aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2022
Mykotherapie bei Tieren
Die Mykotherapie ist ein relativ neuer Bereich in der Naturheilkunde und beruht auf dem Einsatz von Vitalpilzen. Auch die Anwendung bei Tieren erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Das Konzept stammt aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Heute belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien die Wirkung der Inhaltsstoffe verschiedener Pilze, was darauf zurückzuführen ist, dass sie eine einzigartige Mischung verschiedener Substanzen in sich vereinen, die man sich bei diversen Erkrankungen (im Human- und Veterinärbereich) zunutze machen kann. So bilden Vitalpilze neben der Schulmedizin und der Kräuterkunde eine interessante Möglichkeit, den Patienten zu unterstützen. In diesem Artikel geht es um die Therapieoptionen in der Tierheilkunde.
Pilze – geheimnisvolle Wesen
Oft kennt man Pilze nur vom Speiseplan, meist beschränkt sich das auf Champignons und Eierschwammerl (Pfifferlinge). Dabei sind Pilze unglaublich vielfältige und spannende Lebewesen. Sie gehören weder zum Reich der Pflanzen noch zu dem der Tiere. Pilze sind sesshaft wie Pflanzen und haben Zellwände, allerdings nicht aus Zellulose, sondern aus Chitin. Im Gegensatz zu Pflanzen betreiben sie keine Photosynthese, sondern ernähren sich von organischem Material, z.B. totem Holz. Ihr Stoffwechsel produziert ein Arsenal hochaktiver Substanzen, um Nährstoffe und Mineralien aus den unterschiedlichsten Böden und anderen Substraten herauszulösen.
Zudem benötigen Pilze für ihren Stoffwechsel oft organische Nährstoffe, die von anderen Lebewesen gebildet werden, deshalb gehen sie häufig Symbiosen mit anderen Organismen ein. Aufgrund dieser Besonderheiten bilden die Pilze in der biologischen Klassifikation ein eigenes Reich (Fungi). Niemand weiß bis heute genau, wie viele Pilzarten es gibt, Schätzungen gehen weltweit von 5 Millionen Arten aus.
Altes Wissen neu entdeckt
In Asien arbeitet man schon seit Jahrtausenden mit Heilpilzen wie Shiitake, Maitake, Reishi, Hericium etc. In der TCM werden sie erfolgreich bei den unterschiedlichsten Indikationen eingesetzt. Sie helfen, die Selbstregulation der Körperzellen stabil zu halten und den gesamten Organismus zu stärken. Im Zentrum steht das Wiederherstellen des natürlichen Gleichgewichts von Stoffwechselprozessen. Vitalpilze unterstützen dabei insofern, dass sie ausgleichend auf den Mineralstoff-, Spurenelement-, Enzym-, Hormon- und Wasserhaushalt wirken.
Pilze als Adaptogene
Adaptogene wirken, indem sie dem Körper helfen, sich an besondere (Stress-)Situationen anzupassen. Es handelt sich um natürliche Wirkstoffe aus Kräutern, Wurzeln oder Pilzen. Diese Substanzen dienen der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit und erhöhen die Widerstandskraft. Dabei regulieren sie z.B. das Gleichgewicht zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Nebennieren. Diese drei hormonproduzierenden Drüsen sind maßgeblich an jeder Stressreaktion beteiligt. Dabei ist es egal, in welche Richtung der Körper aus dem Gleichgewicht gerät; Adaptogene helfen, ihn wieder in Balance zu bringen. Zum Beispiel kann derselbe Pilz auch ein überschießendes Immunsystem drosseln und in anderen Situationen eine schwache Immunreaktion wieder aktivieren – die Immunabwehr wird wirksam moduliert und reguliert.
Bekannte Vitalpilze im Kurzporträt
Es gibt geschätzt 240 verschiedene Arten, die man therapeutisch verwenden kann. In Europa sind 12 Pilze verstärkt im Einsatz, von denen ich einige näher vorstellen möchte:
• Chaga (Schillerporling) zur begleitenden Therapie bei Haut- und Magen-Darm-Krankheiten oder zur Unterstützung der Wundheilung.
