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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2019

Adaptogene Pflanzen wecken frische Kräfte

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Obwohl den Menschen Adaptogene schon seit Jahrtausenden bekannt sind, stammt dieser Begriff aus der Neuzeit. Geprägt wurde er 1958 vom russischen Arzt und Forscher Dr. Nicolai Lazarev, der mit seinen Kollegen Heilpflanzen bezüglich ihrer Wirkeffekte kategorisierte. Das Wort entstammt dem lateinischen „adaptare“, was „anpassen“ bedeutet. Und „Anpassung“ gehört zu den Haupteigenschaften der Adaptogene. Heute weiß man, dass neben Pflanzen auch Pilze und Substanzen tierischen Ursprungs entsprechende Eigenschaften haben. Dieser Artikel konzentriert sich auf die gesundheitlichen Effekte von Heilpflanzen.

Adaptogene

  • haben eine unspezifische pharmakologische Wirkung
  • wirken balancierend auf den Körper (Homoöstase)
  • entfalten ein synergistisches Wirkspektrum
  • sind ungiftig und ohne Nebenwirkungen
  • unterstützen den allgemeinen Energiestoffwechsel
  • stabilisieren die Funktion von Immun- und Nervensystem
  • haben Anti-Aging-Eigenschaften
  • treiben Leistung und Ausdauer an
  • fördern die Rekonvaleszenz

Adaptogene erhöhen die Fähigkeit des Körpers, mit belastenden Umweltfaktoren zurechtzukommen. Gemäß Definition des Committee on Herbal Medicinal Products (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA sollen sie die Resistenz des Organismus gegen ein breites Spektrum an widrigen biologischen, chemischen und physikalischen Faktoren verbessern. Im Gegensatz zu Tonika und Stimulanzien soll eine durch Adaptogene erhöhte Arbeitskapazität nach dem Absetzen nicht wieder sinken.

Die vorteilhafte Wirkung von Adaptogene wird v.a. mit ihrem Einfluss auf die hormonelle Achse vom Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde in Verbindung gebracht. Diese spielt bei Stressphänomenen eine zentrale Rolle und ist mitverantwortlich für die Reaktionen des Körpers auf wiederholte Belastungen. Hierzu gehören u.a. ein geschwächtes Immunsystem, Erschöpfungszustände und vorzeitige Alterung.

Anwendungsfelder

  • Stresszustände
  • in Zeiten körperlicher und mentaler Belastung
  • Konzentrationsstörungen und Müdigkeit
  • Depressionen
  • Bluthochdruck
  • Schlafstörungen
  • chronische Schmerzen und Entzündungen
  • Gelenkschmerzen
  • Impotenz/Libidoverlust
  • Diabetes
  • Herz-/Kreislauferkrankungen
  • Grippe und Erkältung
  • Strahlenbelastungen
  • zur allgemeinen Steigerung des Energiestoffwechsels

Jedes Adaptogen hat eine individuelle „Nische“, in der seine Heileigenschaften besonders stark zum Tragen kommen.

Bedeutende pflanzliche Adaptogene

• Ginseng (Panax ginseng)
Die Pflanze aus der Familie der Araliaceae kommt hauptsächlich in Korea, Sibirien und China vor. In der Wildnis ist sie schwer zu finden, sie steht unter strengem Naturschutz. Für die Erzeugung pharmazeutischer Produkte wird sie weltweit kultiviert. Je nach Verarbeitung unterscheidet man den weißen Ginseng (entspricht den nach der Ernte geschälten, gebleichten und getrockneten Wurzeln) und den roten Ginseng, der öfter für medizinische Zwecke verwendet wird (entspricht den nach der Ernte mit Wasserdampf behandelten und getrockneten Wurzeln).

Hauptwirkstoffe: Ginsenoide (inzwischen 30 verschiedene bekannt)

Wie andere Adaptogene steigert Ginseng die Aktivität des ZNS, stärkt das Immunsystem, regt den Stoffwechsel an, senkt hohe Blutdruckwerte und hebt zu niedrige. Er verbessert die Durchblutung, reguliert den Fettstoffwechsel, senkt den Blutzuckerspiegel, schützt vor Arteriosklerose und Thrombose. In der TCM nutzt man die Wurzel als allgemeines Stärkungsmittel bei Schwächezuständen aller Art, auch als Potenzmittel sowie natürlichen Blutverdünner. In den letzten Jahren wurden immer wieder Studien zur Wirkung der Ginsengwurzel veröffentlicht. Wissenschaftler zeigten u.a., dass die langfristige Einnahme von rotem Ginseng vor Grippe- und Erkältungskrankheiten schützen kann. Auch bei Allergien belegt eine koreanische Doppelblindstudie aus dem Jahr 2011 bei Menschen deutliche Verbesserungen und eine gestiegene Lebensqualität.

