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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2019

Feldenkrais: Fitness für Körper & Geist

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Ein verspannter Kiefer kann Kopfschmerzen auslösen, verkrampfte Fußgelenke können der Grund für Rückenprobleme sein – unser Körper bildet eine Einheit, alles spielt zusammen. Auch und v.a. bei Bewegungen reagiert er als Ganzes. Diese Entdeckung machte der Physiker Dr. Moshé Feldenkrais (1904-1984) in den 1950er-Jahren, als sein eigenes Knieleiden ihn dazu brachte, sich mehr mit dem Studium der Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers zu beschäftigen. Er fand heraus, dass die Beweglichkeit des Körpers unmittelbar mit der des Geistes verknüpft ist. Je bewusster wir Bewegung ausführen, desto effektiver kann sie werden. Daraus entwickelte er die außergewöhnliche und nach ihm benannte „Feldenkrais-Methode“.

Bewusstheit ist das Zauberwort

Hinter dem Namen verbirgt sich ein sanftes Lernprogramm, das es ermöglicht, die eigene Bewegungsvielfalt (wieder) zu entdecken und zu erhalten sowie unterschiedliche Hirnareale zu aktivieren. Durch feine, teils ungewohnte, bewusst ausgeführte Bewegungen entstehen neue Verschaltungen im Nervensystem. Dadurch werden Feldenkrais-„Übungen“ (Feldenkrais selber nannte sie Lektionen) ganz nebenbei zu einem Gehirnjogging. Auf körperlicher Ebene helfen sie, lange gesund, fit und beschwerdefrei zu bleiben.

Einfach ganzheitlich

Die bewusste Körperwahrnehmung ist bei Feldenkrais zentral. Je feiner diese ist, desto besser können Sie sich vor Fehlhaltung und -belastung schützen. Durch diese Bewusstheit lernen Sie Ihren Körper immer besser kennen und wissen im Laufe der Zeit genau, was Ihnen gut tut oder wann Sie eine Pause brauchen.

Die meisten Übungen können ohne viel Zeitaufwand in den Alltag integriert werden. Sie wirken ganzheitlich. Selbst wenn ein Aktionsschwerpunkt angegeben wird, ist doch stets der gesamte Körper einbezogen. Der erwähnte Schwerpunkt erhält lediglich eine erhöhte Aufmerksamkeit. So kann eine „Wirbelsäulen-Lektion“ u.U. genauso aktivierend für die Hüftgelenke sein und umgekehrt.

Feldenkrais entspannt

Auch wenn Feldenkrais keine Entspannungsmethode im eigentlichen Sinn ist, so wirkt sie dennoch und häufig gerade bei körperlich unruhigen Menschen sehr entspannend. Denn jeder Übende darf sich darauf einstellen, dass er sich in Ruhe bewegen darf, damit u.a. seinen Muskeltonus senkt und sich dies beruhigend auf den Geist auswirkt.

Im Folgenden ist eine Lektion beschrieben, für die Sie lediglich 10-15 Minuten Zeit benötigen. Wenn Sie diese gleich nach dem Aufwachen durchführen, macht das beweglich und fit für den Tag. (Natürlich funktioniert die Übung auch vor dem Einschlafen.)

Ihre Kleidung sollte bequem sitzen, damit sie bei der Ausführung nicht hinderlich ist. Seien Sie achtsam mit sich, bewegen Sie sich langsam und ohne Anstrengung. Folgen Sie Ihrem eigenen Lerntempo. Ihr Nervensystem braucht die beschriebenen Pausen, um die neuen Bewegungen zu integrieren. Gleichzeitig entspannen Sie.

Fragen, die im Text der Lektionen gestellt werden, gehören zur Methode. Sie lenken die Aufmerksamkeit nach Innen.

Das Bewegungsprogramm:

Sanfte Mobilisation von Wirbelsäule, Knie und Hüftgelenk
Legen Sie sich bequem hin und beginnen Sie in der Rückenlage. Die Beine sind lang, die Arme liegen entspannt neben dem Körper. Sie nehmen Ihre Wirbelsäule wahr, spüren Schultern, Arme sowie die Beine, von den Hüftgelenken beginnend bis zu den Füßen. Bleiben Sie für fünf bis sieben Atemzüge in dieser Achtsamkeit.

Stellen Sie nun die Füße hüftbreit voneinander entfernt auf den Boden und beginnen Sie, das rechte Knie nach rechts sinken zu lassen und wieder in Richtung Zimmerdecke nach oben zu bringen. Dieses Sinken und Aufrichten des Knies vollziehen Sie langsam und bewusst. Spüren Sie dabei Ihre rechte Leiste und den Bereich Ihres Kreuzbeins. Nach sieben bis zehn Wiederholungen führen Sie die Bewegung mit dem linken Knie durch. Sie lassen das Knie nach links sinken und richten es wieder auf. Führen Sie hier ebenfalls sieben bis zehn langsame und bewusste Bewegungen durch und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit zur linken Leistenbeuge, zu Ihrem linken Hüftgelenk.

Machen Sie dann eine kleine Pause (vier bis fünf Atemzüge), strecken Sie die Beine aus und spüren Sie der Bewegung nach. Wie liegt Ihr Rücken jetzt auf der Unterlage auf?