• Cordyceps sinensis (Chinesischer Raupenpilz) bei Stress, zur Unterstützung der Regeneration, zur Steigerung der Leistungsfähigkeit oder Aufhellung der Stimmung. Man setzt ihn auch zur Unterstützung des Immunsystems, des Hormonsystems und bei Herzrhythmusstörungen ein.
• Hericium erinaceus (Igelstachelbart) wird aufgrund seiner beruhigenden Wirkung auf die Schleimhautzellen im Darm zur Regulation von Magen- und Darmproblemen genutzt.
• Maitake (Klapperschwamm) wird unterstützend im Rahmen von Krebstherapien und bei Diabetes eingesetzt. Auch zur Blutdruckregulierung sowie zur Unterstützung der Leber kann man ihn heranziehen.
• Reishi (Glänzender Lackporling) wendet man begleitend in der Krebstherapie, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Leberkrankheiten an.
• Shiitake aktiviert das Immunsystem bei viralen sowie bakteriellen Infekten und lindert Gelenksbeschwerden. Weiterhin bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und als begleitende Behandlung bei Krebs.
Inhaltsstoffe der Vitalpilze
Die besondere Wirkung der Pilze beruht auf ihren sehr interessanten sekundären Pflanzenstoffen. Pilze enthalten z.B. Lektine, β-Glucane, Ergosterol und die Aminosäure Arginin. Diese Substanzen können sich an bestimmte Rezeptoren im Körper binden, dadurch ein unerwünschtes Zellwachstum unterdrücken oder das Immunsystem modulieren (stimulieren vs. drosseln). Je nach Indikation können unterschiedliche Pilzarten von Interesse sein, da sich die Vitalpilze im Spektrum ihrer Inhaltstoffe immer etwas unterscheiden.
Es sind v.a. die Polysaccharide (komplexe Zuckerverbindungen), im Fall der Pilze die β-Glucane, die die stärksten Wirkungen auf die Gesundheit haben. β-Glucane (z.B. Lentinan) sind Bestandteile der Pilz-Zellwände und bestehen aus speziell verzweigten Zuckermolekülen. Sie aktivieren u.a. die Natürlichen Killerzellen des Immunsystems, die unerwünschte oder entartete Zellen aufspüren und vernichten.
Terpene wirken entzündungs- und keimhemmend auf Bakterien und Viren. Außerdem haben sie einen positiven Einfluss auf Blutgefäßsystem, Fettstoffwechsel und Immunsystem. Sie können schmerzstillend wirken.
Schließlich enthalten Pilze Mineralstoffe (z.B. Kalium, Phosphor), Spurenelemente (Selen, Eisen, Kupfer, Mangan, Zink) und sind reich an B-Vitaminen.
Pulver oder Extrakt
Je nachdem, welche Inhaltsstoffe der Pilze man sich zunutze machen möchte, muss man zwischen den Aufbereitungsformen Pulver oder Extrakt wählen:
Zur Herstellung des Pulvers werden die Pilze getrocknet und zerkleinert. Es enthält alle Inhaltsstoffe des jeweiligen Pilzes. Für die Aufnahme wichtiger Vitamine und Mineralstoffe ist es bestens geeignet.
Extrakte werden aus dem Pulver mit Hilfe verschiedener Lösungsmittel gewonnen, entweder als Tinktur (meist Alkoholauszug) oder als Teeaufguss (wässriger Auszug). Die Verfügbarkeit einiger Mineralien und Spurenelemente verbessert sich durch diese Aufbereitungen. Extrakte können geringer dosiert werden als Pulver. Bestimmte Inhaltsstoffe aber – die unlöslichen, z.B. einige Ballaststoffe und ein Teil der Vitamine – gehen bei der Aufbereitung verloren. Dafür werden andere, z.B. Polysaccharide, stark konzentriert. Diese wirken am stärksten immunmodulierend und sind entscheidend für die Wirkung von Vitalpilzen verantwortlich.
