aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2022
Organflüstern – Die Wirbelsäule
Professionelle Psychosomatik für Heilberufe
am Beispiel der Wirbelsäule
Das medizinische Wissen verdoppelt sich gemäß dem Bayerischen Ärzteblatt derzeit etwa alle 73 Tage. Kein Behandler kann daher alles wissen – und dennoch sollen wir für jeden Patienten Heilungswege finden. Erschwerend kommt hinzu, dass wir es in hohem Maße mit chronischen Krankheiten zu tun haben. Die sind jedoch meist hochkomplex und folgen keinem einfachen Ursache-Wirkungs-Modell. Lösungen können daher nur durch ein ganzheitliches Denken und Handeln gefunden werden. Dabei spielen psychosomatische Aspekte zunehmend eine führende Rolle. Hier setzt das Konzept „Organflüstern“ an und beleuchtet in einer professionellen Psychosomatik das Feld zwischen dem Unbewussten und den Organen, wodurch Wege aus der Krise aufgezeigt werden können.
Befundung durch bildgebende Verfahren versus Schmerzintensität
Ein klassisches Beispiel für solche psychosomatischen Kopplungen finden wir bei den Wirbelsäulenbeschwerden. Bereits 1998 war im Gesundheitsbericht der Bundesregierung zu lesen, dass der Einsatz von Röntgenaufnahmen bei Rückenbeschwerden nur bei ca. 2% der Fälle therapeutisch nutzbare Informationen ermöglicht. Leider hat sich diese Situation auch mit dem MRT nicht wesentlich verbessert. So schreibt das Ärzteblatt 2016 in Bezug auf Wirbelsäulenbeschwerden: „Aufgrund möglicher Nebenwirkungen und der Gefahr einer Chronifizierung in Folge von Überdiagnostik sind bildgebende Verfahren streng zu indizieren.“ Die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG) meinte 2019 zum gleichen Thema: „Die Korrelation der Befunde in der Bildgebung mit den klinischen Beschwerden ist nicht gut. Oft werden Befunde in der MRT-Untersuchung überbewertet, tragen zur Verunsicherung der Patienten und damit zur Chronifizierung bei, und haben prognostisch wenig Relevanz.“ Dies deckt sich mit den Erfahrungen in der Praxis, wo die Röntgenund MRT-Befunde erstaunlich wenig mit der Schmerzintensität korrelieren. Damit bleiben die bildgebenden Verfahren letztlich weiterhin Instrumente für die Ausschlussdiagnose und zur rechtlichen Absicherung.
Der Dreiklang jeder guten Therapie
Nun sind es gerade Rückenbeschwerden, die als eine der Hauptursachen Patienten in unsere Praxen führen. Der ganzheitliche Ansatz in der Naturheilkunde berücksichtigt neben „Red Flag“-Symptomen (gravierende Schmerzursachen) ebenso die „Yellow Flags“, die psychosozialen Risikofaktoren. Eine gute Therapie besteht immer aus einem Dreiklang:
- Linderung der akuten Beschwerdesituation, v.a. der Schmerzzustände
- Stabilisieren der Hintergrundsituation im Stoffwechsel und in der Statik
- Psychosomatische Begleitung und Berücksichtigung psychosozialer Faktoren
Vielfältige Beeinflussung von Rückenbeschweren
Je nach Problemstellung wird einer der erwähnten drei Faktoren im Vordergrund stehen und eine führende Rolle haben. Besonders beim Schmerz haben wir es mit einem Phänomen zu tun, das sehr individuell in hohem Maße von psychischen, emotionalen und mentalen Faktoren beeinflusst sein kann. Hierzu gibt es aus dem NLP eine kleine Übung, die wie ein Taschenspielertrick wirkt, aber auf grundlegenden Prozessen unserer Wahrnehmungsverarbeitung beruht:
Veränderung des Schmerzschemas aus dem NLP
Fordern Sie als Erstes Ihren Probanden auf, den Rückenschmerz als schnelle Skizze auf ein Blatt zu malen (funktioniert auch bei anderen Schmerzen). Nun nehmen Sie das Blatt und bewegen es langsam in einem Abstand von 1 Meter vor Ihrem Probanden. Während Sie das Blatt zur Seite, nach oben, unten, näher heran oder weiter weg bewegen, fordern Sie den Probanden auf, dem Blatt mit den Augen zu folgen und Ihnen Feedback zu geben.
• Wo wird der Schmerz stärker?
• Wo schwächer?
• Wo verändert sich die Schmerzqualität?
Im Laufe dieser Übung werden Sie feststellen, dass sich der gefühlte Schmerz mit den Bewegungen des Blattes verändert.