Stellen Sie wieder beide Füße auf wie zuvor. Nun nehmen Sie die Hände an den Hinterkopf, sodass beide Ellenbogen zur Seite zeigen. Nehmen Sie wahr, wie die Auflagefläche des Rückens sich in Verbindung zur Unterlage verändert, dadurch, dass Sie die Füße aufgestellt und die Hände an den Hinterkopf gelegt haben. Vielleicht spüren Sie Ihre Wirbelsäule klarer in Verbindung zur Unterlage. Beginnen Sie, die Ellenbogen in Richtung Zimmerdecke zu ziehen und anschließend wieder zum Boden zu senken. Tun Sie das langsam und bewusst. Spüren Sie, wie sich bei diesem Heben und Senken die Position Ihrer Schulterblätter verändert. Mit dem Heben der Ellenbogen entfernen sich die Schulterblattränder von der Wirbelsäule. Mit dem Senken der Ellenbogen nähern sie sich der Wirbelsäule. Nach sieben bis zehn Bewegungen machen Sie eine kleine Pause. Strecken Sie die Beine wieder aus und legen die Arme neben den Körper (vier bis fünf Atemzüge).

Dann nehmen Sie erneut beide Hände an den Hinterkopf und stellen beide Füße auf der Unterlage auf. Sie beginnen, die beiden vorigen Bewegungen miteinander zu verbinden. Sie lassen beide Knie nach außen kippen und ziehen sie wieder zur Mitte zurück. Gleichzeitig bewegen Sie die Ellenbogen zueinander und auseinander. Probieren Sie, die Bewegung anfänglich synchron auszuführen. Die Ellenbogen heben sich in dem Moment, in dem die Knie in Richtung Zimmerdecke zeigen. Fallen die Knie nach außen zum Boden hin, senken sich die Ellenbogen ebenso dorthin etc. Wiederholen Sie das sieben bis zehn Mal. Dann machen Sie wieder eine kurze Pause (vier bis fünf Atemzüge), strecken die Beine lang aus und legen die Arme neben den Körper.

Nehmen Sie noch einmal beide Hände an den Hinterkopf und stellen beide Füße auf der Unterlage auf. Beginnen Sie die vorige Bewegung erneut. Ändern Sie die Abfolge, indem Sie die Ellenbogen zueinander ziehen, während Sie die Knie nach außen senken. Auch das wiederholen Sie sieben bis zehn Mal. Dann spielen Sie mit dieser Bewegung – probieren Sie unterschiedliche Möglichkeiten des Hebens und Senkens aus. Welche der Bewegungsmöglichkeiten funktioniert spontan? Machen Sie erneut eine kurze Pause, strecken Sie dazu die Beine und legen die Arme neben den Körper (vier bis fünf Atemzüge).

Kommen Sie in die Ausgangsposition zurück. Die Hände sind am Hinterkopf. Doch dieses Mal stellen Sie allein das rechte Bein auf. Führen Sie die Bewegung, das Heben und Senken des rechten Knies in Verbindung mit der Auf-und-Ab-Bewegung der Ellenbogen durch. Spüren Sie, welche Resonanz im Bereich Schulter, mittlerer Rücken, Hüfte und Kreuzbein zu spüren ist. Während die Ellenbogen das Heben und Senken weiterhin ausführen, strecken Sie Ihr rechtes Bein und stellen das linke auf, um es zur Seite zu senken und wieder aufzustellen. Wiederholen Sie die Bewegung von Ellenbogen und Knien weitere fünf Mal und führen Sie dann eine Pause (vier bis fünf Atemzüge) in der Rückenlage durch.

Zum Abschluss ziehen Sie die Knie zum Bauch, legen jeweils eine Hand auf ein Knie und führen mithilfe Ihrer Hände beide Knie in eine kreisende Bewegung. Sie ziehen die Knie in Richtung Bauch, dann das linke Knie nach links, das rechte Knie nach rechts außen, schieben die Knie nach vorn und anschließend zur Mitte zurück, danach erneut nach außen etc. Wiederholen Sie dieses Kreisen sieben bis zehn Mal. Anschließend führen Sie es in die andere Richtung aus. Während die Hände Ihre Knie in dieser Kreisbewegung lenken, spüren Sie die Kontaktveränderung, die im Bereich unterer Rücken, Kreuzbein entsteht. Nun strecken Sie sich noch einmal für eine Pause aus (vier bis fünf Atemzüge).

Nehmen Sie die vorige Ausgangsposition ein, mit jeweils einer Hand auf einem Knie. Ziehen Sie beide Knie sanft in Richtung Bauch und beginnen Sie eine Schaukelbewegung, mal nach rechts, mal nach links. Führen Sie dieses Schaukeln von Seite zu Seite spielerisch aus, wie ein Kind. Spüren Sie die entspannten Knie- und Hüftgelenke und die Beweglichkeit Ihrer Wirbelsäule. Das Schaukeln wiederholen Sie sieben bis zehn Mal. Danach legen Sie sich ausgestreckt auf die Unterlage und spüren den Bewegungen nach.

Fazit

Feldenkrais ist eine sehr sanfte Bewegungslehre. Überanstrengungen oder Verletzungen sind nahezu ausgeschlossen. Sollte Ihnen beim Üben in dieser Hinsicht etwas auffallen, was Fragen aufwirft, wenden Sie sich an einen Arzt, Heilpraktiker oder Feldenkrais-Lehrer Ihres Vertrauens.

Carola BleisCarola Bleis
Bewegungstherapeutin, Feldenkrais-Lehrerin, Buchautorin

info@carolableis.de


Buch-Tipp

Carola Bleis:
Feldenkrais – Bewegung bewusst erleben.
BLV by Gräfe & Unzer Verlag

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