Extrakte und Pulver haben beide ihre Berechtigung und können gut kombiniert werden. Es kommt ganz darauf an, was man erreichen möchte. Geht es z.B. um die entgiftende oder entschlackende Wirkung der Pilze, setzt man auf die gesamten Inhaltsstoffe im Pilzpulver. Steht aber eine Stärkung des Immunsystems im Vordergrund, würde man dem Extrakt den Vorzug geben.
Qualität
Beim Kauf der Produkte muss man unbedingt auf deren Qualität achten. Einen seriösen Anbieter erkennt man daran, dass er die Vitalpilze selbst in Deutschland oder Österreich anbaut und nicht nur zugekauftes Pulver aus China hier in Europa verkapselt. Nur so wird gewährleistet, dass die Produkte keine Pestizid- oder Schwermetall-Belastung aufweisen. Der Anbau dieser Zuchtpilze sollte nach den strengen Kriterien der EU-Norm auf eine naturgemäße und vollkommen biologische Weise erfolgen.
Vorteile der Mykotherapie bei Tieren
Es zeigt sich immer mehr, dass Vitalpilze eine sehr positive Wirkung auf erkrankte Tiere haben. Mit der Mykotherapie kann man die Gesundung von Tieren effizient unterstützen. Vitalpilze werden z.B. bei parasitärem Befall, Leishmaniose, Borreliose, Allergien, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, Entzündungen und Tumoren eingesetzt. Auch bei bakteriellen, fungiziden und viralen Erkrankungen leisten sie wirkungsvolle Unterstützung.
Bei Katzen muss man im Rahmen der Phytotherapie sehr achtsam sein, da die Tiere aufgrund der fehlenden Fähigkeit zur Glucuronidierung Ätherische Öle nicht verstoffwechseln können und es zu Vergiftungen kommen kann. Mit Vitalpilzen hingegen kann man bei Katzen sehr gut arbeiten, da die Pilze keine für die Katze toxischen Stoffe enthalten.
Schulmedizin und Naturheilkunde müssen sich dabei auch nicht ausschließen! Im Gegenteil: Der gezielte Einsatz beider Methoden kann, v.a. bei schweren Erkrankungen, die Genesung bestmöglich gewährleisten.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung?
Auch hohe Dosierungen der Vitalpilze sind für den Körper nicht toxisch, und es gibt kaum einen Gewöhnungseffekt. Selbst bei lebenslanger Gabe bleibt die Effizienz der Pilze erhalten. Je nach Größe des Tieres muss man jedoch bei Verabreichungsart und Dosierung aufpassen. Meist hat die Einnahme von Vitalpilzen keine Nebenwirkungen. Es gibt jedoch einige wenige Ausnahmen, und zwar bei Allergien auf bestimmte Inhaltsstoffe. Solche sind zum Glück aber sehr selten. Da Vitalpilze recht große Mengen an unverdaulichen Eiweißen enthalten, können diese bei Einnahme zu Blähungen führen. Daher wird empfohlen, die Dosis der Vitalpilze langsam und mit Bedacht auf die Endmenge zu steigern. Bis die Pilze ihre volle Wirkung entfalten, kann es etwas dauern. Man muss also darauf vorbereitet sein, dass Verbesserungen nicht innerhalb kürzester Zeit zu erwarten sind.
Anwendung bei Tieren
Im Normalfall stellt man Kombinationen aus 3-4 Vitalpilzen für ein Tier zusammen, die genau auf dessen gesundheitliche Probleme abgestimmt werden. Die Dosierung hängt dabei vom Körpergewicht des Tieres und der Wahl der Verabreichungsform des Pilzes ab. Von Pilzpulvern braucht es meistens etwas mehr im Vergleich zu den konzentrierteren Extrakten.
Für Laien ist es ratsam, sich im Umgang und der Anwendung von Vitalpilzen am Tier von einem ausgebildeten Mykotherapeuten für Tiere begleiten zu lassen.
Die Gabe der Pilze
Bei Hunden hat man meist kein Problem, die Pilze zu geben, da viele Hunde die Kapseln oder das Pilzpulver freiwillig mit dem Futter fressen. Sollte das Tier mäkeliger sein, darf man ein wenig tricksen und die Vitalpilze in Leckereien einpacken.