• Chinesisches Spaltkölbchen (Schisandra chinensis)
Schisandra aus der Familie der Schisandraceae ist eine blattabwerfende Liane mit einer Länge von 10-15 Metern. Sie ist extrem winterhart und recht anspruchslos. Man findet sie in Russland, China, Japan und Korea. Alle Teile der Pflanze riechen nach Zitrone. Verwendet werden die Beeren.

Hauptwirkstoffe: Lignane (Chomisine, Y-Schisandrin, Desoxi-Schisandrin etc.)

Die chinesische Bezeichnung „Wu Wei Zi“ bezieht sich auf die fünf Geschmacksrichtungen, die Schisandra hervorbringt – eine absolute Seltenheit in der Pflanzenwelt. Die Beeren schmecken süß, sauer, bitter, salzig und etwas scharf zugleich. Das macht sie in der TCM zu einem universellen Stärkungsmittel. In China wird Schisandra auch als Verjüngungselixier geschätzt. Die Pflanze wirkt sehr positiv, wenn es um die Anpassung des Organismus an extreme äußerliche Bedingungen geht (Hitze, Frost, Klimawechsel). Schisandra-Präparate werden ebenso bei Tätigkeiten eingenommen, die enorme physische und psychische Widerstandskraft erfordern (z.B. Kosmonauten, Piloten, Sportler etc.).

• Hirschwurzel (Rhaponticum carthamoides)
aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) ist eine geheimnisvolle endemische Pflanze aus dem Altai- und Sajan-Gebirge. Zu medizinischen Zwecken im Humanbereich kommt die Wurzel zum Einsatz.

Hauptwirkstoffe: Ecdysone (mit Steroidhormonen von Insekten vergleichbar, aber auch in Pflanzen, z.B. in Spinat und Quinoa)

Sie wird von Kraftsportlern während intensiver Trainingsphasen und zur Vorbereitung auf Wettbewerbe angewendet. Ebenso wird sie Menschen in Extremsituationen (z.B. Rettungskräften) empfohlen. Die Ecdysone bewirken einen Muskelaufbau (natürliche Anabolika) und haben in Kombination mit anderen enthaltenen Substanzen adaptogen-stimulierende Effekte. So ist die Hirschwurzel auch als potenzsteigerndes Mittel bekannt, das selbst bei längerer Einnahme keine Nebenwirkungen zeigte. Bei Frauen wirkt sie sich positiv auf Libido und Fertilität aus.

• Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus)
Diese Heilpflanze mit immunmodulierenden Eigenschaften gehört zur Familie der Araliengewächse (Araliacea). Der dornige Strauch ist in Russland, China und Korea beheimatet. Als Arzneidroge werden die getrockneten Rhizome und Wurzeln, auch die Blätter und Beeren verwendet.

Hauptwirkstoffe: Eleutheroside (vorwiegend Triterpensaponine und Phenylpropanoide)

Die Wirksamkeit der Taigawurzel ist in Russland seit den 1950er-Jahren bekannt. Sie wurde zur Leistungssteigerung des Olympia-Teams eingesetzt und im Zuge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zur Eindämmung von Strahlenschäden an die Bevölkerung verteilt. Seit Anfang der 1990er-Jahre findet die Pflanze auch in Europa Verwendung. Sie bewirkt eine verbesserte Durchblutung des Gehirns, weshalb sie bei Konzentrationsschwäche, Gedächtnisproblemen und Vergesslichkeit eingesetzt wird. Zudem findet sie Anwendung bei Müdigkeit oder allgemeinem Unwohlsein. Die Taigawurzel ist das Heilmittel der Wahl, wenn es darum geht, den Körper nach langwierigen Krankheiten aufzubauen und zu stärken. Sie kann auch zur alltäglichen Stressbewältigung eingenommen werden.

• Rosenwurz (Rhodiola rosea)
Die Gattung Rhodiola aus der Familie der Dickblattgewächse (Crassulaceae) ist in Europa, Sibirien, Ostasien und Nordamerika weit verbreitet. Die Rosenwurz hat sich den unwirklichen Lebensbedingungen der subarktischen und alpinen Gebiete angepasst. Der deutsche Name leitet sich vom Duft der Wurzel ab, die auch zu medizinischen Zwecken verwendet wird.

