere Einblicke in die faszinierende Welt der Darmmikrobiota. Viele Studien zeigen, wie groß der Einfluss der Darmbakterien auf unsere Gesundheit ist und dass eine Veränderung der Zusammensetzung der Darmflora häufig direkt mit intestinalen und extraintestinalen Erkrankungen korreliert.

Deshalb sollte die Darmmikrobiota auch bei Hypercholesterinämie als möglicher therapeutischer Angriffspunkt verstärkt in Erwägung gezogen werden. So können die Effekte eines gesunden Lebenswandels und/oder einer medikamentösen Therapie zusätzlich positiv unterstützt werden.

Dominik Hoffmann
Dipl.-Biologe, forscht seit Jahren über den medizinischen Nutzen von Probiotika
d.hoffmann@hlh-biopharma.de

Foto: © hywards / adobe.stock.com

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