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Osteopathie
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Chiropraktik für Babys, Kleinkinder und Schwangere

Die Chiropraktik wird hierzulande immer bekannter. Die Techniken variieren stark und werden immer an den Patienten angepasst. Daher können Anwendungen z. B. bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen sehr unterschiedlich aussehen. Wie Schwangere, Neugeborene und Kinder von der Chiropraktik profitieren können, wie eine Behandlung abläuft und bei welchen häufigen Symptomen diese Methode hilfreich sein kann, erläutern wir in diesem Artikel. 

 

 

EINSTUFUNG DER CHIROPRAKTIK

In Deutschland gibt es zurzeit nur wenige Chiropraktoren, die nach internationalen Standards studiert haben. Das Hochschulstudium erstreckt sich über 4-6 Jahre. Im Gegensatz hat ein Chiropraktiker oder Chirotherapeut die Handgriffe in kürzeren Fortbildungen oder nur in Wochenendseminaren erlernt. Anders als in Ländern wie Großbritannien, Dänemark oder der Schweiz wird die Chiropraktik in Deutschland nicht als eigenständiger, akademischer Heilberuf anerkannt. Hier benötigt man eine Heilerlaubnis als Arzt oder Heilpraktiker. Daher übernehmen oft nur private Krankenkassen oder Zusatzversicherungen die Kosten für eine Behandlung, wenngleich diese in den meisten Fällen von Vorteil ist. 

© Dmitry Naumov I adobe.stock.com

Chiropraktoren befassen sich mit der Diagnose, Behandlung und Vorbeugung mechanischer Störungen des Bewegungsapparats und deren Auswirkungen auf unser Nervensystem. Dies ist besonders für die Arbeit mit Kindern interessant. Es ist wichtig, dass gerade in den Wachstumsphasen jeder Muskel bestmöglich angesteuert werden kann sowie Bewegungsfreiheit vorhanden ist, um sich optimal und weitestgehend symmetrisch entwickeln zu können. 

 

 

BEREITS IN DER SCHWANGERSCHAFT WEGWEISEND

Die Chiropraktik kann schon früh im Leben hilfreich sein, während der Schwangerschaft ist eine Behandlung empfehlenswert. So können Rücken-, Nacken-, Symphysenschmerzen oder Sodbrennen gelindert werden. Auch eine Beckenendlage des Kindes kann durch eine Behandlung oft positiv beeinflusst werden. Für die Geburt ist es wichtig, dass der Kopf des Kindes optimal positioniert ist. Die Kreuz-Darmbein-Gelenke (Iliosakralgelenke) der Mutter sollten sich gut bewegen können. Dies sorgt aus chiropraktischer Sicht dafür, dass das Kind über einen bestmöglichen Bewegungsfreiraum verfügt und die Mutter eine einfachere Geburt hat. 

 

Dennoch können bei einer optimalen Geburt Probleme mit dem Säugling auftreten, da enorme Kräfte wirken. Insbesondere beim Kaiserschnitt können starke Zugkräfte auf die obere Halswirbelsäule (HWS) und den Schädel entstehen. Dies kann Blockaden bedingen, die sich durch eine eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke äußern. Daher ist es sinnvoll, jedes Baby nach der Geburt untersuchen zu lassen, um sicherzustellen, dass sich jedes Gelenk optimal bewegen kann und eine gesunde Entwicklung möglich ist. 

 

 

HÄUFIGE BESCHWERDEN IM SÄUGLINGSALTER

Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung Fällt Eltern auf, dass ihr Kind eine „Lieblingsseite’’ oder eine Abflachung am Hinterkopf hat, ist dies meist auf eine HWSBlockade zurückzuführen. Ein verbreiteter Begriff, der diese Symptomatik beschreibt, ist das „KiSS-Syndrom“, was für Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung steht und verschiedene Beschwerdebilder umfasst. Diese gehen mit einer Bewegungseinschränkung der oberen Halswirbel und des Kopfgelenks einher. Auffällig sind ein asymmetrisches Erscheinungsbild des Schädels oder des Gesichts, eine bevorzugte Liegeseite oder ein Schiefhals (Torticollis). Zusätzlich können asymmetrische Bewegungen, das Überstrecken in Rückenlage, Schlafprobleme, Empfindlichkeiten um Nacken sowie Schädelbereich und Beschwerden beim Stillen auftreten. 