Hauptwirkstoffe: Zimtalkoholderivate (Rosavin, Rosarin, Rosin) und Phenylethanoide (Salidrosid oder Rhodiolosid)

In der Volksmedizin wurde die Pflanze schon von den Wikingern, Inuit und anderen sibirischen Völkern zur Unterstützung der geistigen und körperlichen Vitalität genutzt. Das seit Mitte des 20. Jahrhunderts gewachsene weltweite Forschungsinteresse zeigt, dass Rosenwurz eine stressbedingte mentale oder körperliche Erschöpfung wirklich bessern kann. Rosenwurz-Präparate nehmen Einfluss auf den Serotoninspiegel im Gehirn. Man ist positiv gestimmt, emotional ruhig und gleichzeitig geistig klar. Daher profitieren Menschen, die geistig und körperlich überbelastet sind und die von Müdigkeit, Ängsten und Depressionen geplagt werden. Bei Trennungen oder Todesfällen ist Rosenwurz ein gutes Erste-Hilfe-Mittel und begleitet in der Verarbeitungsphase. Sie ist ebenso eine große Hilfe bei Winterdepressionen aufgrund von Lichtmangel.

• Igelkraftwurz (Oplopanax elatus)
Die Pflanze ist in Russland endemisch und steht mittlerweile auf der Roten Liste. Für Heilzwecke wird sie kultiviert. Verwendet werden die Wurzeln. Sie werden im Herbst, nach der Reife der Früchte, ausgegraben, gereinigt und getrocknet. Qualitativ hochwertige Rohstoffe haben eine weiß-gelbe Farbe, ein spezifisches, angenehmes Aroma und einen bitteren Geschmack mit scharfer Note. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass die oberirdischen Pflanzenteile (Stängel, Stiele, Blätter) die gleichen Heileigenschaften haben wie der unterirdische Wurzelstock.

Hauptwirkstoffe: Glykoside, Saponine (Echinoxoside), Triterpenoide und Lignane

Igelkraftwurz wird angewendet bei asthenischen und depressiven Zuständen, bei psychischer und physischer Erschöpfung, Ängstlichkeit, Schlafstörungen sowie bei sexueller Unlust bis hin zu Impotenz. Ebenso findet sie Verwendung im Anfangsstadium von Diabetes, bei Herz-Kreislauf-Beschwerden, vegetativer Dystonie und in der Rekonvaleszenz.

Die zahlreichen klinischen Studien wurden i.d.R. in der ehemaligen UdSSR durchgeführt. Beispielhaft reduzierten sich bei asthenischen und depressiven Patienten Schmerzzustände, Schlafstörungen, Müdigkeit und Reizbarkeit. Die Patienten wurden aktiver und fröhlicher, ihre mentale und emotionale Belastbarkeit stieg signifikant. Bei gesunden Probanden konnte eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit und der Widerstandskraft gegen unterschiedliche biologische und physikalische Stressfaktoren gezeigt werden.

• Aralie (Aralia elata),
die „nordische Palme“, gehört zur Familie der Araliengewächse (Araliacea). Ursprüngliche Herkunftsgebiete sind Russland, China, Japan und Korea. Heute wird der Baum auf der gesamten Nordhalbkugel kultiviert. Zur Anwendung kommen Wurzel und Rinde (Borke). In der Volksmedizin werden auch Blätter und Blüten eingesetzt.

Hauptwirkstoffe (Wurzel): Triterpensaponine (u.a. Araloside)

Die Aralie zeigt Ähnlichkeiten mit dem Wirkspektrum von Ginseng. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sie in manchen Fällen sogar die Wirkung von Ginseng auf das ZNS übersteigt.

Die Pflanze verbessert die Gehirndurchblutung, stärkt die Blutgefäße und beugt altersbedingten Veränderungen in den Hirnzellen vor. Deshalb wird sie v.a. älteren Menschen mit Gedächtnisschwäche verschrieben. Daneben verbessert sie Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Denkvermögen und führt zu einer Erhöhung der Widerstandskraft gegen negative psychische und physische Einflüsse. Stress lässt sich wesentlich besser bewältigen.

Zubereitung und Dosierung

Es stehen viele sichere Fertigpräparate zur Verfügung. Aufgrund ihrer tonisierenden und stimulierenden Wirkung sollten diese nicht später als fünf bis sechs Stunden vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Bei stark erhöhtem Blutdruck ist von einer Einnahme abzusehen!

Überdosierung führt zu Reizbarkeit, Erregung und Aggressivität. Bei auftretenden Symptomen sollte die Dosierung gesenkt und mit dem Therapeuten darüber gesprochen werden.

Fazit

Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass das Interesse an Adaptogenen gerade in der heutigen Zeit so stark gewachsen ist: Wir brauchen sie! Mit diesem Geschenk der Evolution können wir sehr wirkungsvoll gegen Stress und seine Folgeerscheinungen vorgehen. Adaptogene bescheren frische Energie und einen klaren Geist. Schließlich sind sie nicht nur bei kranken und erschöpften Menschen angezeigt, sondern sie unterstützen auch den Gesunden in seiner Kraft!

Natalia LeutnantNatalia Leutnant
Dipl.-Biologin, Heilpflanzenexpertin, Autorin

nappleut@aol.com

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Natalia Leutnant:
Ginseng, Taigawurzel, Rosenwurz.
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