Katzen sind von Haus aus skeptischer, wenn man ihnen Neues unterjubeln möchte. Daher kann es auch bei der Gabe von Vitalpilzen notwendig sein, diese für die Katze attraktiver zu machen. Manche Vitalpilze, z.B. der Reishi, haben einen bitteren Geschmack, und nur wenige Katzen fressen den gemahlenen Pilz freiwillig mit. Wenn sich die Katze selbst mit Leberwurst oder Schleckpaste nicht überzeugen lässt, kann es notwendig sein, die Vitalpilze aufgelöst in Wasser mit der Spritze zu geben. Im Normalfall gewöhnen sich die Tiere aber an die täglichen Routinen der Gaben und man kann diese dann problemlos auch über einen längeren Zeitraum beimengen.
Fallstudie: Granulom und allergische Reaktion
Bei meiner eigenen Katze Pucca arbeite ich schon über einen längeren Zeitraum mit Vitalpilzen. Sie ist 9 Jahre alt und hat verschiedene gesundheitliche „Baustellen“. Wir haben sie als Kitten von einer Pflegestelle bekommen. Sie hatte schon mit 8 Wochen massive Probleme mit Katzenschnupfen. Als wir sie abholten, waren Augen und Nasen schwer betroffen, und es dauerte 1 Jahr, bis wir sie so fit hatten, dass die Symptomatik fast weg war.
Ursachenforschung
Mit der Zeit stellen wir bei Pucca immer wieder Läsionen an der Lippe fest, bei genauerer Untersuchung ein riesiges eosinophiles Granulom am Zungenansatz hinten im Rachen. Dieses wird im Verlauf so groß, dass es sie am Fressen hindert und sie sogar an Gewicht verliert. Es folgt eine lange Therapie mit Kortison, bis das Granulom sich zurückbildet.
Neben der Futterumstellung führe ich Tagebuch und stelle fest, dass die Problematik offensichtlich mit einer Allergie auf Lindenblüten zusammenhängt. Immer im Juni und Juli – zur Lindenblütenzeit – verschlimmern sich die Symptome. Pucca hat dann mit dem eosinophilen Granulom und starkem Juckreiz zu tun, der zu Verletzungen im Gesicht und Ohren führt.
Erfolg der Vitalpilze
Da wir nicht dauerhaft hohe Dosen Kortison geben wollen, beginne ich mit einer Kombination aus Vitalpilzen, die einen Bezug zu Allergien und auch zum Katzenschnupfen (genauer: Caliciviren) haben. Ich setze dabei auf ABM und Hericium aufgrund ihrer immunmodulierenden Wirkung in Bezug auf die Allergien, und hinsichtlich der Virusinfektion auf Coriolus und Chaga. Mit dieser Kombination schaffe ich es, das Kortison allmählich immer weiter zu reduzieren, sodass Pucca mittlerweile über die meiste Zeit des Jahres gar kein Kortison mehr braucht. Während der Lindenblüte, wenn ihre Probleme sich steigern, benötigt sie statt der Höchstdosierung Kortison, wie es vor 3 Jahren der Fall war, aktuell nur noch eine minimale Dosis über 6-8 Wochen. So übersteht sie die Saison gut.
Mit diesem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, und freue mich, dass meine Katze auch im Sommer weitgehend unbeschwert draußen sein kann und wir ihre Probleme im Griff haben.
Fazit
Vitalpilze stellen neben den Heilkräutern eine wunderbare, sehr erfolgversprechende Möglichkeit dar, Tiere gesundheitlich zu unterstützen und Erkrankungen zu begleiten. Welche Vitalpilze zum Einsatz kommen, hängt ganz von der Problematik ab und wird speziell auf das Tier abgestimmt. Mit der passenden Kombination verschiedener Vitalpilze kann man das Tier dann auch über längere Zeiträume gut begleiten.
Dipl.-Ing. (HTL) Vanessa Rössler
Abschluss in Biochemie/Molekularbiologie, seit 25 Jahren Tätigkeit in der Krebsforschung, Ernährungsberatung für Hunde und Katzen mit Schwerpunkten Phyto- und Mykotherapie, Autorin
info@barf-beratung.at
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