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Psychotherapie
Lesezeit: 5 Minuten

Arbeit mit dem Inneren Kind

Die 33-jährige Marie kommt zur psychologischen Beratung in meine Praxis. Sie hat am Arbeitsplatz starke Selbstzweifel und Versagensängste entwickelt. Für Privatleben und Persönliches bleibt aufgrund vieler Überstunden keine Zeit. Bei Gehaltserhöhungen fühlt sie sich übersehen, von ihrem Chef willkürlich beurteilt und oft zu Unrecht gemaßregelt. Ihre Hausärztin hat sie bereits vor einem drohenden Burnout gewarnt, aber alle Bewerbungsversuche und Mitarbeitergespräche haben bisher nichts an ihrer Situation geändert. 

 

 

ANAMNESE

Es stellt sich heraus, dass Marie ihr Elternhaus früh verlassen hat, um im Ausland zu studieren. Dieses habe sie sich selbst finanziert und gleich danach eine Anstellung gefunden, berichtet sie. Ihr Zuhause beschreibt sie als toxisch. Ihre 5 Jahre ältere Schwester habe meist im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden, weil sie immer wieder aufgrund von Drogenproblemen mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei. Ihr Vater, ein erfolgreicher Unternehmer, sei selten bei seiner Familie gewesen, und wenn er schließlich wieder „für Ordnung“ gesorgt habe, erlebte die Klientin ihn als ungeduldig und ungerecht in seinen Beurteilungen. Ihre Mutter sei mehr mit ihren kulturellen Verpflichtungen beschäftigt gewesen. Meist gab es Streit wegen der Schwester, irgendwann folgte die Scheidung der Eltern. Maries sehr guten Schulnoten und kreativen Ideen schienen keinen in der Familie zu interessieren. 

 

Am Arbeitsplatz fällt die junge Frau zunächst durch Leistung und persönliches Engagement auf. Die Anerkennung bleibt jedoch aus, und ein Hamsterrad der Überforderung entsteht, was die Klientin sich selbst nicht erklären kann. Im Gespräch erkennt sie Parallelen zwischen den Erfahrungen in der Herkunftsfamilie, ihrem Vater und der Arbeitssituation (ungerechte Behandlung und Ignoranz durch den Chef). 

 

 

FAMILIENAUFSTELLUNG

Wir stellen Maries Familie mit Bodenankern auf. Der Ansatz der Aufstellungsarbeit ermöglicht eine differenzierte Sichtweise und emotionales Erleben auf einer tiefen Seelenebene. Die Bodenanker spiegeln Seelenbilder und Eindrücke wider, die sich oft generationsübergreifend oder in der Kindheit entwickelt haben. Sie sind dem Tagesbewusstsein meist nicht zugänglich, steuern aber unser Verhalten sowie das Rollenund Selbstbild. Es zeigt sich, dass trotz aller Enttäuschung eine enge Bindung zum Vater besteht und dass sich die Klientin von ihm Lob und Wertschätzung wünscht. Sie wird sehr emotional, als ihr bewusst wird, dass er sie überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt und mit „wichtigeren Dingen“ beschäftigt ist. Sein Blick fällt nur auf die ältere, drogenabhängige Schwester. 

 

Ich stelle den Bodenanker „Inneres Kind“ dazu, zu dem sich Marie sofort hingezogen fühlt, das aber sehr wütend und abweisend auf sie reagiert. Es zeigt sich, dass die Klientin ihre Wut seit jeher unterdrückt und stattdessen funktioniert hat. Es braucht auf jeden Fall einige Nacharbeit, um die kleine Marie und ihre echten Gefühle zu integrieren. Dies geschieht, indem wir den Anteil des Inneren Kindes diskutieren und reintegrieren, indem wir neue Verhaltensweisen üben. „Ich möchte dich besser kennenlernen“, sagt die Erwachsene zur kindlichen Version ihrer selbst, und zum Vater: „Ich fühle mich von dir nicht gesehen, aber ich bin deine jüngere Tochter. Ich bin da, und es verletzt mich, wenn du nur meine Schwester siehst. Ich kann nichts dafür (für die Probleme).“ 

 

 

GLAUBENSSÄTZE UND INNERES KIND

Eine Ursache für die berufliche Stagnation der Klientin und ihre wachsenden Versagensängste liegt im inneren Eindruck: „Ich bin ganz allein, ich kann ihm nichts Recht machen.“ In der Aufstellung offenbart sich die angestaute Wut des Inneren Kindes, aber auch die Loyalität gegenüber dem Vater, die zur Selbstsabotage bei der erwachsenen Frau führt. Einerseits hat sie ihre Herkunftsfamilie verlassen, andererseits kreiert sie sich durch die gespeicherten Erfahrungen ein ähnliches Szenario, verkörpert durch Chef und Arbeitsplatz. Damit lässt sich wiederholtes Erleben durch das Abrufen eingeprägter und damit vertrauter Gefühle diskutieren. Marie erkennt, dass sie auf ihren steinigen, aber unabhängigen Weg stolz sein und auf die große Kraft, allen Widerständen zu trotzen, vertrauen kann. Nun ist es an der Zeit, die Aufmerksamkeit weg vom Vater hin zur „kleinen Marie“ zu lenken. Sie sucht sich ein Kinderfoto aus, stellt es gut sichtbar in einem Bilderrahmen auf und beginnt, das Mädchen liebevoll und mit Mitgefühl zu betrachten. 

 

 

AUSBLICK

Wir arbeiten 5 Monate zusammen, pro Monat 1 Stunde mit praktischen Übungen für das Innere Kind, welche die Klientin zu Hause erfolgreich anwendet. Hierdurch ergeben sich stetige Verbesserungen der Lebensqualität, v. a. stellt sich ein selbstbewusstes Erwachsenen-Verhalten am Arbeitsplatz ein, das nicht mehr von kindlichen Mustern geprägt ist. Durch die Arbeit mit dem Inneren Kind blüht die Klientin sichtlich auf und findet neue Glaubenssätze für sich („Ich bin es wert, dass...“ oder „Ich achte auf meine Gefühle und Bedürfnisse“). 

 

Eine erneute Bewerbung führt zum erfolgreichen Wechsel in eine interessante und lukrative Führungsposition, sodass die Klientin ihren bisherigen Chef und die damit verbundene Vaterprojektion hinter sich lassen kann. 

 

 

FAZIT

Niemand kann Verletzungen, die in der Vergangenheit erlebt wurden, ungeschehen machen. Die Arbeit mit dem Inneren Kind lädt zum Perspektivwechsel ein. Als Erwachsene kümmern wir uns nun um den kindlichen Teil unseres Ichs und erfüllen dessen Bedürfnisse selbst, anstatt dies von anderen zu erwarten. Das Kind in uns dankt es mit mehr Kreativität, Leichtigkeit und Lebensfreude. 

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