Verdeutlichung der eigenen Haltung durch den Körper
Auch wenn diese Demonstration nicht die Grundsituation verändert, zeigt sie, dass die Wahrnehmung und tiefere Schichten unseres Bewusstseins eine größere Rolle spielen, als die physiologischen oder pathologischen Befunde hergeben.
In unserer Körperhaltung drückt sich unsere Haltung aus. Ein Mensch mit hochgezogenen Schultern vermittelt uns den Eindruck von Ängstlichkeit, und ein sorgenvoller Mensch neigt zu leicht gebückter Haltung.
Aufrichtung und Überblick wahren
Bei der Wirbelsäule geht es grundsätzlich um die Aufrichtung, um eine Haltung, die uns eine aufrechte Begegnung mit der Welt erlaubt. Für eine Feldbeobachtung im Alltag brauchen Sie nur in ein Restaurant zu gehen. Während gute Servicekräfte durch ihre Körperhaltung immer einen guten Überblick haben, finden wir immer wieder solche, die mit leicht gesenktem Kopf ihren Dienst verrichten und somit die Kundenwünsche weniger wahrnehmen. Langfristig wird eine solche sterno-symphysale Belastungshaltung Rückenschmerzen in allen Wirbelsäulenabschnitten zur Folge haben.
Die Wirbelsäule im Organflüstern
Organflüstern nutzt diese psychosomatischen Organkoppelungen, um Lösungen zu finden. So heißt es in den Organwesen zur Wirbelsäule:
„Nach oben streben und fest verwurzelt sein, den Stürmen des Lebens trotzen und beweglich dem Lauf der Welt folgen. Ich bin der Baum der Erkenntnis, der Lebensbaum der Kabbala oder Yggdrasil, der Weltenbaum der Edda. Mein Grundthema ist überall gleich: Finde deine eigene stimmige Haltung und begegne flexibel den Veränderungen im Leben. Mit den Energien, die mich durchströmen, behüte ich einen Seelenspeicher, in dem alle Erlebnisse als Haltungen, aufrichtende Erfahrungen und Aufrichtigkeit bewahrt werden. Kann der Energiefluss frei durch meinen Speicher fließen, zeige ich dies als leichtes, fast unmerkliches Streicheln durch den Rücken, als ein Strömen, das in allen Farben und Tonlagen der Gefühle zum Ausdruck kommt, oder als Empfindungen, die wie wohlige, schier unerträglich schöne Schauer durch die Wirbelsäule ziehen. In diesen Momenten verbinde ich die elementare Welt der erdgebundenen Materie mit den geistigen Ebenen des göttlichen Funkens. Daraus ergibt sich ein klares Gewahrsein für anstehende Themen oder sogar den gesamten Lebensweg. Und da alle Organe und Gewebe an mich angeschlossen sind, werden diese ebenfalls von diesem Energiestrom heilend versorgt und in ihrem Energieniveau angehoben.“
Der Baum als Sinnbild für unsere Wirbelsäule
Damit wird ein archaisches Element angesprochen, ein Symbol, das eine überpersonale Bedeutung hat. C.G. Jung hat solchen Symbolen den Charakter von Archetypen zugestanden. Damit bezeichnete er Figuren der menschlichen Seele, die in allen Völkern vorkommen. Sie beschreiben grundlegende psychische Prinzipien, die in uns wirksam werden. Moore & Gillette haben den Funktionsmechanismus der Archetypen recht anschaulich mit Eisenspänen auf einem Papier verglichen, unter dem ein Magnet bewegt wird. Die für uns sichtbare Bewegung der Eisenspäne entspricht unseren wahrnehmbaren psychischen Regungen, während der Magnet das Wirken unserer archetypischen innerseelischen Kräfte aufzeigt, die im Verborgenen unsere Persönlichkeit steuern.
Menschen in allen Zeitaltern und Kulturen haben Bäume bewundert, weil sie höchst stabil und beweglich zugleich sind, aufrecht stehen und sich in alle Richtungen biegen können. Außerdem verbinden Bäume Himmel und Erde. Verständlich, dass der Baum als Sinnbild der inneren Aufrichtung gilt, die uns – im Gegensatz zu den Vierfüßlern – nach oben streben lässt. In unserem Körper erfüllt diese Aufgabe die Wirbelsäule.
Wortgesteuerte Wirkweisen
Die Erfahrung hat gezeigt, dass solche Aspekte für einen langfristigen Erfolg in den Behandlungen mit entscheidend sind. Leider sind hier die alltagssprachlichen Bemerkungen unzureichend. Ein schlimmes Erlebnis kann einem „das Kreuz
brechen“. Mangelnde Selbstachtung, Unsicherheit oder Schuldgefühle führen dazu, dass Menschen „buckeln“. Und bei „Halsstarrigen“ vermissen wir aufgrund festgefahrener Denk- und Lebensweisen die Flexibilität.