Schädeldeformitäten 

In Kombination mit einem KiSS-Syndrom können Schädeldeformitäten (Plagiocephalien), die durch eine Abflachung des Schädels entstehen, zu weiteren Entwicklungsproblematiken führen. Bei der Geburt ist der Schädel vergleichsweise weich, und die Schädelplatten können sich leicht verschieben. Zwischen den Schädelplatten befinden sich die Schädelnähte, die ab dem 6./7. Lebensmonat verknöchern. Es ist wichtig, eine Plagiocephalie von einer verfrühten Verknöcherung, der Kraniosynostose, zu unterscheiden. Diese kann nicht von einem Chiropraktor behandelt werden, sondern bedarf einer ärztlichen Untersuchung und ggf. operativen Versorgung. Ausschlaggebend für eine asymmetrische Kopfverformung ist die Lagerung des Säuglings, die von einer Bewegungseinschränkung der HWS beeinflusst werden kann. Folgen können Beeinträchtigungen in der motorischen Entwicklung, Koordinationsstörungen, Haltungsschwächen, Migräne und Sprachstörungen sein. 

 

Während Bewegungseinschränkungen bereits früh auffallen, entwickeln sich Schädeldeformitäten über eine gewisse Zeit und sind am deutlichsten nach sechs Wochen zu sehen. Ein frühes Eingreifen kann den Verlauf und die Entwicklung stark beeinflussen. Die Auffälligkeiten können häufig komplett beseitigt werden. 

 

Stillprobleme 

Diese können von einer Kiefergelenksblockade, auch durch ein zu kurzes Zungen-, Lippen- oder Wangenband ausgelöst werden. Stillprobleme äußern sich dadurch, dass das Kind nicht in der Lage ist, an der Brust „anzudocken“, ein Vakuum zu erzeugen oder Geräusche, z. B. Klicken oder Schnalzen, beim Saugen entstehen zu lassen. Auch hier ist ein Besuch bei einem auf Kinder spezialisierten Chiropraktor sinnvoll. 

 

Weitere häufige Beschwerden 

Andere Problematiken, die durch Blockaden ausgelöst werden, können sich durch vermehrtes Schreien, Unruhe, Koliken und eine motorisch verlangsamte Entwicklung äußern. Koliken können durch eine chiropraktische Behandlung verbessert werden. Dies haben verschiedene Studien wissenschaftlich belegt. (1) 

 

 

ARBEITSWEISEN EINES CHIROPRAKTORS

 

Anamnese 

Die Anwendung chiropraktischer Techniken erfolgt zumeist schon bei der ersten Vorstellung. Nach einer ausführlichen Anamnese, um den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt zu verstehen, folgen die Untersuchung und direkt anschließend eine erste Behandlung. Die häufigste Frage, die von frisch gebackenen Eltern gestellt wird, ist: „Was machen wir falsch?“ Die Antwort ist: „Nichts.“ Symptomatiken (z. B. KiSSSyndrom, Schädeldeformität) entstehen häufig bereits durch die Lage des Fötus im Mutterleib während der Schwangerschaft, durch den Geburtsvorgang inklusive Wehentätigkeit und durch mögliche Interventionen während der Geburt, die durchaus notwendig gewesen sein können, um das Wohlergehen von Mutter und Kind sicherzustellen. Nach der Geburt ist die abwechslungsreiche Lagerung des Kindes wichtig, um einer Schädeldeformität vorzubeugen. 

 

Untersuchung 

Bei der chiropraktischen Untersuchung wird jedes Gelenk hinsichtlich seiner Beweglichkeit überprüft, auch die Reflexe und die Reaktionsfähigkeit des Säuglings werden getestet. Wenn der Gesundheitszustand zufriedenstellend ist und einer Behandlung nichts entgegenspricht, werden gefundene Blockaden mit sehr leichtem Druck gelöst, sodass die Beweglichkeit der Gelenke wiederhergestellt wird. 

 

Kontraindikationen für eine chiropraktische Behandlung sind Fieber, Hautausschlag und Infektionskrankheiten. 

 

Methoden 

Die sehr behutsame Behandlung des Säuglings zielt auf die Wiederherstellung der Gelenkbeweglichkeit. Besonders bei Schädeldeformitäten wird direkt am Kopf behandelt, um Spannungen zu lösen und der Symptomatik entgegenzuwirken. Konkret werden neben chiropraktischen auch osteopathische Techniken eingesetzt, die durch leichtes Halten der Verspannung oder Blockade helfen, diese zu beheben. 

Dmitry Naumov I adobe.stock.com

Eine Behandlung dauert bei Säuglingen in der Regel nur 10-15 Minuten. Auch muss der angewandte Druck sehr gering sein, damit das kindliche Nervensystem, das noch nicht vollständig entwickelt ist, nicht überreizt wird. Es ist wichtig, dass sich das Baby wohlfühlt. Dieser Punkt steht – unabhängig vom Alter der Patienten – im Mittelpunkt jeder Behandlung. Relevant ist ebenso, dass die Kinder, auch ältere, das Gefühl haben, in die Therapie mit einbezogen zu sein. Nicht zuletzt möchte längst nicht jedes Kind angefasst werden. 

