Schiff ohne Kompass?
Beständig sinkende Kirchen-Mitgliedschaftszahlen,
besonders in der evangelischen Kirche, lassen die Frage aufkommen: Wie authentisch ist der Protestantismus heute noch?
Der evangelische Theologe Werner Thiede stellt in seinem Buch, das im Jahr des 500. Reformationsjubiläums erschienen
ist, eine besorgte Diagnose. Er spricht vom Phänomen eines „neuen Kulturprotestantismus“ und übt auf Grundlage des
reformatorischen Schriftprinzips und des lutherisch herausgearbeiteten „Christus allein!“ scharfe Kritik an den
Tendenzen der Liberalen Theologie, die wohlmeinend in Anpassung an den Zeitgeist immer mehr die Kernsubstanz des
Glaubensbekenntnisses aushöhlt. Der Autor fragt nach dem Kirchenverständnis Martin Luthers, prüft die Nachhaltigkeit
kirchenleitender Einstellungen zum Amtsverständnis und beleuchtet die drei protestantischen Sakramente Taufe,
Abendmahl und Beichte neu. 95 Thesen schließen das mutige Werk ab. Die letzte lautet: „Wer seine Kirche liebt, wird
sie auch kritisieren. Evangelische Kirche braucht zu jeder Zeit die konstruktive Kritik, zu der das allgemeine
Priestertum befähigt und berufen ist.“ Dieses Hardcover-Buch ist allen zu empfehlen, denen protestantische
Spiritualität etwas bedeutet und denen die evangelische Kirche am Herzen liegt. Rezension von Rolf-Alexander Thieke
Werner Thiede, wbg Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2017, ISBN 978-3534268931