Wenn wir auf dieser Ebene stehen bleiben, reagieren die Betroffenen im besten Fall mit Humor, meist jedoch mit Ablehnung – und wenn es wichtige Bezugspersonen aussprechen, werden damit Schuldgefühle ausgelöst. So treffend diese Bemerkungen manchmal sein mögen, so wenig bieten sie Lösungen.
Bildhafte Sprache zur Unterstützung der Wirbelsäule
Daher ist es nötig, tiefer zu gehen und nachzuspüren, wozu uns ein Organ für unser Überleben dient. Auf dieser Ebene sind Analogien und Symbole die Mittel der Wahl. Damit können wir die Funktionen der Organe zum Ausdruck bringen. Somit lassen sich Strategien entwickeln, um Lösungen zu finden. Konkrete Affirmationen bei Problemen mit der Wirbelsäule wären:
• Fühle, wie dein innerer Baum in deinem Rücken nach oben strebt.
• Richte dich auf, und begegne der Welt in dieser Haltung.
• Spüre die Lichtsäule in deinem Rücken, und verbinde Himmel und Erde in dir.
Methoden für ganzheitliche Wirbelsäulengesundheit
Weitgehend eignen sich geführte Trancen, Autogenes Training, Meditationen oder die Katathym Imaginative Psychotherapie (KIP) nach Hanscarl Leuner bei Wirbelsäulenbeschwerden. Besonders die KIP ist eine wirksame Begleitung bei solchen therapeutischen Themen. Bei all diesen Methoden kommen persönliche Werteordnungen ins Spiel: Timeline-Prozesse erhellen Ursachen, Fragen nach Glaubenssätzen führen zu einem kompetenten Umgang mit den Tiefenstrukturen des Bewusstseins. So können Lösungen körperlich wirksam werden. Organflüstern ist damit ein praktisches Werkzeug, das solche Prozesse unterstützt.
Meditation „Wirbelsäule als Baum spüren“
Die geführte Meditation lässt die Wirbelsäule als Baum erlebbar machen:
„Senke deine Wurzeln in die Erde, und fühle, wie sie dir Stabilität geben. Lasse deine Wurzeln in verschiedenen Rot-Tönen in die Tiefe und Weite ausbreiten. Sie können bis zum Kern der Erde reichen und bilden mit anderen Bäumen ein riesiges Netzwerk. Aus diesem Wurzelgeflecht fließt ein kraftvoller Energiestrom nach oben in deinen Stamm.
Mit dem Übergang aus der Erde verändert sich die Farbe in ein kräftiges Orange, und du spürst, wie sich deine Lendenwirbelsäule mit dieser Farbe füllt. Von dort ergießt sich das warme Orange in deinen Unterleib, deine Nieren und den Bauchraum. Mit jedem Atemzug wird das Strömen aus den Wurzeln stärker.
Jetzt erreicht die Energie deine Brustwirbelsäule. Die Farbe verändert sich in ein Sonnengelb, das von der Wirbelsäule aus in deinen Magen, die Bauchspeicheldrüse, in Leber und Milz strahlt. Diese Sonne erhellt mit den Organen auch dein Gemüt, du fühlst dich leicht und gut gelaunt.
Der Energiestrom erhält weiter Nahrung aus der Erde und zieht in einem frischen Naturgrün höher in die Mitte deines Rückens. Das Grün öffnet dein Herz und lässt dich tiefer atmen. In Gedanken umarmst du glücklich die ganze Welt. Spüre, wie deine gesamte Wirbelsäule leichter und lockerer wird. So fließt der Energiestrom weiter nach oben und breitet sich in einem wärmenden Blau in deinem Nacken aus. Dein Atem geht gleichmäßig. Du spürst, wie sich Hals und Kehlkopf entspannen und jegliche Last sich auflöst.
Fazit
Ob in der Begleitung von Wirbelsäulentherapien in der Praxis, im psychosomatischen Coaching oder in der psychologischen Beratung, das Konzept des Organflüstern stellt ein grundlegendes Werkzeug für die Arbeit mit Patienten und Klienten dar. Damit werden Beschwerden erträglicher und unsere Klienten gewinnen im wahrsten Sinne ihren Körper wieder zurück.
CD-Tipp
Ewald Kliegel
Organflüstern
Was uns bewegt
hsm healthstyle. media GmbH
Ewald Kliegel
Heilpraktiker mit Schwerpunkten Reflexzonentherapie und Manuelle Therapien, Erfinder des Organflüsterns, Dozent an den Paracelsus Schulen
contact@ewald-kliegel.de
Foto: © metamorworks / adobe.stock.com
zurück zur Übersicht dieser Ausgabe