 

Mit den Eltern können Strategien für den Alltag besprochen werden, um dem Nachwuchs nicht nur während der Behandlung die nötige Unterstützung für seine Genesung zu ermöglichen. Zu diesen gehört, das Kind zu motivieren, den Kopf in beide Richtungen zu drehen, indem man z. B. das Kinderbett umdreht, das Baby auf der anderen Seite trägt als sonst, weil es immer den Kopf in Richtung des Gesichts der Eltern dreht, oder spielerisch die Bewegung des Kopfes entgegen der Lieblingsseite fördert. 

 

Erfolge werden bei den kleinen Patienten meist schon nach der ersten Behandlung festgestellt, weshalb häufig 2-3 Sitzungen ausreichen, um die akute Problematik zu beheben. Weiterführende Behandlungen werden empfohlen, um die nächsten Entwicklungsschritte des Kindes zu unterstützen. 

 

MEILEN- UND GRENZSTEINE

Meilensteine sind wichtig, um zu überprüfen, ob sich ein Kind altersgerecht entwickelt. Ein Meilenstein ist der Zeitpunkt, an dem ein bestimmter Entwicklungsschritt zum ersten Mal auftritt. Grenzsteine bestimmen den Zeitpunkt, an dem 90% aller Kinder einen bestimmten Entwicklungsschritt erreicht haben. Sie können Hinweise geben, die auf einen eventuellen Rückstand hindeuten. 

 

Besonders während größerer Transformationen sind Kinder auf die volle Funktionsfähigkeit des Nervensystems angewiesen, angefangen vom ersten Rollen über das Krabbeln und Laufen bis hin zum ersten Zahn. Später können durch Stürze beim Laufenlernen, Klettern oder Turnen Blockaden entstehen, welche die Entwicklung stören und rückkoppelnd Auswirkungen auf das Nervensystem haben. Ebenso können Entwicklungsrückschritte durch Blockaden ausgelöst werden. Außerdem kann jegliche Weiterentwicklung des Bewegungsapparats zu neuen Beschwerden im muskuloskelettalen Bereich führen. 

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Nächste Entwicklungsschritte 

Eltern sollten auf eine symmetrische Entwicklung achten. Die Füße und der harmonische Ablauf der unteren Extremität beim Gehen, Laufen und Springen sind äußerst wichtig im Kindesalter, was durch eine optimale Beweglichkeit aller Gelenke unterstützt werden sollte. Bei Bewegungseinschränkungen einzelner Gelenke kann es zu asymmetrischen Bewegungsabläufen kommen, welche die motorische Entwicklung beeinträchtigen können. Hieraus entwickeln sich womöglich Rücken-, Nacken- oder Kopfschmerzen. Es kann sogar eine unnatürliche Krümmung der Wirbelsäule entstehen.  

 

Auch später, im Schulalter, sollte die Sitzposition in der Klasse im Auge behalten und ein nicht zu schwerer Schulranzen verwendet werden. 

 

Nicht zuletzt muss der Reifung des Kiefers Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der drastische Wechsel vom Kindergarten in die Schule kann bei vielen Kindern für Stress sorgen. Einen ganzen Vormittag still zu sitzen und den Anforderungen des Schulsystems gerecht zu werden, kann weitreichende Folgen haben. Bei Kindern kann sich dies durch Knirschen oder Beißen der Zähne zeigen (Bruxismus), was oft zu Verspannungen im Kiefer- und Nackenbereich führt. Ähnlich wie bei Erwachsenen können Symptome, z. B. Kopfschmerzen, Unwohlsein und Knacken beim Öffnen des Mundes, auftreten. Im Kindes- und Jugendalter sollte man besonders auf diese Symptome achten, da der Kiefer noch im Wachstum ist und der Zahnwechsel erneute Spannungen mit sich bringen kann. 

 

 

FAZIT

Chiropraktik kann Schwangeren, Babys und Kindern bei unterschiedlichsten Symptomen weiterhelfen. Die Anwendung wird immer an Alter und Größe des Kindes angepasst und erfolgt anfangs mit nur sehr leichtem Druck am blockierten Gelenk. Je größer das Kind wird, desto mehr Druck kann zum Einsatz kommen. Schwangere dürfen ebenso sanft behandelt werden, da Bänder und Sehnen aufgrund der Hormonumstellung weicher sind, wodurch weniger Kraft benötigt wird, um Blockaden zu lösen. 

 

 

LITERATUR 

(1) Miller, J: Evidence-Based Chiropractic Care for Infants – Rationale, Therapies and Outcomes. Praeclarus Press, 2019 

Joline Anielle Grawunder, MCHIRO

Chiropraktik-Studium am Anglo-European College of Chiropractic (UK), berufstätig in Braunschweig und München, aktuell Master-Studium im Sportbereich an der University South Wales (UK)

grawunder@chiropraktoren.info

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